Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

08.04.2018, 08:00 Uhr

Die Gesundheitspolitik setzt auf ARMIN. Das ist eine Chance! Müsste man da nicht mal bei Ärzten und Patienten dafür werben? (Foto: Andi Dalferth)

Die Gesundheitspolitik setzt auf ARMIN. Das ist eine Chance! Müsste man da nicht mal bei Ärzten und Patienten dafür werben? (Foto: Andi Dalferth)


Bei Rezepturen legen die Apotheken drauf: Kündigt endlich die Hilfstaxe mit ihren Uralt-Preisen, meint Jörn Graue! Nachgewiesen: Apotheker verbessern die Sicherheit der Arzneitherapie! Hat das Zeug zu mehr: ARMIN! Vorsicht: Portalpraxen kratzen am Fremdbesitzverbot. Datenskandal nicht nur bei Facebook: Ein Apotheker kämpft für Datenschutz. Und bald stellt Friedemann dem Jens die Gretchenfrage. Und dann?

3. April 2018 

Na, mein liebes Tagebuch, das wird mehr als spannend, wenn die ABDA ihren Antrittsbesuch beim neuen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn macht. In der ersten Maihälfte, so war zu vernehmen, soll es soweit sein. Unser Präsident Friedemann Schmidt wird persönlich nach Berlin reisen. Und was wird er mit Spahn bereden? Och, da gäb’s so dies und das, man wolle die Themenpalette „möglichst breit“ halten, tönte es aus dem Apothekerhaus. Vermutlich ist die Gretchenfrage dabei, frei nach Goethe: „Nun sag, lieber Jens, wie hast Du’s mit dem Rx-Versandverbot? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“ Und Schmidt könnte nachlegen und Spahn fragen, was es für ihn bedeute, wenn im Koalitionsvertrag so unverbindlich schwammig steht, man wolle sich „für das Rx-Versandverbot einsetzen“. Und der liebe Jens wird nur nett lächeln. Ja, mein liebes Tagebuch, dann wäre da noch die Honorarfrage anzusprechen (wie sieht das Apothekerhonorar in Zukunft aus?), die Dienstleistungsfrage (gibt’s Honorare für Dienstleistungen), der Medikationsplan, das ARMIN-Projekt und so einiges mehr. Und dann sagt der liebe Jens zum lieben Friedemann: Dann zeig mir doch mal eure Vorschläge, wie ihr euch das Honorar in Zukunft vorstellt. Und dann greift der liebe Friedemann in seine Tasche und holt ein leeres Blatt Papier heraus… Und der liebe Jens lacht: Ihr Apothekers habt wieder wie immer zu viele Bälle in der Luft, aber keine konkreten Vorschläge. Macht erst mal eure Hausaufgaben und kommt in drei Jahren wieder. Und tschüss! 


Der Markt der Trinknahrung ist umkämpft, heiß umkämpft. So heiß, dass die DAK ihre Versicherten sogar aus der Apotheke weglotsen möchte hin zu neuen Vertragspartnern, die’s wohl billiger machen. Und was haben die Versicherten davon? Tja, mein liebes Tagebuch, eigentlich nichts anderes als sie in ihrer Apotheke um die Ecke auch bekommen – allenfalls eine 24-Stunden-Beratung. Ist ja auch ungeheuer wichtig für einen Versicherten, wenn er sich früh morgens gegen 2 Uhr 48 dringend zu seiner Trinknahrung informieren möchte. Auf seine Bestellung, die „bundesweit und schnell“ geliefert wird, muss er allerdings warten. Immerhin, die Krankenkasse ist so gnädig und informiert ihre Versicherten, dass die Nahrungen auch über die Apotheken bezogen werden können. Da ist der DAK wohl eingefallen, dass es einen Arzneiversorgungsvertrag zwischen dem Ersatzkassen-Spitzenverband (vdek) und dem Deutschen Apothekerverband gibt. Im Internet-Hilfsmittellotsen der DAK werden die Apotheken allerdings nicht angezeigt, wenn man nach Lieferanten für Trinknahrung sucht. Mein liebes Tagebuch, bleibt zu hoffen, dass die Versicherten das DAK-Schreiben ignorieren und ihre Trinknahrung dort beziehen, wo sie sie sofort, mit fachkundiger Beratung und durch qualifiziertes Personal erhalten: in der Apotheke. 

