Überdosis 3-Bromopyruvat (3-BP)

Anklage gegen Heilpraktiker wegen Todesfällen

Karlsruhe - 13.04.2018, 11:00 Uhr

Die Staatsanwaltschaft klagt einen Heilpraktiker an, weil er mit einem unerprobten Mittel drei Menschen getöt haben soll. (Foto: Imago)

Die Staatsanwaltschaft klagt einen Heilpraktiker an, weil er mit einem unerprobten Mittel drei Menschen getöt haben soll. (Foto: Imago)


Gehirnzellen sterben ab

Nach ihren medizinischen Feststellungen durchbreche die Substanz bei Dosierungen über dem 4,5-fachen der therapeutischen möglicherweise wirksamen Menge die Blut-Hirn-Schranke und wirke unmittelbar im menschlichen Gehirn. 3-Bromopyruvat greife dabei den Zellstoffwechsel und die Zellatmung an, wodurch Gehirnzellen abstürben. „Diese Wirkungsmechanismen und die sich daraus ergebenden organischen Folgen sind auch rechtsmedizinisch nachweisbar todesursächlich bei den drei verstorbenen Patienten gewesen“, heißt es von Seiten der Anklage.

Obwohl R. die ungeeignete Waage seit April 2016 verwendet hatte, haben die Ermittlungen keine Hinweise auf vergleichbare Fälle bei anderen Patienten ergeben. Daher bestünde kein Anlass zur Annahme, dass weitere Patienten des Beschuldigten durch eine Überdosierung des Wirkstoffs 3-BP gesundheitlichen Schaden genommen haben könnten, erklärt die Staatsanwaltschaft. Der Abschluss der Ermittlungen schaffe daher nicht nur für die Angehörigen der verstorbenen Patienten Klarheit: Er beende auch die Verunsicherung, die sich aus den zu Beginn der Ermittlungen erhobenen Spekulationen für die zahlreichen anderen ehemaligen Patienten des Beschuldigten ergeben habe.

Ist 3-BP rezeptpflichtig?

Unklarheiten gab es zur Frage, inwiefern 3-BP rezeptpflichtig ist: Das BfArM hatte im Nachgang des Falls erklärt, dass es nach seiner Einschätzung Rezeptpflichtig ist. Die Staatsanwaltschaft verwies aber auf Einschätzungen von lokalen Gesundheitsbehörden, nach derer Ansicht der Heilpraktiker zum Zeitpunkt der Anwendung davon hätte ausgehen können, dass er das Mittel verabreichen darf – obwohl Heilpraktikern die Verordnung und Anwendung rezeptpflichtiger Substanzen verboten ist.

Trotz der schweren Vorwürfe durfte R. während der langen Ermittlungen weiterhin seinen Beruf ausüben. Manche Kreise hatten ihm dies zwar zunächst untersagt – doch solange seine Zulassung nicht widerrufen ist, dürfte ihm die Tätigkeit nicht verboten werden, urteilte das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Anders als bei Apothekern und Ärzten ist ein Ruhen der Zulassung von Heilpraktikern gesetzlich bislang nicht vorgesehen. Doch mit Anklageeröffnung ergibt sich für den zuständigen Kreis Krefeld nun die Möglichkeit, gegebenenfalls die Zulassung zurückzunehmen. Dies werde in den nächsten Tagen geprüft, erklärte die zuständige Beamtin DAZ.online.

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Patientenschützer und Gesundheitsexperten hatten angesichts des Falles Gesetzesänderungen gefordert. „Es kann nicht sein, dass ein Klempner oder eine Pommesbude stärker unter Aufsicht der Behörden steht, als ein medizinischer Dienstleister“, kritisierte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Der Deutsche Ärztetag hat vergangenes Jahr ein Verbot invasiver Tätigkeiten sowie der Krebsbehandlung gefordert, eine Gruppe von Experten sogar eine Abschaffung des Berufsstands als sinnvoll erachtet. Auch ein Antrag an die im Mai tagende Konferenz der Landesgesundheitsbehörden sieht eine „zwingende Reformbedürftigkeit“ des Heilpraktikerwesens.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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