Krankenhausforschung

Deutlich mehr Antibiotika in der Intensivmedizin

Remagen - 02.01.2018, 07:00 Uhr

Auf Intensivstationen ist in den letzten 15 Jahren der Antibiotikaverbrauch gestiegen. (Foto: Foto: Andreas Arnold/dpa)

Auf Intensivstationen ist in den letzten 15 Jahren der Antibiotikaverbrauch gestiegen. (Foto: Foto: Andreas Arnold/dpa)


Seit einigen Jahren warnen Experten vehement vor dem zu unkritischen Einsatz von Antibiotika. Insofern sollten angesichts dessen, was das Deutsche Ärzteblatt jetzt berichtet, hierzulande allerorten die Alarmglocken läuten. Nach einer Erhebung über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren ist der Antibiotikaverbrauch auf Intensivstationen in Deutschland seit dem Jahr 2001 um 19 Prozent gestiegen.  

In den letzten Jahrzehnten hat der Antibiotika-Verbrauch (ABV) weltweit deutlich zugenommen, obwohl Experten, allen voran die Weltgesundheitsorganisation nicht müde werden, auf die Risiken, die sich daraus ergeben, aufmerksam zu machen. Die Problematik multiresistenter Erreger konzentriert sich vor allem auf Intensivstationen. Die Patienten sind häufig multimorbide und sind deswegen generell anfälliger für nosokomiale Infektionen. Gerade hier führen Infektionen mit multiresistenten Erregern deswegen oft zu zusätzlichen Komplikationen.

Daten aus 77 Intensivstationen ausgewertet

Im Jahr 2000 wurde in Deutschland das Studien-Projekt „SARI“ zur Surveillance der Antibiotika-Anwendung und der bakteriellen Resistenzen auf deutschen Intensivstationen initiiert. SARI wurde bis Ende 2006 vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technik gefördert und wird vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité Berlin weitergeführt. Im Rahmen der Kohortenstudie haben 77 Intensivstationen in 44 Krankenhäusern aus 13 Bundesländern über 15 Jahre (2001 bis 2015) Daten zu den monatlichen Patiententagen (PT), zum Antibiotikaverbrauch (ABV, in definierten Tagesdosen, DDD) sowie Resistenzdaten von 13 Erregern übermittelt. Aus dem ABV, den DDD und den PT wurde die Antibiotika-Anwendungsdichte und aus der Anzahl resistenter Erreger die Resistenzdichte pro 1.000 PT berechnet.

Fast zwanzig Prozent mehr Antibiotika eingesetzt

Wie aus der Publikation der Ergebnisse im Deutschen Ärzteblatt hervorgeht, wurden im Erhebungszeitraum innerhalb der Kohorte fast drei Millionen Patiententage erfasst. In diesem Zeitraum stieg der mittlere Gesamtverbrauch an Antibiotika um 19 Prozent. Besonders deutlich war die Zunahme der Antibiotika-Anwendungsdichte bei Carbapenemen (+230 Prozent), was die Autoren vor allem auf den stark erhöhten Einsatz von Meropenem zurückführen (+638 Prozent). In der Gruppe der Penicilline mit ß-Lactamase-Inhibitoren, (BLI) verzeichneten sie den stärksten Anstieg bei Piperacillin-Tazobactam (+247 Prozent). Die deutliche Zunahme anderer Antibiotika (+928 Prozent) schreiben sie vor allem den drei Wirkstoffen Linezolid, Tigecyclin und Daptomycin zu, die 2001 noch nicht oder gerade erst zur Verfügung standen. Die fünf am häufigsten eingesetzten Antibiotika-Gruppen im Jahr 2015 waren Penicilline mit BLI, Carbapeneme, Fluorchinolone, Makrolide und 3. Generations-Cephalosporine. Auf sie entfallen zusammen 61 Prozent des Gesamtverbrauchs auf den Intensivstationen.

Welche Resistenzen haben zugenommen?

Im Untersuchungszeitraum machte sich außerdem eine zunehmende Resistenzdichte gramnegativer multiresistenter Erreger bemerkbar. Vor allem den Anstieg bei Imipenem-resistenten Erregern halten Cornelius Remschmidt von der Charité Universitätsmedizin und seine Co-Autoren für besorgniserregend. Ihrer Auffassung nach könnte der gestiegene Verbrauch von Breitband- und Reserveantibiotika diese Entwicklung begünstigt haben.

Bei den grampositiven Erregern heben sie die Zunahme von Vancomycin-resistenten Enterococcus faecium (VRE) auf den Intensivstationen besonders hervor. Während 2001 nur einzelne Isolate nachgewiesen wurden, waren 2015 mehr als 75 Prozent aller SARI-Intensivstationen davon betroffen, bei einer Resistenzrate von 13,3 Prozent. Der Anteil der Methicillin-resistenten Staphlococcus aureus (MRSA) hat sich nach den SARI-Daten in den letzten Jahren stabilisiert, allerdings waren 2015 noch immer knapp 23 Prozent aller S. aureus gegen Oxacillin resistent.

Strenge Hygiene und konsequentes Monitoring sind das A und O

Die Forscher geben zu bedenken, dass ihre Ergebnisse aufgrund der großen Heterogenität der einbezogenen Intensivstationen und der freiwilligen Datenübermittlung nicht repräsentativ für ganz Deutschland seien. Sie könnten aber auf jeden Fall dabei helfen, die Entwicklung des Antibiotikaverbrauchs und die Resistenzen auf deutschen Intensivstationen besser abzuschätzen. Angesichts des steigenden Verbrauchs von Breitspektrum- und Reserveantibiotika raten sie dringend dazu, die rationale Antibiotikaanwendung im Krankenhaus zu optimieren Das fängt mit der strikten Einhaltung hygienischer Maßnahmen an und hört mit dem zwingenden Einsatz multidisziplinärer „antibiotic stewardship“ Teams auf www.antibiotic-stewardship.de.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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