4. April 2018

Endlich packt mal einer dieses heiße Eisen an: Dr. Jörn Graue, Chef des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ) und des Hamburger Apothekervereins, fordert, die Hilfstaxe zu kündigen. Das ist die Taxe, in der die Einkaufspreise für Inhaltsstoffe und Primärverpackungen klassischer Rezepturen vereinbart sind. Diese Preise sind uralt, haben nichts mit den tatsächlichen Einkaufspreisen von heute zu tun, sie wurden vor vielen Jahren vereinbart und seitdem nie mehr angepasst. Ein Skandal! Die Apotheke legt also seit Jahren bei der Abrechnung der Rezepturen und Verpackungen drauf. Würde die Apotheke mit den tatsächlichen Einkaufspreisen für Inhaltsstoffe und Verpackungen rechnen, ergäben sich meist deutlich höhere Preise für Rezepturen. Anlass für Graues Forderung ist der Streit um die Abrechnungsregeln für Zytostatikazubereitungen, der nach dem Schiedsspruch vom Januar im Raum steht. Mein liebes Tagebuch, das Rattenschärfste beim Thema Hilfstaxe: Laut Graue hat die Mitgliederversammlung des Deutschen Apothekerverbands bereits 2012 die Kündigung der Hilfstaxe beschlossen – passiert ist bis heute allerdings nichts. Da kann man sich wirklich nur Graues Worten anschließen: „Es reicht!“ Genau, wenn nicht jetzt, wann dann? Worauf wartet die Apothekerverbandsriege eigentlich? Wovor hat sie Angst? Nach einer Kündigung fallen die Apotheken nichts ins Bodenlose, denn die Arzneimittelpreisverordnung sieht dann Rezepturaufschläge auf tatsächliche Einkaufspreise vor. Es kann doch nicht sein, dass die Apotheken weiterhin draufzahlen. Auch der Chef des Hessischen Apothekerverbands, Holger Seyfarth, hat sich nun gemeldet und will den Deutschen Apothekerverband auffordern, alle Anlagen der Hilfstaxe (außer Anlage 3, Zytozubereitungen) zu kündigen. Recht so. Ostern ist vorbei, die Hasenfüße sollen zu Hause bleiben, jetzt wird endlich gehandelt. 


ARMIN hat wirklich das Zeug, zu zeigen, wo die zukünftige Richtung der apothekerlichen Arbeit liegen könnte. Mein liebes Tagebuch, das Arzneimittelprojekt in Sachsen und Thüringen verbessert die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheke und letztlich die Versorgung der Versicherten. ARMIN hat leider nur eine Schwachstelle: Es machen zu wenige Ärzte mit, es haben sich zu wenige Patienten eingeschrieben. Das sieht auch der Gesundheitspolitiker der CDU, Michael Hennrich. Eigentlich ist ARMIN genau das, sagt er im DAZ.online-Gespräch, wie man sich als Gesundheitspolitiker die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker vorstellt, den Einsatz des elektronischen Medikationsplans und der elektronischen Patientenakte. Mein liebes Tagebuch, auch wir Apotheker könnten uns die Zusammenarbeit zwischen beiden Heilberufen vorstellen, wie sie in ARMIN angedacht ist. Leider hapert es bisweilen noch mit der Technik, die älteren Ärzte mauern, es knirscht bei den Abläufen. Dennoch, Hennrich macht Mut: „Evaluiert das Projekt und zeigt uns, dass es versorgungsrelevant ist.“ Also, da bleibt doch nur die Hoffnung, dass das die ABDA hört. Da liegen wirklich große Chancen, für die man mehr Einsatz zeigen müsste. ABDA, nehmt Geld in die Hand und rührt die Werbetrommel für ARMIN! Und vielleicht könnten sich auch  die Chefs von Ärzte- und  Apothekerkammern, von Kassenärztlichen Vereinigungen und Apothekerverbänden einen Ruck geben und ein Quäntchen mehr Einsatz für ARMIN an den Tag legen! 

