Urteilsgründe des Kammergerichts liegen vor

Bundesgerichtshof muss sich erneut mit Rx-Boni befassen

Berlin - 30.03.2018, 12:00 Uhr


                            
                                    


                                    Lebt die Ein-Euro-Spürbarkeitsgrenze in Apotheken wieder auf? (Foto: by-studio / stock.adobe.com)

Lebt die Ein-Euro-Spürbarkeitsgrenze in Apotheken wieder auf? (Foto: by-studio / stock.adobe.com)


Die Rückkehr der Spürbarkeitsgrenze?

Das Kammergericht kommt allerdings zu dem Schluss, dass eine lauterkeitsrechtliche Spürbarkeit gegeben sein müsse (§ 3a UWG). Ein Barrabatt von 1 Euro stelle aber nur eine geringwertige Kleinigkeit dar, die – spürbare – Wertgrenze sei nicht überschritten. Die geänderte Fassung des § 7 HWG stehe dem nicht entgegen, so das Gericht. Aus der Änderung, dass auch geringwertige Zuwendungen und Werbegaben nicht entgegen der arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften gewährt werden dürfen, hätten Obergerichte verbreitet den Schluss gezogen, eine wettbewerbsrechtliche Spürbarkeit könne nicht mehr verneint werden. Dies ist aus Sicht der Berliner Richter jedoch „nicht überzeugend“.

Geringwertige Kleinigkeiten ohne Gefahrenpotenzial 

Der Bundesgerichtshof habe die fehlende Spürbarkeit nämlich auf die Wertung des Gesetzgebers zurückgeführt, dass die Abgabe geringwertiger Kleinigkeiten „kein Gefahrenpotenzial“ berge. Daran habe sich auch im Verlauf jahrelanger Rechtsanwendung nichts geändert. Beim Wettbewerb der Apotheken durch Abgabe geringwertiger Kleinigkeiten gehe es um das Einkommensinteresse der Apotheker. Allein die Apotheker trügen für diese die finanziellen Lasten – und wenn sie alle deratige Zugaben gewähren würden, würden sich die Wettbewerbsvorteile weitgehend neutralisieren, so das Gericht. Damit schütze ein gesetzliches Zugabe-Verbot ohne Einschränkungen „allein das Interesse der Apotheker in ihrer Gesamtheit an einem höheren Ertrag (gleichsam wie eine diesbezügliche Kartellabsprache), ohne dass dies nach den Schutzgütern […] heilmittelwerberechtlich oder arzneimittelpreisrechtlich notwendig wäre […]“.  

Spürbarkeit in jedem Einzelfall zu prüfen

Somit kommen die Richter zu dem Schluss, dass die Gerichte auch nach der Änderung des § 7 HWG in derartigen Fällen die lauterkeitsrechtliche Spürbarkeit einer Rechtsverletzung eigenständig und im Einzelfall zu prüfen haben. Dies gelte umso mehr, als die Norm weiterhin handelsübliche Nebenleistungen – etwa die Erstattung von Fahrtkosten – und die Ausgabe von Apothekenzeitungen erlaube – und zwar ohne Einschränkungen. „Daraus folgende Anlockwirkungen der Verbraucher und der finanzielle Aufwand des einzelnen Apothekers können deutlich höher sein als bei der Vergabe geringwertiger Kleinigkeiten“, so das Kammergericht.

Schließlich gehen die Richter auch noch auf die Frage ein, ob die Spürbarkeitsgrenze auch im Berufs- und Verwaltungsrecht gilt. Davon gingen die Verwaltungsgerichte früher nämlich nicht aus – was zu widersprüchlichen Entscheidungen der unterschiedlichen Gerichtszweige führte. Die Berliner Richter meinen allerdings, die Frage könne „hier dahingestellt bleiben“. In berufsrechtlichen  und verwaltungsrechtlichen Verfahren bestehe nach wie vor die Möglichkeit, „bei geringwertigen Zuwendunqen  entgegen arzneimittelpreisrechtlichen Vorschriften – je nach den Umständen des Einzelfalles –  das Eingriffsermessen entsprechend den verfassungsmäßigen Vorgaben der Verhältnismäßigkeit einzuschränken“.   

Nun ist klar: Der Bundesgerichtshof ist wieder gefragt. Im Ofenkrusti-Fall hat die beklagte Apothekerin Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. Und im Berliner Fall hat die Wettbewerbszentrale angekündigt, in die nächste Instanz zu ziehen.

Urteil des Kammergerichts Berlin vom 13. März 2018, Az.: 5 U 97/15



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