Niedersächsisches Krankenhausgesetz

Stationsapotheker sollen zum Krankenhauspersonal gehören

Berlin - 12.06.2018, 07:00 Uhr

In Niedersachsen sollen Stationsapotheker Pflicht werden. Sie sollen allerdings Klinikpersonal sein – und nicht zur versorgenden Apotheke gehören. (Foto: WavebreakMediaMicro / stock.adobe.com)

In Niedersachsen sollen Stationsapotheker Pflicht werden. Sie sollen allerdings Klinikpersonal sein – und nicht zur versorgenden Apotheke gehören. (Foto: WavebreakMediaMicro / stock.adobe.com)


Die rot-schwarze Landesregierung in Niedersachsen verfolgt die von der grün-roten Vorgängerregierung angestoßene Novelle des Krankenhausgesetzes und damit die Einführung von Stationsapothekern weiter. Allerdings hat sie den ursprünglichen Gesetzentwurf  überarbeitet – auch die besagte Regelung zu den Stationsapothekern. Die klinikversorgenden Apotheken sind durch diese Änderung alarmiert und fürchten das Ende der Versorgung „aus einer Hand“.

Zur Aufarbeitung der Krankenhausmorde in Delmenhorst und Oldenburg, die der ehemalige Krankenpfleger Niels H. Anfang der 2000er Jahre begangen hat, hatte der niedersächsische Landtag 2015 einen „Sonderausschuss zur Stärkung der Patientensicherheit und des Patientenschutzes“ eingesetzt. Seine Aufgabe war es unter anderem, vorhandene Kontrollmechanismen im Gesundheitswesen kritisch zu hinterfragen und aufzuzeigen, ob und wo es gegebenenfalls gesetzgeberischen Änderungsbedarf zur Erhöhung der Patientensicherheit gibt. Diesen Bedarf stellte der Ausschuss auch im Niedersächsischen Krankenhausgesetz (NKHG) fest.

Bereits die rot-grüne Landesregierung griff die Ergebnisse des Ausschusses auf und legte unter anderem einen Gesetzentwurf für eine Änderung des Krankenhausgesetzes vor.  Eine der vorgesehenen Maßnahmen: In allen niedersächsischen Krankenhäusern sollen verpflichtend Stationsapotheker etabliert werden, um zur Arzneimitteleinnahme zu beraten. Da im vergangenen Jahr jedoch Neuwahlen in Niedersachsen nötig wurden, konnte das Vorhaben nicht zum Abschluss gebracht werden. Die neue rot-schwarze Regierung mit der neuen SPD-Gesundheitsministerin Carola Reimann griff das Projekt zur Stärkung der Patientensicherheit aber wieder auf.

Landeskabinett beschließt Gesetzentwurf

Mitte Mai hat das Landeskabinett nun seinen überarbeiteten Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser sieht weiterhin vor, dass in Zukunft an allen Kliniken anonyme Meldesysteme eingerichtet, Todesfälle gründlicher untersucht und die Arzneimittelgaben besser kontrolliert werden. Auch am Stationsapotheker hält die neue Regierung fest. Doch die konkrete Regelung im neuen § 19 NKHG sieht im neuen Entwurf anders aus – überwiegend wurde sie präzisiert. Unter anderem sind die Aufgaben (§ 19 Abs. 2) jetzt detaillierter geregelt. So umfasst die Tätigkeit des Stationsapothekers nunmehr „insbesondere das Medikationsmanagement und die Medikationsanalyse“.

Eine weitere Neuerung: Im ersten Entwurf war vorgesehen, dass der Stationsapotheker zum Personal der Krankenhausapotheke beziehungsweise der krankenhausversorgenden Apotheke gehört – so stand es auch ausdrücklich in der Begründung des rot-grünen Regierungsentwurfs. Doch nach dem neuen Entwurf soll es nun Sache des Krankenhauses sein, einen Stationsapotheker einzusetzen.

Im Regierungsentwurf vom 31. März 2017 hieß es in § 19 Absatz 1 NKHG:

„In jedem Krankenhaus ist ab [einsetzen: Datum drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes] sicherzustellen, dass die Krankenhausapotheke oder die krankenhausversorgende öffentliche Apotheke in hinreichendem Verhältnis zur Anzahl der Betten Stationsapothekerinnen oder Stationsapotheker als präsente Beratungspersonen auf den Stationen und in den Funktionsbereichen einsetzt.“

Im Regierungsentwurf vom 16. Mai 2018 steht nun in § 19 Abs. 1 NKHG:

„In jedem zugelassenen Krankenhaus ist ab [einsetzen: Datum drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes] sicherzustellen, dass in ausreichender Zahl Apothekerinnen oder Apotheker als Beratungspersonen für die Stationen eingesetzt werden. Die in Satz 1 genannten Apothekerinnen oder Apotheker werden als Stationsapothekerinnen oder Stationsapotheker bezeichnet. Die erforderliche Beratungsintensität ist vom Krankenhaus festzulegen in Abhängigkeit von den vorhandenen Fachrichtungen, insbesondere in den Fachrichtungen, in denen mehrfach Therapieanpassungen, multiple Infusionstherapien, Polymedikation oder der Einsatz von neuartigen Therapien stattfinden.“

Klinikversorgende Apotheker sehen Konfliktpotenzial

Dr. Klaus Peterseim, Vorsitzender des Bundesverbands der klinik- und heimversorgenden Apotheker (BVKA – künftig Bundesverband der Versorgungsapotheker) findet es zwar gut, dass mit dem Stationsapotheker nun mehr pharmazeutische Kompetenz in die Kliniken einziehen soll. Doch für die Regelung im neuen Entwurf fehlt ihm jedes Verständnis. „Wir brauchen keine Stationsapotheker, die der Krankenhausverwaltung unterstellt sind“, sagte er bei der BVKA-Jahrestagung vergangene Woche in Mainz. Er fürchtet vielmehr, dass die Trennung von pharmazeutischer Betreuung (über das Krankenhaus) und Arzneimittelbelieferung (durch die Krankenhausapotheke oder die krankenhausversorgende Apotheke) die Versorgung aus einer Hand beenden könnte – und um die hatte der BVKA jahrelang gekämpft.