5. April 2018

Das dauert, das zieht sich. Digitale Lösungen im Gesundheitswesen sind wahrlich nicht die Stärken Deutschlands. Auch dem neuen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geht das alles viel zu langsam. Damit die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorankommt, will er nun eine Verordnung aufheben, in der die Anforderungen an Erprobungen digitaler Prozesse definiert werden. Die Testphasen sollen flexibilisiert werden. Also, genug der Vorgaben, genug der Vortests. Nun testet endlich. Das soll auch für den elektronischen Medikationsplan gelten. Schön gesagt, mein liebes Tagebuch, und prinzipiell richtig. Dumm nur, dass es in Deutschland an einer geeigneten Telematikinfrastruktur mangelt, über die Ärzte und Apotheker und andere Akteure im Gesundheitswesen sicher miteinander kommunizieren können. Unglaublich, was da verschlafen wurde! Spahn will’s nun schneller: Schon ab dem 1. Januar 2019 sollen alle Vertragsärzte und auch die Apotheken in der Lage sein, elektronische Medikationspläne über die elektronische Gesundheitskarte ihrer Patienten anzusehen und zu aktualisieren. Mein liebes Tagebuch, wir kreuzen uns den 1. 1. 2019 rot im Kalender an! 


Schleswig-Holstein möchte, dass Anlaufpraxen („Portalpraxen“) in Kliniken auch während der regulären Praxisöffnungszeiten arbeiten dürfen, um dadurch die Notaufnahmen ganztägig entlasten zu können. Das mag erstmal vernünftig erscheinen, allerdings sieht ein entsprechender Antrag vor, dass die Krankenhausapotheke den Patienten auch Arzneimittel zur Erstversorgung mitgeben darf, wenn ein Wochenende oder ein Feiertag bevorsteht. Die ABDA hat aufgepasst und sieht darin eine Gefahr für das Fremdbesitzverbot. Denn: Hier werde die Abgabe von Arzneimitteln durch die Krankenhausapotheke außerhalb der Krankenhausbehandlung erlaubt. Die ABDA gibt zu bedenken, dass Träger der Portalpraxen nicht der Krankenhausträger, sondern Gesellschaften bürgerlichen Rechts unter der gemeinsamen Trägerschaft der Kassenärztlichen Vereinigung und des Krankenhausträgers seien. Durch eine solche Gesetzesänderung würden Elemente des Fremdbesitzes im ambulanten Bereich verankert – das könnte das apothekenrechtliche Fremdbesitzverbot in Gänze in Frage stellen. Recht so! Es gibt den flächendeckenden Notdienst der Apotheken. Mein liebes Tagebuch, der steht auch für Patienten aus Portalpraxen gerne zur Verfügung. 

6. April 2018 

Solche Meldungen gehören an die große Glocke, ja, an die ganz große Glocke: Wenn Apotheker regelmäßig die Medikation von Heimbewohnern überprüfen, erhöht das die Sicherheit der Arzneimitteltherapie. Das ist das Ergebnis der Auswertung einer Studie zur geriatrischen Medikationsanalyse. Durchgeführt haben die Studie die AOK Rheinland/Hamburg und der Apothekerverband Nordrhein in Kooperation mit der Uni Bonn, Professor Jaehde. Die Heimbewohner nahmen durchschnittlich 13 Wirkstoffe pro Tag! Kein Wunder, wenn es da zu arzneimittelbezogenen Problemen wie beispielsweise Wechselwirkungen kommt. Die Apotheken entdeckten zudem ungeeignete Dosierungen, nicht altersgerechte Medikation, ungeeignete Arzneiformen und viele andere Probleme. Etwa jedes dritte Problem konnten die Apotheker lösen. Mein liebes Tagebuch, diese Dokumentation hat gezeigt, dass Apotheker eine Verbesserung der Arzneitherapie erzielen können, wenn man sie denn lässt. Hoffentlich verpuffen solche Meldungen nicht, sondern finden den Weg zu den Gesundheitspolitikern! 


