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Unveröffentlicht, aber schon in allen Händen: das unsägliche Honorargutachten. Ein wildes Rechen- und Zahlenwerk, bizarr und absurd. Das animiert sogar unseren ABDA-Präsidenten zu deutlichen Worten: Da werde das Vorurteil geschürt, dass Apotheken zu viel Geld bekämen, sagt er. Weniger zurückhaltend ist dagegen Max Müller von DocMorris, der säuselt, DocMorris wolle die Welt jeden Tag ein Stückchen besser machen. Mon Dieu, mein liebes Tagebuch, eine fröhliche Weihnachtszeit sieht anders aus.
11. Dezember 2017
Eine neue Strategie gegen den unfairen Wettbewerb mit ausländischen Versendern hat sich die Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen ausgedacht. Sie geht davon aus, dass ein „simples Versandverbot“ rechtlich nicht möglich sei. Deshalb hat sie einen Antrag beschlossen, der zwar Ja zum Versandhandel sagt, aber nur nach deutschem Recht. Will heißen: Den Krankenkassen soll über das SGB V verboten werden, Rezepte von Vertragspartnern zu erstatten, die sich nicht an die deutschen Regelungen halten. Also, wenn (ausländische) Versender die nach deutschem Recht verbotenen Rabatte und Boni geben, könnten sie mit deutschen Krankenkassen nicht mehr abrechnen. Mein liebes Tagebuch, das wäre theoretisch ein Weg. Fragt sich nur, welche Strategie DocMorris & Co. dagegen einfallen wird. Und was der SPD-Bundesparteitag und die SPD-Bundestagsfraktion dazu sagen. Dieses Kapitel ist noch lange nicht zu Ende.
12. Dezember 2017
Steht immer wieder gerne in Veranstaltungsprogrammen: eine Diskussionsrunde zwischen Vertretern der Vor-Ort-Apotheken und des Arzneiversandhandels. Da weiß man: Sie können zusammen nicht kommen. So eine Runde durfte bei der Handelsblatt-Tagung „Health“ natürlich nicht fehlen. Und sie brachte die erwarteten Ergebnisse. Jede Seite will die Welt retten, aber mit anderen Mitteln. Für den Versandhandel warf sich u. a. Max Müller von DocMorris in den Ring, für die Vor-ort-Apotheken war Claudia Korf, zuständig bei der ABDA für Wirtschaft und Soziales, mit dabei. Müller weiß, dass es nicht gut klänge, wenn er nur sagen würde „uns geht’s um shareholder value und Knete verdienen“. Und daher verpackt er seine Botschaften gerne in ein Narrativ, das Narrativ von der schönen digitalen Zukunft, für die sich Versender wie DocMorris bestens aufgestellt hätten und bei der sein Unternehmen Ängste nehmen sowie aufklären und erläutern könne: DocMorris wolle die Welt jeden Tag ein Stückchen besser machen. Seufz, mein liebes Tagebuch, das ist der süße Sound des grün-weißen Päckchenpackers von der holländischen Grenze. Wenn man nicht wüsste, aus welcher Ecke das kommt, könnte man fast schwach werden. Da konnte Claudia Korf nur ihr Narrativ vom schnell und rundumversorgenden Apotheker vor Ort dagegen halten: „Wir machen die Welt heute schon jeden Tag ein Stückchen besser“ – so ist es, mein liebes Tagebuch. Den großen Angstgegner scheint sie im Versandhandel allerdings nicht zu sehen. Denn die Welt ginge auch nicht unter, wenn die Arzneimittelpreisverordnung unterginge, meinte sie ganz entspannt. Ups, das sehen so manche ABDA-Vertreter vielleicht anders, aber sei’s drum. Für Korf steht einfach die wichtige Frage im Raum, wie Apotheker in Zukunft bezahlt würden. Da sei das Rx-Versandverbot nur ein Aspekt „im gesamten Setting“, wobei sie allerdings doch die Fahne für ein Verbot hoch hielt. Sie sieht es ganz klar so: Der Versandhandel hat nur ergänzende Funktionen, kann aber nicht die Regelversorgung übernehmen. Und deshalb setzt sich die ABDA dafür ein, dass die Apotheken mehr pharmazeutische Dienstleistungen anbieten und sie vergütet bekommen.
