Nur Milchpumpen verleihen reicht nicht

„Substitution – das gehört zum Portfolio einer Apotheke“

Stuttgart - 06.12.2017, 07:00 Uhr

Die Versorgung Betäubungsmittelabhängiger ist meist ein ungeliebter Apothekenbereich. (Foto: dpa)

Die Versorgung Betäubungsmittelabhängiger ist meist ein ungeliebter Apothekenbereich. (Foto: dpa)


Um die Methadon- oder Polamidonsubstitution betäubungsmittelabhängiger Patienten reißen sich Apotheken meist nicht. Die Klientel gilt als schwierig, eine Honorierung ist die Ausnahme. Doch wer außer dem Arzt sollte die ambulanten Substitutionspatienten sonst versorgen? Doch wohl kaum der Bäcker nebenan oder der Methadon-Truck von McDonalds, meint ein Apotheker, der mit DAZ.online über seine Erfahrungen mit der Betäubungsmittelsubstitution gesprochen hat.

Die Substitutionstherapie Betäubungsmittelabhängiger in der Apotheke ist ein heikler Versorgungsbereich. Sie ist meist ungeliebt und wird daher von vielen Pharmazeuten lieber gemieden. Auch lukrativ ist der Geschäftszweig für Apotheker nicht. Doch er gehört nun einmal zum Leistungsangebot einer Apotheke dazu. Das jedenfalls findet ein substituierender Apotheker, mit dem DAZ.online über seine Erfahrungen gesprochen hat. Er möchte anonym bleiben – aus nachvollziehbaren Gründen: „Dass wir größere BtM-Bestände vorrätig halten, ist vielleicht hinsichtlich nächtlichen Besuchs nicht so förderlich“, erklärt er gegenüber DAZ.online.


Wenn die schwierigste Aufgabe einer Apotheke im Verleihen einer Milchpumpe oder eines Gehstockes besteht, dann reicht das nicht.



Zur Substitutionsversorgung kam der Apotheker vor Jahren eher wie die Jungfrau zum Kind. Eine bis dato in die Substitution eingebundene Apotheke sei unerwartet ausgefallen, erklärt der Apotheker. Da die Apotheken-Nachfolgerin dort sich jedoch kategorisch weigerte, diesen Versorgungsbereich weiterzuführen, drohte eine Lücke bei der ambulanten Substitutionsversorgung in der Region. Für den Apotheker stand außer Frage, dass seine Apotheke diese folglich übernimmt.

Warum? Hier macht der Pharmazeut eine klare Ansage – die auch der aktuell für Gesprächsstoff sorgenden „Rezepturverweigerer-Debatte“ zusätzlich Zunder verleiht: „Wenn die schwierigste Aufgabe einer Apotheke im Verleihen einer Milchpumpe oder eines Gehstockes besteht, dann reicht das nicht“.

Substitution gehört zum Portfolio einer vollversorgenden Apotheke

„Ich habe von meinen Mitarbeitern verlangt, dass wir uns dieser Aufgabe stellen“, sagt der Apotheker. Denn er findet: „Das gehört absolut zum Portfolio einer jeden Apotheke“. Dabei sei er selbst zu Beginn der Substitutions-Praxis skeptisch gewesen, gesteht der Apotheker. Natürlich quälten auch ihn Überlegungen: Wie wird sich die Substitution in den Apotheken-Alltag integrieren? Niedergelassen in einer sehr ländlichen Region, in der Stammkunden die Apotheken-Klientel prägen, ist dies sicherlich ein nachvollziehbarer Gedankengang.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Schwierigkeiten, als Patient eine Apotheke zu finden

von Phillipp L. am 23.02.2019 um 0:53 Uhr

Ich selbst bin Patient in einer großen Hamburger Ambulanz, welche sich auf die Substitution spezialisiert hat. Wohnen tue ich allerdings etwa 50km nördlich in einer (in Relation zur Metropole und Großstadt Hamburg) winzigen Stadt mit etwa 30.000 Einwohnern.

Eine Substitution hier ist für mich leider nicht möglich, was aber wieder ein anderes Thema ist. (Verfügbarkeit von Ärzten auf dem Land, bzw Kleinstadt/Dorf).

Als Patient fahre ich also 1x die Woche mit der Bahn nach Hamburg, um dort in der mich behandelnden Ambulanz mein Rezept abzuholen. Mittlerweile habe ich eine hiesige Apotheke (es gibt etwa 20 in meinem Wohnort) gefunden, welche sich als einzige bereit erklärt hat, mich substitutionstechnisch zu versorgen. Alle anderen Apotheken haben abgelehnt.

Ich war froh gewesen, dann doch eine wohnortsnahe Apotheke gefunden zu haben, welche sich bereit erklärt hat, den Vertrag zwischen Ambulanz (bzw dem/den behandelnden Ärzten/Ärztinnen) und Apotheke zu unterzeichnen. Nun musste sich nur noch die Apotheke (wie ich es erwartet habe), da Substitution, sofern man nicht gerade in einer Metropole wie Hamburg lebt, eben auch aufgrund mangelnder Verfügbarkeit (es gibt kaum Ärzte, welche substituieren und die, die es tun, entweder ein Limit von (ich glaube es waren mal 3, sind heute 8 o.Ä.) haben, oder unzumutbare Voraussetzungen haben, eher eine Seltenheit ist und die Apotheken "auf dem Lande" oft kaum Fach/Praxis-erfahrung im Umgang mit Substitution haben.

Eventuell ist es auch die Angst, wie mein Arzt immer sagt: "Beim kleinsten formalischen Fehler direkt mit einem Bein im Knast zu stehen." Damit gemeint natürlich Apotheker/in und Arzt/Ärztin.

Dennoch hat sich meine Apotheke damals bemüht, sich mit den strengen Regelungen/Formalitäten
BtMVV und was da nicht alles zu gehört, auseinanderzusetzen und mich aufzunehmen. Da ich auch einige Zeit in Apotheken in Hamburg meine Rezepte eingelöst habe, welche damit im Halbschlaf vertraut und routiniert sind, merkte ich natürlich schnell, wie meine heutige, hiesige Apotheke mit den Formalitäten/Abwicklung die erste Zeit überfordert waren und ich als Patient darauf hinweisen musste, dass z.B. Methadon-Lösungen (nicht in Form von Fertigarzneimitteln) nicht unverdünnt, sondern gemäß NRF verdünnt, etikettiert, in kindersicherem Verschluß abzugeben sind, etc pp. Dennoch bin ich dankbar, heute eine funktionierende Substitution zu haben.

Ich bin tatsächlich in meiner Apotheke auch der einzigste Substituierte, wie ich auf Nachfrage herausfand.

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