„Datenklau“-Prozess

„Wenn sowas in der Zeitung landet, ist die Hölle los“

Berlin - 25.04.2018, 15:20 Uhr

Vor dem Landgericht Berlin findet das Strafverfahren gegen den früheren ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und einen ehemals im BMG tätigen Systemadministrator statt. (Foto: Külker)

Vor dem Landgericht Berlin findet das Strafverfahren gegen den früheren ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und einen ehemals im BMG tätigen Systemadministrator statt. (Foto: Külker)


Interne Willensbildung und Durchstechereien 

Und so konnte ein früher im BMG beschäftigter Ministerialdirektor als Zeuge zu zehn konkreten Dokumenten befragt werden. Der Jurist war zum Zeitpunkt der Ermittlungen im Jahr 2012 als Stabsleiter unter anderem verantwortlich für den Bereich Recht. In dieser Funktion wurde er schon damals zu Rate gezogen, um die Relevanz der bei Bellartz sichergestellten Dokumente zu beurteilen. Darum ging es auch jetzt wieder. Der Zeuge betonte, dass er die Dokumente inhaltlich nicht bewerten könne – in seiner Funktion habe er von „allem ein bisschen, aber von nichts so richtig Ahnung“ gehabt. Eine politische Einordnung sei ihm aber durchaus möglich. „Keins der Papiere war für die Öffentlichkeit bestimmt. Sie dienten der internen Willensbildung. Wenn es rausgeht, ist es blöd“, fasste der Zeuge seine Einschätzung zusammen. 

Im Einzelnen ging es etwa um eine Korrespondenz zwischen BMG und Bundesjustizministerium (BMJ) zum Thema Pick-up-Stellen. Diese sei zwar nicht als vertraulich oder geheim gekennzeichnet gewesen, aber ein solches internes Schreiben an ein Verfassungsressort wie das BMJ sei „schon brisant“, wenn man den Kontext kenne, erklärte der Zeuge. Es zeige die Meinungsbildung zwischen den Ressorts – und das Thema Pick-up und die Frage, wie weit der Versandhandel mit Arzneimitteln gehen kann, sei noch heute sehr umstritten. „Wenn sowas in der Zeitung landet, ist die Hölle los“, so der Zeuge. Ein solches Schreiben würde man selbst im Jahr 2012 nicht über die Pressestelle herausgeben. Wegner fragte nämlich immer wieder, wie relevant die Dokumente zum Zeitpunkt ihrer Sicherstellung im Herbst 2012 noch waren – natürlich waren sie das im Regelfall nicht mehr. Der Anwalt hakte zudem stets nach, wie groß der Adressatenkreis der Schreiben war. Schreiben wie das zur Einschätzung der Pick-up-Stellen blieben im kleinsten Kreis, stellte der Zeuge klar. Sie gingen auch nicht an Abgeordnete.

Weiterhin ging es um eine Beschlussvorlage für die Wirtschaftsministerkonferenz zum Thema IQWiG und Kosten-Nutzenbewertung, um Schreiben der AG Gesundheit der Union an das BMG, Formulierungshilfen für Gesetzentwürfe, Positionspapiere und eine interne Bewertung von Verbandsvorschlägen. Einige dieser Dokumente hatten sicherlich einen großen Adressatenkreis – etwa alle Abgeordneten einer Fraktion. Andere, darauf beharrte der Zeuge, waren jedoch nur für wenige bestimmt und sollten absolut intern bleiben. Anderenfalls lasse sich die Meinung von außen steuern, erklärte er. Wenn etwa ein Papier, in dem es um die Bewertung von Positionen des Verbands forschender Pharmaunternehmen geht, „in falsche Hände kommt, kann es sein, dass ein US-Handelsminister bei der Bundesgesundheitsministerin anruft“, erklärte der Beamte – offenbar hatte er eine solche Erfahrung unter der früheren Ministerin Ulla Schmidt bereits gemacht. Der Zeuge konnte letztlich nicht ausschließen, dass Dokumente, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, dennoch nach außen gelangen – wenn man wüsste wie und von wem, wäre das gut.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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