Ein gutes Honorar für Apotheken, auch für Dienstleistungen und mehr hätte die ABDA längst bekommen können, meinte Müller dagegen, wenn sie das Rx-Versandverbot aufgegeben hätte. Mein liebes Tagebuch, ob das letzten Endes wirklich so ausgegangen wäre, weiß kein Mensch. Aber rückblickend kann man natürlich die Frage stellen: Was wäre gewesen, wenn die ABDA vom Rx-Versandverbot abgerückt wäre und stattdessen auf Honorare für Dienstleistungen, für den Medikationsplan und anderes gepocht hätte? Wären wir vielleicht schon einen Schritt weiter?
13. Dezember 2017
Das Gutachten zum Apothekenhonorar – noch immer nicht veröffentlicht, aber es macht die Runde. Mittlerweile sind nicht nur Bruchstücke bekannt, sondern das gesamte Papier samt Tabellen, statistischen Berechnungen und Pipapo. Mein liebes Tagebuch, es ist einfach irre, womit man sich im Detail beschäftigen kann und was dabei für ein Stuss herauskommt, aber alles fein mit Zahlen hinterlegt: Unsere heilberufliche Arbeit in der Apotheke wird hier im Nachhinein in ein theoretisches Korsett gezwängt. Kann das gut gehen? Da fragt man sich dann nur noch, wer überprüft, ob die jeweils eingesetzten Zahlen auch richtig sind, ob sie an der richtigen Stelle eingesetzt sind und ob die richtigen Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen gezogen werden. Mein liebes Tagebuch, aber erstaunlich bleibt, in welcher Kältestarre sich die ABDA angesichts dieses Papiers befindet. Hoffen wir, dass dies nur äußerlich ist und der Tatsache geschuldet ist, dass das Gutachten noch nicht veröffentlicht ist. Und hoffen wir, dass hinter den Kulissen die zuständige ABDA-Abteilung das Papier bereits analysiert, auseinandernimmt, fieberhaft rechnet, um handfeste Argumente gegen diese Zahlen parat zu haben.
Wie schön wäre das denn: Unser Apothekenhonorar steigt automatisch, angepasst an die allgemeine Lohnentwicklung. Schön wär’s. Was wir gerne gehabt hätten, das läuft bei den Bundestagsabgeordneten seit etwa zwei Jahren bestens. Deren Honorar, nein, man spricht hier vornehm von „Diäten“, wird jährlich zur Mitte des Jahres angepasst – ohne Diskussionen ohne Debatten, auf der Basis der vom Statistischen Bundesamt errechneten Lohnentwicklung. Jeder neue Bundestag muss übrigens am Anfang seiner Konstituierung entscheiden, ob diese Regelung weitergelten soll. Klar, sie soll, entschied das neue Parlament in dieser Woche. Mein liebes Tagebuch, meinetwegen, Bundestagsabgeordnete sollen ihr angemessenes Ein- und Auskommen haben. Aber da sollte es doch für die Abgeordneten nicht so schwer sein zu verstehen, dass die Apothekers das auch gerne hätten. Wobei wir mit einer Anpassung alle zwei Jahre durchaus zufrieden gewesen wären.