Der Facebook-Datenskandal gibt eine kleine Vorstellung von dem, wie mit Daten umgegangen wird, wenn man nicht genau hinschaut. Das sollte auch für Apothekerkammern, für die ABDA Anlass sein, sich über den Umgang mit Gesundheitsdaten Gedanken zu machen und auf Missstände hinzuweisen, Beispiel Amazon und der Arzneimittelvertrieb über diese Versandplattform. Gäbe es nicht den Münchner Apotheker Hermann Vogel aus Bayern, der mit großem persönlichen Engagement rechtlich gegen schwarze Apothekenschafe vorgeht, die über Amazon Arzneimittel verkaufen, wäre nicht publik geworden, wie hier mit Gesundheitsdaten umgegangen wird: Kunden, die bei Amazon apothekenpflichtige Arzneimittel bestellen, werden nicht vorher gefragt, ob ihre persönlichen Daten gespeichert und verwendet werden dürfen. Amazon müsste vorher eine schriftliche Zustimmung der Kunden einholen, urteilte ein Gericht. Davon ist man bei Amazon allerdings weit entfernt. Daher darf der verurteilte Apotheker aus Sachsen nun keine apothekenpflichtigen Medikamente mehr über die Internethandelsplattform Amazon vertreiben. Solche Urteile könnten Steilvorlagen für unsere Berufsvertretung sein, z. B. für Fragen an ausländische Versandapotheken, wie dort mit Kundendaten umgegangen wird. Wie sicher sind die Gesundheitsdaten in diesen Kapitalgesellschaften? 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Spahn

von Conny am 08.04.2018 um 14:57 Uhr

Spahn dessen Kumpel Max Müller von Doc Morris ist ,sorgt sich um Recht und Ordnung in Deutschland. Finde den Fehler !

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Der liebe Jens

von Dr Schweikert-Wehner am 08.04.2018 um 12:39 Uhr

wird nur nett lächeln und an seinen Freund Max Müller denken. Die Reisekosten nach Berlin kann sich der liebe Präsident gleich sparen.

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Digitalisierung oder wir wollen auch mitspielen

von Bernd Jas am 08.04.2018 um 10:49 Uhr

Einen schönen guten Morgen Herr Ditzel,

das ist ja wiedermal ein sehr anditzelnedes Tagebuch.

Der Fortschritt der Digitalisierung schießt exponentiell an jedem "Ich glaube wir sollten da Mitziehen-Politiker" vorbei (siehe Elektromobilität), so dass der jenige nur noch seine Kinnlade vor sich aufschlagen hört, während Google und Konsorten während das Aufklappens mal eben ein paar smarte Implantate gesetzt haben.
Ahhh,.. aber gegen das Ausspionieren gibt es ja bald die neue DSG-VO, da haben wir ja dann DEN Datenschutz der alle Daten schützt. Nur wer schützt uns vor dem Datenschutz?....Wir sind mal wieder die letzten in der Pullerwanne.

Und mal in Echt liebe Politiker; um auf Herrn Ditzels Gretchenfrage zurück zu kommen, wie haltet Ihr es mit den Naturgesetzen,...glaubt ihr wirklich Ihr könntet das Licht einholen?
Seit etwa ZWANZIG Jahren versucht Ihr uns eine „Kranken-Karte“ zu elektronisieren und steht Euch mit Euren Partnern selbst im Weg. Die Telekom hat Monopol auf (fast) alle verlegten Kanäle und bremst alle die an Ihr vorbeiziehen könnten schneller aus, als die BNA (Beschaffungsgesellschaft für Nutzlose Arbeitsbetätigung) registriert, dass der Fortschritt nun wiedermal nicht hier stattfindet.
Schnelles Netz für alle, in 100 Mbit/sek,...ha, ha, wenn überhaupt, dann aber bitte nur in eine Richtung.

Noch was zu „Wie sicher sind die Gesundheitsdaten in diesen Kapitalgesellschaften?“
Big-Data ist mittlerweile bei jedem in seinem (Apotheken-) Rechner oder „Smart“-Phone angelangt, da kitzelt die DSG-VO nur wie eine Fliege auf dem Dickhäuterrücken.
Während wir das schicke neue Kärtchen noch am Einlesen sind, wird in Silicon-Valley schon am Angebot für die neue Hüfte verhandelt. So schnell geht die Sicherung sicher, doch sicher die „Sicherheit“ nicht.

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Zu H.Ströh

von Dr.Diefenbach am 08.04.2018 um 9:39 Uhr

Stimmt !!

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Geduld bringt keine neue Hilfstaxe

von Ulrich Ströh am 08.04.2018 um 8:42 Uhr

Tagebuch-Zitat zur Hilfstaxe:

Worauf wartet die Apothekerverbandsriege eigentlich?
Wovor hat sie Angst?

Warum ist seit der Kündigung im Jahre 2012 nichts passiert?

Umsomehr ist zu würdigen,dass Kollege Dr. Graue mit einem eigenen Lebensalter von über 80 Jahren dieses wichtige Thema anstößt.


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