Deutsche Parkinson-Vereinigung warnt

„Apotheker nicht gegen eine bessere Versorgung der Parkinsonkranken in Stellung bringen“

Stuttgart - 17.05.2018, 09:00 Uhr

Die Deutsche Parkinson-Vereinigung will keine Gräben schaffen zwischen Apothekern und Ärzten – Leidtragende sei der Patient. (Foto: reativa Images / stock.adobe.com)

Die Deutsche Parkinson-Vereinigung will keine Gräben schaffen zwischen Apothekern und Ärzten – Leidtragende sei der Patient. (Foto: reativa Images / stock.adobe.com)


Apotheker wählten nicht Rabattarzneimittel entsprechend der gesetzlichen Vorgabe mit gleichem Wirkstoff und gleicher Darreichungsform – diesen Vorwurf äußerten verschiedene Verbände, darunter die Deutsche Parkinson-Vereinigung im Ärzteblatt. Nun warnt die Selbsthilfe-Vereinigung, künstlich Gräben zu erzeugen und Ärzte oder auch die Apothekerschaft gegen eine bessere Versorgung der Parkinsonkranken in Stellung zu bringen. Nach Auffassung der Deutschen Parkinson-Vereinigung (dPV) ist die Zeit reif dafür.

Mit einem Ende April im Ärzteblatt veröffentlichten Artikel machten sich verschiedene Parkinsonverbände, darunter auch der Selbsthilfeverband „Deutsche Parkinson-Vereinigung“ (dPV) keine Freunde in der Apothekerschaft. Es ging um Fehlmedikation bei Parkinsonpatienten, die durch einen rabattvertragsbedingten Austausch der verordneten Arzneimittel zustande kommt. Rabattarzneimittel finden die Verbände zum Beispiel bei Neueinstellungen aufgrund der erzielten Einsparungen gar nicht schlimm. Aber die Realität zeige, nicht immer werden Rabattarzneimittel entsprechend der gesetzlichen Vorgabe mit gleichem Wirkstoff und gleicher Darreichungsform gewählt, kritisierten die Verbände. So würden in den Apotheken nicht selten Decarboxylase-Hemmer getauscht, hieß es.

DAZ.online hat sich mit den Vorwürfen auseinander gesetzt. Mit dem Ergebnis, dass Apotheker vielleicht im Einzelfall aus Versehen, aber sicher nicht im großen Stil und mit Absicht den gesetzeswidrigen, weil nicht wirkstoffgleichen Austausch, der Decarboxylase-Hemmer Carbidopa und Benserazid vornehmen.

Keine Gräben zwischen Ärzten und Apothekern erzeugen

Nun scheint die Deutsche Parkinson-Vereinigung die Wogen glätten zu wollen. In einer Pressemitteilung warnt der Verband davor, künstlich Gräben zu erzeugen und Ärzte oder auch die Apothekerschaft gegen eine bessere Versorgung der Parkinsonkranken in Stellung zu bringen. Die dPV werde alles in ihrer Macht stehende tun, um solche Konflikte erst gar nicht aufkommen zu lassen, denn Leidtragende seien die Kranken. In den Augen der dPV sei die Zeit reif für eine bessere Versorgung der Menschen mit Parkinson mit medizinisch einwandfrei aufeinander abgestimmten Arzneimitteln, erklärt sie. So gebe es eine wachsende Zahl von Fachleuten, die die heutige medikamentöse Versorgung von Parkinsonkranken kritisch sähen. Die Vereinigung kämpfe seit Jahren dafür, dass diese schwerkranken Menschen nicht mehr dem durch den Gesetzgeber erzeugten Zwang unterlägen, Arzneimittel zu akzeptieren, die durch die Aut-idem-Regelung vorgegeben seien.

Fehlmedikation bei Parkinson kostet zig Millionen

Zudem führt die dPV eine vor kurzem durchgeführte Rechnung heran, wonach eine optimale Arzneimittel-Versorgung aller Parkinsonpatienten sogar Kosten sparen könne. Der Verband begründet dies auch: Wenn die Medikation, die bei Parkinson mit oft mehr als 15 aufeinander abzustimmenden Wirkstoffen komplex sein kann, medizinisch korrekt und ungestört erfolgen könnte, würden tausende teure Krankenhausaufenthalte entfallen.