14. Dezember 2017
Ihr Name löst nicht unbedingt Liebesgefühle aus, wenn ihn Apothekers hören: Biggi Bender, Grüne, ehemalige Bundestagsabgeordnete, Lobbyistin des Arzneiversandhandels und einst Liebhaberin von Apothekenketten. Und in Zukunft könnten da noch schlimmere Antigefühle folgen. Denn die gelernte Juristin wird ins Kassenlager wechseln. Anfang des kommenden Jahres wird sie die Leitung der Landesvertretung der Ersatzkassen (vdek) Baden-Württemberg übernehmen. Das könnte bedeuten, dass sie beispielsweise Kollektiv- und Selektivverträge mit Leistungserbringern verhandelt. Mein liebes Tagebuch, da mag sich Fritz Becker, Chef des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg und des Deutschen Apothekerverbands, warm anziehen müssen. Denn Verträge, die beispielsweise die Barmer, die Technik, die KKH u.a. in Baden-Württemberg mit den Apothekern vereinbaren, werden über Benders Tisch gehen. Eine Apothekenfreundin war sie noch nie.
Nochmal was aus dem Gutachten. Die Autoren des Papiers wirbeln unsere gesamte Honorierung durcheinander und machen auch vor dem Botendienst nicht Halt. Hier empfehlen sie u. a., dass Botendienste vergütet werden sollten, wenn es zur Sicherstellung der Versorgung nötig sein sollte. Mein liebes Tagebuch, was im ersten Bruchteil einer Sekunde vielleicht nett aufblitzen mag (Honorar für Botendienst, von der Kasse), fällt unmittelbar danach sofort in sich zusammen. Welcher Arzt würde ein entsprechendes Feld (z. B. „nuntio“ für „durch Bote“ entsprechend dem noctu-Feld) vorab auf dem Rezept ankreuzen? Wie oft käme das wohl vor? Wie müssten wir um jeden Cent für diese Pauschale mit den Kassen streiten! Und bei der Berechnung unseres absoluten Festzuschlags würde dann der Baustein Botendienst wieder herausgenommen. Mein liebes Tagebuch, dieses Gutachten ist doch nichts anderes als ein Heiden-Kokolores!
Endlich! Er sagt was! Auch wenn das Gutachten nicht offiziell draußen ist – unser Präsident mag nicht mehr schweigen. Das tut richtig gut. Und wir dachten schon, mein liebes Tagebuch, die ABDA will das Papier ignorieren. Also, jetzt kommen endlich mal ein paar deutliche Worte vom ABDA-Präsident zu den Vorgängen um das ominöse Gutachten und dem Gutachten selbst. Ein offizielles Statement traut sich die ABDA allerdings nicht zu. Friedemann Schmidt äußert sich vielmehr im Format eines PZ-Interviews. Und wie schätzt er das Gezeter um das Gutachten und den Inhalt ein? Schmidt hält die Vorab-Verbreitung des Papiers für „eine gezielte Indiskretion“, die „politisch gewollt war, von wem auch immer“. Die betroffenen Akteure, also auch die ABDA, hätten eigentlich über den Weg des Beirats beim Wirtschaftsministerium informiert werden müssen. Stattdessen gelangt das Gutachten in die Medien und vom Beirat kam nichts. Schmidt spricht von einem absolut inakzeptablen Vorgehen. Er tue sich schwer, dieses Werk überhaupt noch als Gutachten zu bezeichnen, es werde wohl eher wie ein politisches Kampfinstrument eingesetzt. Wie wahr, mein liebes Tagebuch. Schmidt lässt auch seine Einschätzung zum Gutachten raus: „Da passt zu vieles nicht zusammen“, meint er. Einerseits behauptet das Papier, dass fast die Hälfte der Apotheken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecke, und dann schlagen die Gutachter vor, den Apotheken erstmal eine Milliarde Euro wegzunehmen. Das Gutachten will Fragen beantworten, die nie gestellt wurden und es geht von falschen Prämissen aus. Schon die willkürliche Festlegung des Einkommens eines Leiters einer öffentlichen Apotheke auf das Gehalt eines leitenden Krankenhausapothekers sei absurd, so Schmidt, der das als politisches Statement und nicht als gutachterliche Aussage wertet. Und er übt auch Kritik daran, dass die Ungereimtheiten womöglich damit zu tun haben, dass ein Unternehmen ohne Expertise im Gesundheitswesen beauftragt worden sei. Mein liebes Tagebuch, mit diesem (jetzt wäre mir doch fast ein nicht netiquettefreies Wort herausgerutscht) Papier sind wir Apothekers die Gekniffenen. Was erschwerend hinzukommt: Aufgrund der politischen Lage (Wechsel der Regierung mit offenem Ausgang, wer für was zuständig sein wird, und keine Ansprechpartner) ist derzeit eine Diskussion mit der Politik nicht möglich. Schlimmer Zustand!
