Norddeutscher Zyto-Workshop (NZW)

Instrumentalisieren die Kassen den Zyto-Skandal?

Hamburg - 29.01.2018, 14:45 Uhr

„Es gibt keine mächtigere Lobby als die der Krankenkasse“ - auf dem NZW-Kongress wurde die Frage diskutiert, ob die Kassen den Zyto-Skandal politisch ausnutzen. (Foto: Tawesit / stock.adobe.com)

„Es gibt keine mächtigere Lobby als die der Krankenkasse“ - auf dem NZW-Kongress wurde die Frage diskutiert, ob die Kassen den Zyto-Skandal politisch ausnutzen. (Foto: Tawesit / stock.adobe.com)


GKV und Politik instrumentalisieren Zyto-Skandal

Aber welche Rolle spielen die Krankenkassen in dieser Angelegenheit? Zumindest der AOK-Bundesverband argumentiert, dass der Zyto-Skandal Bottrop durch Ausschreibungen vermieden werden können, da die Krankenkassen ihre Ausschreibungspartner nach qualitätsbezogenen Kriterien auswählten und nur regional versorgen dürften. Das erklärte AOK-Versorgungschefin Sabine Richard im Interview mit DAZ.online. Für den Juristen Grau entbehrt das allerdings jeder Logik. Denn die „Alte Apotheke" des angeklagten Apothekers Peter S. hatte groteskerweise ja tatsächlich zahlreiche Zuschläge bei den Ausschreibungsverfahren der Krankenkassen erhalten.

„Ausschreibungen sind nicht geeignet, um derartige Situationen abzufangen“, sagt Grau. Was dieser Fall nach Ansicht des Juristen jedoch deutlich zeigt: Obwohl derzeit noch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren laufe, versuchten Krankenkassen und Politik diesen Anlass bereits für ihre jeweils eigenen Interessen zu missbrauchen. Den Eindruck, dass der Zyto-Prozess als Politikum instrumentalisiert werde, gewinnt auch Patientin Evelyn Kraßmann: „Ich habe nicht das Gefühl, dass Patienteninteressen im Vordergrund stehen“, sagt Kraßmann.

Apotheker sollten sich als Arzneimittelberater verstehen

Professor Giovanni Mayo möchte den Zyto-Prozess anders nutzen. Mayo hat den Lehrstuhl für Medizinethik in Freiburg inne und ist Direktor des dortigen Instituts für Ethik und Medizin. Er beschreibt den derzeit resultierenden politischen Aktionismus als „wenig reflektiert“ und „oberflächlich argumentiert“, sogar „populistische“ Züge erkenne er in der derzeitigen Debatte. Mayo bezweifelt ebenfalls den Mehrwert zusätzlicher Kontrollen.

Wichtige Funktionen für Apotheker könnten sich für Mayo aber in einem ganz anderen Bereich ergeben: Er betonte: „Der Beruf des Apothekers ist sehr wichtig. Der Patient ist im Medizinsystem verloren: Aus dem stationären Bereich wird er rauskatapultiert, im ambulanten findet er keinen Ansprechpartner“. Der Fall in Bottrop sollte Anlass sein, noch einmal gründlich darüber nachzudenken, welche Leistung der Apotheker erbringe und wie er sich verstehen müsse. Der Medizinethiker sagt:


Der Apotheker ist ein Heilberuf, er ist weder Geschäftsmann noch Angestellter des Staates. Er übt einen freien Beruf mit einer Gemeinwohlverpflichtung aus.

Professor Giovanni Mayo, Direktor des Instituts für Ethik und Medizin in Freiburg




Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Lobby

von Bernd Küsgens am 29.01.2018 um 19:21 Uhr

"Eine Lobby, die selbst Bottrop noch als positives Argument für Ausschreibungen instrumentalisiert,...... diese Lobby kann nicht behaupten, Patienteninteressen zu vertreten“.
Wo sind die Politiker, die sich und uns,dieses Verhalten gefallen lassen

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