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Arztinformationssystem
Ein weiteres Werkzeug zur Versorgungssteuerung?
Auf dem diesjährigen BMC-Kongress in Berlin wurde auch über das Arztinformationssystem (AIS) diskutiert. Themen waren unter anderem mögliche therapierelevante Fehlerquellen in dem System, mit dem die Ärzte besser über die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung informiert werden sollen. Inwieweit das sogenannte AIS über die Informationsfunktion hinaus zur Versorgungssteuerung eingesetzt werden soll, bot ebenfalls Raum für Diskussionen.
Auf dem Symposium der Firma Roche im Rahmen des Kongresses
„Managed Care im digitalen Zeitalter“, veranstaltet vom Bundesverband Managed
Care (BMC), sorgte das geplante Arztinformationssystem (AIS) für rege
Diskussionen. Mit von der Partie waren Rechtsanwalt Claus Burgardt, Prof. Dr Michael Tsambikakis von der Kanzlei Tsambikakis &
Partner, Wolfgang Höfers und Christian Ertel von der auf Arztsoftware spezialisierten Medeation GmbH sowie Dr. Sybille Steiner von der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung. Moderiert wurde das Gespräch von Lisa Braun von der Presseagentur Gesundheit.
Das AIS, welches der Bundestag im März 2017 im Zuge des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes auf den Weg gebracht hat, soll künftig Ärzten in ihrer Praxissoftware die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung bereitstellen. Das Inkrafttreten eines solchen AIS per Rechtsverordnung ist nicht vor Abschluss der Regierungsbildung zu erwarten. Bis zur Umsetzung in der ärztlichen Praxis könnte es nach Ansicht von Experten also noch mindestens ein Jahr dauern.
Die technische Ausgestaltung des AIS ist noch nicht finalisiert. Nach Ansicht von Wolfgang Höfers gibt es dabei zwei therapierelevante Punkte zu beachten. Zum einen bezieht sich die Nutzenbewertung eines neuen Arzneimittels im Vergleich zu der zweckmäßigen Vergleichstherapie (ZVT) meist auf detailliert beschriebene Patientensubgruppen. Der komplexe Wortlaut dieser Beschreibung spiegelt sich im Praxisalltag jedoch selten in der Patientenakte wider. Eine subgruppengerechte Anpassung der Indikationsstellung wäre sowohl mit hohem technischem Aufwand als auch mit vermehrter Dokumentationsarbeit für die Ärzte verbunden.
Zum anderen sind die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung nur eines von vielen Entscheidungskriterien für die Therapieauswahl. Um den Arzt bei seiner Entscheidung umfassender zu unterstützen, sollten nach Ansicht von Höfers auch Leitlinienempfehlungen der Fachgesellschaften in das AIS mit einfließen.
Dr. Christian Ertel, Leiter der Strategieberatung bei Medeation GmbH, weist auf mögliche Fehlerquellen beim Vergleich der Arzneimittel unter Einbeziehung der Nutzenbewertungsergebnisse hin. Beispielsweise lassen sich die Ergebnisse der Nutzenbewertung eines neuen Arzneimittels zu der entsprechenden ZVT seiner Einschätzung nach nicht ohne weiteres auf ein zu der ZVT biosimilares Arzneimittel übertragen. „Ein AIS als Informationsinstrument sollte keine Austauschbarkeit suggerieren, die gesetzlich noch nicht besteht“, erläutert Ertel.
Versorgungssteuerung im Zeichen der Wirtschaftlichkeit
Inwiefern im AIS auch Hinweise auf die
Wirtschaftlichkeit einer Verordnung implementiert werden, sorgt in der
Gesundheitsbranche derzeit für Sprengstoff. Die Krankenkassen wünschen sich, dass auch Informationen über die Preise der Arzneimittel berücksichtigt werden. Vertreter von Pharmaunternehmen meldeteten sich bei der Veranstaltung zu Wort und erklärten, dass sich eine weitere Steuerung durch das AIS zugunsten von Biosimilars und Generika ergeben könnte.
Denn der Trend der aktuell bestehenden Versorgungssteuerungswerkzeuge seitens
der Kostenträger und Kassen weist bereits eindeutig in die Richtung der
kostengünstigeren Präparate. Dr. Sybille Steiner von der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung (KBV) betonte die Zielsetzung als unabhängiges
Informationssystem für Ärzte.
Rechtsanwalt Claus Burgardt, Sträter Rechtsanwälte Berlin, beleuchtete auf der Veranstaltung die zunehmende Bedeutung der Biosimilars in der Versorgungssteuerung. Grundsätzlich trage die Steuerung zugunsten von Biosimilars zur Wirtschaftlichkeit bei. Problematisch wird es aus seiner Sicht, wenn in demselben Indikationsgebiet zusätzlich Rabattverträge mit dem Originalhersteller bestehen. „Es wird sich noch erweisen müssen, ob die starke Steuerung hin zu Biosimilars vor dem Hintergrund der vielfach für die Originale bestehenden Rabattverträge wirklich große Einsparungen realisiert“, erklärte Burgardt.
Prof. Dr Michael Tsambikakis, Kanzlei Tsambikakis & Partner, arbeitete die rechtlichen Grenzen der Marktbeeinflussung durch Strukturverträge, bei denen Ärzte für die Zielerfüllung nicht unerhebliche Zuwendungen erhalten, heraus. Als ein Beispiel nannte er einen Strukturvertrag zwischen einer Krankenkasse und einer kassenärztlichen Vereinigung, bei dem die Ärzte zur Hälfte an dem resultierenden Einsparvolumen beteiligt werden. Aufgrund der Zielesetzung, Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen, sind derartige Vereinbarungen erlaubt. „Würde eine derartige Zuwendung durch ein Pharmaunternehmen erfolgen, spräche man von Korruption“, verdeutlichte Tsambikakis.
Faktor Patient
In der Abschlussdiskussion brachte die Pressesprecherin einer Rheuma-Selbsthilfegruppe, die auch Rheumatologin ist, die Patientenperspektive ins Spiel. Aus ihrer Sicht ist die Versorgungssteuerung für den Patienten intransparent, denn es sei für Patienten nicht bewusst, welche wirtschaftlichen Gründe hinter einer Medikamentenumstellung stecken. Der Patient würde bei dieser „stummen Rationierung“ überhaupt nicht abgeholt.
Im Zusammenhang mit den Biosimilarquoten wies die Rheuma-Expertin auf eine offene Beobachtungsstudie hin, welche die Auswirkung der Umstellung vom Originalpräparat auf ein Biosimilar auf die Verträglichkeit untersuchte. Dabei hätte sich nach ihrer Information ein so genannter Nocebo-Effekt gezeigt, weil die Patienten glaubten, sie bekämen eine weniger hochwertige Therapie und sie demzufolge schlechter vertrugen.
In kontrollierten verblindeten Studien zur Umstellung (Switch-Studien) vom Orignalpräparat auf ein Biosimilar trete dieser Nocebo-Effekt dagegen nicht auf. Dies verdeutlicht grundsätzlich die Bedeutung psychologischer Faktoren bei der Arzneimittel-Beratung.
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