Und wie wird dieses Desaster enden? Auch die Politik wird einsehen müssen, dass dieses Papier, wenn es denn so oder ähnlich veröffentlicht wird, nicht umsetzbar ist, auf keinen Fall in dieser Form, es sei denn, man möchte ein Apothekensterben riesigen Ausmaßes. Die Politik könnte es allerdings als Druckmittel einsetzen nach dem Motto: Liebe Apothekers, wir könnten das Papier mal weitgehend vergessen, wenn ihr für die nächsten Jahre mal schön still bleibt und nicht ständig mit Honorarforderungen und Honorardynamisierungen kommt. Mein liebes Tagebuch, dann ergeht’ es uns wie immer: Keine Honorarerhöhungen, denn: Es hätte schlimmer kommen können.
15. Dezember 2017
Der Apothekerberuf ist ein Mangelberuf. Eine Apotheke, die heute eine Mitarbeiterin, einen Mitarbeiter sucht, muss sich anstrengen, sich etwas einfallen lassen: z. B. flexible Arbeitszeiten und eine gewisse Flexibilität nach oben beim Gehalt. Einmal eine Stellenanzeige veröffentlichen und dann melden sich fünf bis zehn Kandidaten, aus denen die Apotheke auswählen kann – die Zeiten sind schon lange vorbei. Die Pharmaindustrie bietet nämlich für Pharmazeuten spannende Alternativen. Da den Apothekerberuf bereits zu über 80 Prozent Frauen ergreifen, von denen dann bald viele nach relativ kurzer Zeit hinter dem HV-Tisch wegen Familiengründung aus dem aktiven Berufsleben zeitweise oder auch für immer ausscheiden, wird es in Zukunft immer weniger Apothekerinnen und Apotheker geben, die in einer Apotheke vor Ort arbeiten wollen und werden. Die Apothekerkammer Niedersachsen will Pharmaziestudierende mit einer neuen Website für die öffentliche Apotheke begeistern. Mein liebes Tagebuch, gut so! Die Seite ist gut gemacht, der Inhalt spricht an: persönliche Geschichten, Empfehlungen von jungen Kolleginnen und Kollegen, Tipps für den Berufsstart und vieles mehr, das den Nachwuchs für „die Öffentliche“ begeistern kann.
12 Kommentare
Tagebuch
von Heiko Barz am 18.12.2017 um 17:42 Uhr
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Was bleibt
von Sven Larisch am 18.12.2017 um 12:33 Uhr
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Wer hat verstanden?
von Gunnar Müller, Detmold am 17.12.2017 um 15:46 Uhr
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Frank Ebert
von Frank Ebert am 17.12.2017 um 14:30 Uhr
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Schweigen
von Reinhard Rodiger am 17.12.2017 um 14:12 Uhr
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AW: Bitte etwas lauter Schweigen
von Bernd Jas am 17.12.2017 um 23:51 Uhr
Guten Morgen, meine Lieben !
von gabriela aures am 17.12.2017 um 12:06 Uhr
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AW: Guten Morgen, meine Lieben
von Christian Giese am 17.12.2017 um 13:00 Uhr
AW: Guten Morgen, meine Lieben ... und Übriggebliebenen ...
von Christian Timme am 17.12.2017 um 14:43 Uhr
Berufsperspektiven
von Thesing-Bleck am 17.12.2017 um 9:51 Uhr
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BILD Dir (m)eine Meinung
von Christian Timme am 17.12.2017 um 9:36 Uhr
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Schnell mehr Licht bitte...
von Ulrich Ströh am 17.12.2017 um 8:38 Uhr
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