WHO 

Softdrink-Steuer gegen nicht übertragbare Krankheiten

Stuttgart - 08.12.2017, 09:15 Uhr

Softdrinks sollen in Zukunft
nicht mehr so viel Gewicht auf die Hüften bringen – dafür sollen höhere Preise
sorgen. Diesen Schritt lobt die WHO als mutig und stark.
(Foto: Ingo Bartussek  / stock.adobe.com)

Softdrinks sollen in Zukunft nicht mehr so viel Gewicht auf die Hüften bringen – dafür sollen höhere Preise sorgen. Diesen Schritt lobt die WHO als mutig und stark. (Foto: Ingo Bartussek  / stock.adobe.com)


Ab April 2018 sollen die Softdrink-Preise in Südafrika um elf Prozent steigen. Am vergangenen Mittwoch lobte die WHO die Gesetzgeber Südafrikas für diese Entscheidung und ihre Standhaftigkeit gegenüber dem immensen Druck der Industrie. Zeitgleich hat die WHO eine Studie veröffentlicht, die untersucht, warum die Hersteller in Europa nicht auf Zucker verzichten wollen.

Ab April nächsten Jahres wird es in Südafrika eine Steuer auf mit Zucker gesüßte Getränke geben. Die Steuereinnahmen sollen dem Gesundheitswesen zugutekommen. Eine typische Dose Softdrink wird ab dem 1. April circa elf Prozent mehr kosten. Das begrüßt die WHO in einer Pressemitteilung. Das restliche Afrika und die ganze Welt sollten sich daran ein Beispiel nehmen, nicht übertragbare Krankheiten (NCDs) praktikabel zu bekämpfen, fordert die Organisation.

Noncommunicable diseases (NCDs) in Europa

Nicht übertragbare Krankheiten (NCDs) betreffen, weltweit betrachtet, vor allem Europa. Dabei handelt es sich um eine relativ kleine Gruppe von Erkrankungen, die für einen großen Teil der gesamten Krankheitslast in Europa verantwortlich ist.

  • Diabetes
  • kardiovaskuläre Erkrankungen
  • Krebs
  • chronische Atemwegserkrankungen
  • psychische Störungen

Diese fünf Erkrankungen sind schätzungsweise für 86 Prozent der Todesfälle in Europa verantwortlich.

30 weitere Länder tun es Südafrika gleich 

Viele Länder wie die Philippinen, Antigua, Nepal und die Seychellen ziehen ebenso die Einführung einer Steuer auf zuckerhaltige Getränke in Betracht. Mehr als 30 andere Länder haben die Steuer entweder schon eingeführt, oder wie Südafrika, Großbritannien, Nordirland und die Vereinigten Arabischen Emirate das entsprechende Gesetz dazu verabschiedet.

Deutschland tut sich schwer

Laut der Nachrichtenagentur dpa befürchten Kritiker jedoch, dass die Steuer lediglich eine neue Einnahmequelle für den Staat darstellt, und sich wenig effektiv in der Gesundheitspolitik auswirkt.

Auch Deutschland nimmt bezüglich der „Zucker-Steuer“ nicht gerade eine Vorreiter-Funktion ein: Während Bundesgesundheistminister Hermann Gröhe die Steuer auch deshalb kritisch betrachtet, weil er eine soziale Spaltung befürchtet, sieht das Ernährungsministerium in „Strafsteuern auf Lebensmittel“ nicht das richtige Mittel zum Zweck. Stattdessen müsse die Ernährungskompetenz der Bürger durch Aufklärung und Information gestärkt werden. Das kritisierte Foodwatch in der Vergangenheit scharf.

Weltweit sterben laut WHO jedes Jahr 16 Millionen Menschen vor dem 70. Lebensjahr an einer NCD – die „Zucker-Steuer“ auf Getränke sei dabei nur eine von vielen kosteneffektiven Maßnahmen in der Bekämpfung der NCDs, sagt auch die WHO.

Alle WHO-Mitgliedstaaten haben sich dazu verpflichtet, die Zahl der Todesfälle durch NCDs bis 2015 um 25 Prozent zu senken; bis 2030 dann um ein Drittel. 

Warum die Hersteller in Europa nicht am Zucker sparen

Am vergangenen Dienstag hatte die WHO bereits eine neue Studie zu dem Thema veröffentlicht: „Positive und negative Anreize zur Zuckerreduktion in verarbeiteten Lebensmitteln: eine erläuternde Analyse der Versorgungskette“. Sie soll ergründen, warum die Hersteller weiterhin so große Mengen Zucker einsetzen. Sie kommt zu dem Schluss, dass es „mehr positive als negative Anreize für die Herstellung von Lebensmitteln mit hohem Zuckergehalt“ gibt.

Die WHO erklärt den Reiz des Zuckers in ihrer Studie so...

  • wird als goldener Standard zum Süßen wahrgenommen,
  • ist gut verfügbar, kostengünstig und im Überfluss vorhanden, weil er sich aus einer Vielzahl von Quellen erschließen lässt,
  • beeinflusst die Wettbewerbsfähigkeit von Herstellern und Handel,
  • soll die „Wahlfreiheit“ der Verbraucher garantieren,
  • wird weiterhin gerne konsumiert,
  • beeinflusst wesentliche funktionelle Eigenschaften industriell hergestellter Lebensmittel,
  • genießt teilweise größeres Vertrauen bei den Verbrauchern als künstliche Süßstoffe.

Die neue Publikation der WHO soll nun die Umsetzung der Leitlinien der WHO, über den Konsum freier Zucker, unterstützen: „Wir verfügen bereits über ermutigende Beispiele aus mehreren Ländern in Europa, die bewiesen haben, dass es möglich ist, die Industrie zu einer Senkung des Zuckergehalts in Lebensmitteln zu veranlassen: durch spezifische, zeitgebundene Zielvorgaben für die Zuckerreduktion und eine erläuternde Kennzeichnung auf der Vorderseite von Verpackungen. Andere haben gesetzliche Vorschriften eingeführt, etwa zur Besteuerung zuckerhaltiger Getränke oder zur Einschränkung der Vermarktung stark zuckerhaltiger Produkte an Kinder.“ 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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