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Interpharm 2018
Nahrungsergänzungsmittel in der Apotheke – zwischen Evidenz und Eminenz
Empfehlungen zu Nahrungsergänzungsmittel bewegen sich im Spannungsfeld zwischen tatsächlicher Evidenz, wechselnden Trends und Werbebotschaften der Supplement-Hersteller. Dr. Markus Ziegelmeier trennte in seinem Vortrag „Nahrungsergänzungsmittel evidenzbasiert empfehlen“ sauber die Fakten von den Mythen bei der Supplementation.
„Ohne Radikalfänger früher sterben“ oder „Nahrungsergänzungsmittel verkürzen das Leben“? Derartig kontroverse Schlagzeilen erschweren es, den tatsächlichen Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln einzuschätzen. Echte Evidenz im Lebensmittelbereich zu generieren, sei zudem extrem komplex, erläuterte der Fachapotheker für klinische Pharmazie, Dr. Markus Ziegelmeier, am vergangenen Samstag auf der Interpharm.
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Denn im Gegensatz zu klinischen Arzneimittelstudien sei es in der Ernährungswissenschaft deutlich schwieriger, kontrollierte Bedingungen herzustellen. Zudem ließe sich ein präventiver Effekt meistens nicht so klar beweisen wie das Lindern von manifesten Erkrankungen.
Zwar existieren qualitativ hochwertige Studien zu Mikronährstoffen mit großen Patientenzahlen. Jedoch muss man bei deren Interpretation genauer hinschauen, fand Ziegelmeier. Als Beispiel nannte er die IOWA Women`s Health Studie, an der rund 40.000 Frauen aus Iowa mit durchschnittlichem Alter von 62 Jahren teilgenommen hatten. Die Probandinnen wurden über einen Zeitraum von insgesamt 22 Jahren beobachtet, welche Nahrungsergänzungsmittel sie einnahmen und wie die Sterblichkeit war.
Gesunde brauchen normalerweise keine Supplemente
Mit Ausnahme von Calcium, das die Mortalität verringerte, zeigte keines der verschiedenen eingenommenen Mikronährstoff-Präparate einen lebensverlängernden Effekt. Auch bei dem viel diskutieren Vitamin D war kein Benefit bezüglich der Mortalität zu erkennen. Diese Aussage ließe sich jedoch nicht unbedingt auf Deutschland übertragen, kommentierte Ziegelmeier. Denn in Iowa ist die UVB-Strahlung, die für die Vitamin D-Synthese in der Haut benötigt wird, übers Jahr höher als in der Bundesrepublik. Und das positive Ergebnis für Calcium aus der Iowa-Studie gälte im Übrigen nur für Frauen. Denn andere Daten wiesen wiederum darauf hin, dass bei Männern eine unkritische Calcium-Supplementation die Lebenserwartung verringern könne, weil vermehrt kardiovaskuläre Ereignisse auftraten.
Fazit: Wenn die Ernährung stimmt, brauchen gesunde Menschen im Grunde genommen keine Nahrungsergänzungsmittel. Und laut der Nationalen Verzehrstudie II gibt es in der deutschen Bevölkerung auch praktisch keinen Vitaminmangel. Allerdings ist für einige Mikronährstoffe eine Unterversorgung zu verzeichnen, deren subklinische Auswirkungen auf lange Sicht unklar sind.
Mikronährstoffe gegen die Folgen geriatrischer Polymedikation
Bei konkreten Patientengruppen, erklärte Ziegler, sei die Indikationsstellung zur Supplementation allerdings klarer. Beispielsweise nähmen älterer Patienten viele Medikamente ein, die als Nebenwirkung bestimmte Mikronährstoffdefizite verursachen. Protonenpumpeninhibitoren führen zu einer unzureichenden B12- und Calciumresorption. Schleifendiuretika schwemmen Calcium, Magnesium und Thiamin aus. Hier sei eine Supplementation angezeigt.
In der Onkologie bestünden ebenfalls Nährstoffdefizite. Insbesondere bei Kachexie träte hier, träte häufig ein Thiamin-Mangel auf. Hier empfahl Ziegelmeier, mit einem Vitamin-B-Komplex zu substituieren. Zur Selengabe sei die Datenlage für Krebspatienten allerdings widersprüchlich. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft könne Ziegelmeier eine unkritische Seleneinnahme daher nicht empfehlen.
1 Kommentar
Stimmt‘s denn?
von Reinhild Berger am 19.03.2018 um 19:56 Uhr
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