Kröte, die man schlucken muss?

Das NKHG war zudem am zweiten Tag der BVKA-Jahrestagung Thema im Symposium zur Klinikversorgung. Dr. Frank Dombeck, Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Niedersachsen, hatte über den neuen Gesetzentwurf berichtet. Teilnehmer zufolge erklärte er, die Änderung im Hinblick auf die Zuordnung der Stationsapotheker zum Krankenhaus, sei eine Kröte, die man habe schlucken müssen. Es soll verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der vorher geplanten Regelung gegeben haben.

Im Plenum des Symposiums sorgte dies für Unverständnis. Die betroffenen krankenhausversorgenden Apotheken sehen in der neu gefassten Bestimmung vielmehr ein extrem hohes Konfliktpotenzial. Nicht zuletzt, weil Niedersachsen beim Stationsapotheker Vorreiterfunktion einnimmt und andere Länder möglicherweise nachziehen, wünschen sie sich eine Regelung, bei der es bei der Versorgung aus einer Hand bleibt, der beratende Apotheker also aus der Apotheke kommt, die auch für Arzneimittelversorgung zuständig ist. 

Kammer Niedersachsen arbeitet an Stellungnahme

Zum Gesetzentwurf können die betroffenen Verbände – darunter die Landesapothekerkammer Niedersachsen – nun bis Ende Juli Stellung nehmen. Kammerpräsidentin Magdalene Linz sagte gegenüber DAZ.online, dass in der Stellungnahme auch der jetzt vom BVKA beklagte Punkt angesprochen werde. Sie sei ebenfalls „nicht glücklich“ mit dieser Änderung. Wenn sich die angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken aber nicht ausräumen ließen, müsse man entscheiden, ob man lieber ganz auf die gesetzliche Verankerung des Stationsapothekers verzichte oder sie in dieser Form akzeptiere.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Apothekerlicher Kampf für gesetzliche Vorschriften zur Regelung der Berichtswege im Krankenhaus?

von Wolfgang Müller am 12.06.2018 um 19:04 Uhr

Hier geht es also nun tatsächlich um die Frage der hierarchischen Unterstellung der vielen vielen zukünftigen Stationsapotheker. Und ganz sicher vor Allem auch um entsprechende Statusfragen, was deren zukünftige apothekerliche oder ärztliche Chefs betrifft.

Und ob "Die Pharmazie" hier zumindest an manchen Krankenhäusern "Das Medikationsmanagement" nicht 100 Prozent in den eigenen Sack bekommen könnte.

Eine eher spezielle Rolle nehmen hier wohl die externen Krankenhausversorger ein, die bisher sogar anscheinend auch in Erwägung gezogen hatten, die Stationsapotheker zu stellen.

Vielleicht geht es auch um: „Die Apotheker sollen doch die Ärzte kontrollieren, da können sie doch nicht Ärzten unterstellt sein!“ Dann müssten sie allerdings gleich dem Controlling unterstellt werden, also „der Verwaltung“, um gleich auch den (Therapie-?)strategischen Arzneimitteleinkauf des Apothekenleiters und dessen AMTS-Organisation zu überwachen.

Wer also entscheidet in Zukunft, wo die künftigen Stationsapotheker organisatorisch angebunden sind?

Zumindest aus den berichteten und zitierten gesetzlichen Regelungen scheint hervorzugehen, dass das jeweilige Krankenhaus das sinnvollerweise selbst entscheiden darf. Ist der Apothekenleiter gleichzeitig ein führungsstarker Professor für Krankenhaus-Pharmazie mit hervorragendem Standing bei den Ärzten, sieht das sicher anders aus, als wenn z. B. die Innere Abteilung von einem bestens beleumundeten Klinischen Pharmakologen geleitet wird, die Apotheke aber von einem begnadeten Kaufmann und Logistiker. Der aber eher normale bis unterdurchschnittliche pharmakologische Ambitionen zeigt.

Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass zumindest den Besten der Besten von uns eine Unterstellung unter Chef- oder leitende Oberärzte "auf Augenhöhe mit den anderen (Fach-)Ärzten" sehr attraktiv vorkommen kann. Unabhängig vom Arzneimitteleinkauf, DIREKT an der Therapie-Entscheidung, was ja schon rein Salerno-logisch auch was für sich hat.

Ich bin gespannt, wie Krankenhausapotheken-Leiter und Kammer-Vorsitzende in den nächsten Wochen begründen werden, dass den einerseits zur Einstellung von Stationsapothekern verpflichteten Krankenhäusern andererseits die Entscheidung zur hierarchischen Anbindung der Stationsapotheker durch vorbeugende Gesetzgebung unbedingt genommen werden muss!

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Stationsapotheker

von Martin Hofmann am 12.06.2018 um 11:29 Uhr

Als Krankenhausversorger haben wir schon immer Beratungen auch vor Ort im Krankenhaus geleistet, auch auf Visite.
Wenn Apotheker dafür vom Krankenhaus angestellt sein müssen, wird damit nur eine zusätzliche Schnittstelle geschaffen.
Die Versorgung wird zur reinen Belieferung degradiert.
Wahrscheinlich dürfen wir die Kollegen aber erst einmal in Klinischer Pharmazie ausbilden.
Wie immer Aktionismus in Reinkultur.

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