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Auf einem Kongress in Berlin kamen am gestrigen Dienstag Experten aus ganz Europa zusammen, um über modernste Versionen der E-Patientenakte und des E-Rezeptes zu sprechen. Aber anstelle eines ABDA-Vertreters oder eines Gesundheitspolitikers saßen da zwei sichtlich vergnügte DocMorris-Mitarbeiter als Ausrichter der Veranstaltung. Auch in diesem Bereich ist die Verweigerungshaltung der ABDA mehr als fahrlässig, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.
Das war schon beeindruckend, was sich auf dem Kongress des Bundesverbandes Managed Care (BMC) am gestrigen Dienstag in Berlin abspielte. Da stand zunächst der Chef des staatlichen, dänischen E-Health-Portals Hans Erik Henriksen und erklärte, wie unsere Nachbarn ihre Versorgung in den vergangenen Jahren von Kopf auf die Füße gestellt haben. Während die Debatte um eine fortschrittliche, qualitätsorientierte Klinikplanung und -finanzierung hierzulande im Lobbyismus-Kreuzfeuer erstickt, erzählte Henriksen stolz, dass in Dänemark zuletzt viele Kliniken geschlossen hätten. Das eingesparte Geld wurde in die Sanierung und insbesondere Spezialisierung der verbleibenden Häuser investiert.
Noch viel imposanter war die Vorstellung in Sachen E-Health: Henriksen zeigte den Zuhörern im gut besetzten Hörsaal sein Handy, auf dem er eine App aktivierte. Mit dieser App hat er nach Eingabe einer PIN Zugriff auf seine auf einem Server gespeicherte Patientenakte. Außerdem kann er sehen, welche Ratschläge seine Ärzte und Apotheker hinsichtlich seiner Arzneimittel-Verordnungen geben. Will er ein Folgerezept haben, kann er seinem Arzt dies per App mitteilen, der lädt die Verordnung auf den Server – auf dieses Rezept kann dann jede von Henriksen ausgewählte Apotheke zugreifen. Toll, oder?
Auch der Auftritt des Esten Artur Novek war nicht uninteressant. Der IT-Spezialist beim staatlichen E-Health-Portal schloss an seinen Laptop einen Adapter an, führte seine Gesundheitskarte ein, wurde nach seinem Passwort gefragt und schon befand er sich in seiner persönlichen Patientenakte. Ähnlich wie bei seinem Vorredner enthielt dies Diagnosen, Medikationsplan, Arzttermine, etc.
Hinter Henriksen und Novek saß ein vergnügter, gut gelaunter Christian Franken, seines Zeichens Chefapotheker bei DocMorris, der bei jedem Versorgungs-Coup lächelte. Für Doc Morris war das eine tolle Bühne beim BMC-Kongress. Man konnte sich wieder einmal als seriöser Versorgungspartner verkaufen, der innovative Prozesse, von denen die Patienten fraglos profitieren würden, am liebsten gleich am nächsten Tag umsetzen würde. „Ihr seht jetzt, wie es in anderen Ländern geht. Wenn ihr mit uns kooperiert, könnt ihr das auch hier so haben“ – so oder so ähnlich war die politische Botschaft, die DocMorris da gestern absendete.
Mitgestalten statt interessiert zuschauen
Nun muss man klar festhalten, dass sich DocMorris diese Veranstaltung gewissermaßen erkauft hat. Die niederländische Versandapotheke ist neben ihrer Muttergesellschaft Zur Rose und dem Pharmakonzern Roche einer von drei sogenannter „Platin-Partner“ des BMC. Nur DocMorris und Roche war es vorbehalten, ein 3,5-stündiges Satellitensymposium auf dem Kongress anzubieten. Und trotzdem fragt sich jemand, der die Zukunft der Arzneimittelversorgung in der Apotheke vor Ort sieht: Warum gibt es von der ABDA nicht ähnliche Veranstaltungen?
Ein Teil dieser Frage ist einfach zu beantworten: Die ABDA ist vor einiger Zeit aus dem BMC ausgetreten und hat somit schlichtweg keinen Einfluss mehr auf die Debatten innerhalb dieses Verbandes. Der Grund: Der BMC hatte sich in einer Pressemitteilung gegen das Rx-Versandverbot und für eine teilweise Öffnung des Marktes nach dem EuGH-Urteil ausgesprochen. Hier zeigt sich also eine Parallele zur derzeitigen Debatte rund um das Honorar-Gutachten: Es scheint politische Strategie der Standesvertretung der Apotheker geworden zu sein, sich dem politischen Gegner nicht mehr argumentativ zu stellen, sondern ihm beleidigt den Rücken zu zukehren.
Was die Digitalisierung betrifft, bevorzugt es die ABDA, innerhalb von ein paar Monaten zwei Mal einen wortgleichen Letter Of Intent herauszugeben. Darin erklärt die Standesvertretung richtigerweise, dass die Digitalisierung nicht ungeprüft und zum Selbstzweck etablierte Versorgungsstrukturen ausradieren darf. Der Rest des Papiers ist aber voller unkonkreter Floskeln. Viel sinnvoller als die Entwicklung so irgendwie passiv mitzutragen, wäre es doch aber, sie mitzugestalten. Diese Funktion wurde in vielen Bereichen inzwischen aber leider einem niederländischen Unternehmen überlassen. Übrigens muss sich auch die Gesundheitspolitik diese Frage gefallen lassen: Zumindest nach außen wird nicht ersichtlich, inwiefern die Politik über den Tellerrand schaut, um zu erkennen, wie eine neuartige Versorgung funktionieren kann – übrigens mit Vor-Ort-Apothekern, denn in Dänemark gibt es keine Apothekenketten.
Umso erfreulicher ist es, dass immer mehr Unternehmen, Krankenkassen und Verbände die Lethargie ignorieren, selbst Fakten schaffen und eigene Versorgungskonzepte entwickeln. Jüngstes Beispiel: das Fernbehandlungs-Konzept in Baden-Württemberg. Erstmals in Deutschland dürfen Ärzte dort in bestimmten Fällen Video-Sprechstunden durchführen. Und erstmals resultieren aus solchen Video-Beratungen auch E-Rezepte, die mit Hilfe des Apotheken-Portals apotheken.de an die Apotheken geschickt werden und zwar ausschließlich an Vor-Ort-Apotheken, die vom Patienten ausgewählt wurden.
4 Kommentare
Kein Anschluss unter dieser Nummer ...
von Christian Timme am 26.01.2018 um 8:27 Uhr
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Auf die ABDA warte ich nicht mehr...
von Christiane Patzelt am 24.01.2018 um 17:55 Uhr
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"DocMorris das Feld überlassen"
von Dr. Detlef Eichberg am 24.01.2018 um 8:44 Uhr
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AW: "DocMorris das Feld überlassen&
von Bernhard Kappus am 24.01.2018 um 10:14 Uhr
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