In einer Mitteilung zum Welt-Parkinson-Tag am 11. April hieß es, die Organisation erfahre immer wieder aus dem Kreis ihrer Mitglieder und von Parkinson-Spezialisten von tragischen Fällen, in denen Patienten infolge eines medizinisch nicht gerechtfertigten Medikamentenaustauschs über Wochen medikamentös komplett neu eingestellt werden müssen – bei ihren niedergelassenen Ärzten oder im Krankenhaus. Die Kosten eines mindestens zweiwöchigen stationären Aufenthalts zur medikamentösen Neueinstellung ließen sich dabei mit rund 7000 Euro beziffern. Müsse beispielsweise nur jeder zwanzigste Patient zur Neueinstellung ins Krankenhaus, koste das die Beitragszahler bereits über 150 Millionen Euro.

Rabattverträge wiegen Kosten von Klinikaufenthalten nicht auf

Einsparungen durch Rabattverträge der Kassen könnten diese Verschwendung von Beiträgen jedenfalls kaum aufwiegen, erklärte der dPV-Geschäftsführer Merhoff damals. Er fordert daher die Bundesregierung und insbesondere den neuen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, sich der Sache anzunehmen.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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3 Kommentare

Rabattverträge für kritische Wirkstoffe verbieten

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 17.05.2018 um 9:52 Uhr

Der Vorwurf, dass Apotheker regelmäßig Wirkstoffe substituieren, ist für jeden Insider absurd. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Patienten einen durch Rabattverträge begründeten Austausch missverstehen. Das alles könnte man vermeiden, wenn man die vollkommen vermurkste Idee der Substitutionsverbote neu denkt. Bei kritischen Wirkstoffen sollte nicht der Austausch der Arzneimittel, sondern das Abschließen von Rabattverträgen verboten werden. Unter Minister Gröhe hat diese Logik bei den Grippeimpfstoffen gegriffen, aber unter seinen Amtsvorgängern ist die Liste der Substitutionsverbote leider komplett in die falsche Richtung losgegangen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Rabattverträge für kritische

von Joachim Löw am 17.05.2018 um 12:04 Uhr

Parkinson-Patienten und ihre Verbände verstehen den durch die Aut-idem-Regelung gesetzlich vorgeschriebenen Austausch von einigen ihrer bis zu 15 Präparate in der Apotheke nicht etwa miss - sie leiden jedoch darunter. Der Vorwurf richtet sich dabei keineswegs an die Apotheker, die durch die Vorgaben und den Retax-Druck der Kassen nachvollziehbar nur das Rabattarzneimittel abgeben (können), obwohl medizinische Bedenken dagegen sprechen und die medikamentöse Einstellung der Patienten gefährdet. Vielmehr ist die Politik gefragt, die Versorgung an dieser Stelle zu verbessern. Sie tut sich verständlicher Weise schwer damit, weil ein etwaiges Verbot aller Rabattverträge in dieser prekären Indikation (wie von dem Vorredner hier vorgeschlagen) Einsparungen der Kassen in Millionenhöhe gefährdet. Bei allem Verständnis für die Bedeutung von Rabattverträgen für das System dürfen sich die politischen Entscheider jedoch nicht wegducken, wenn prinzipiell sinnvolle Regelungen zu Verwerfungen in der Versorgung bestimmter Patientengruppen führen. Sie sind bei allen Schwierigkeiten in der Pflicht, eine Lösung im Sinne jener Patienten zu finden, die aus medizinischen Gründen nicht für die Aut-idem-Regelung geeignet sind, wenn die Ankündigung von mehr Patientenorientierung im Koalitionsvertrag nicht nur eine wohlklingende Floskel in der Präambel sein soll.

AW: Rabattverträge für kritische

von Karl Friedrich Müller am 17.05.2018 um 12:16 Uhr

Das Problem sind die Krankenkassen. Inzwischen werden die Ärzte, auch Neurologen, massiv gegängelt, keine aut idem Kreuze zu setzen. Billig zu verordnen, Importe. So dass sich auch Fachärzte nicht an pharmazeutische Bedenken halten, selbst austauschen, also anderes verordnen als bisher. Aus Angst oder Frust.
Nach den Subsititutionsregeln haben wir dann keine Möglichkeiten mehr, pharmazeutische Bedenken anzuwenden
Die Kassen haben zu viel Macht und nützen das gnadenlos aus bis zur Nötigung und Vertragsbruch.
Das darf eigentlich nicht sein und gehört unterbunden.

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