Kammerversammlung Brandenburg

Dobbert: „Die ABDA ist gemeinschaftlich abgetaucht“

Potsdam - 13.06.2018, 17:15 Uhr

Brandenburgs Kammerpräsident Jens Dobbert will die ABDA wachrütteln. (Foto: Schelbert)

Brandenburgs Kammerpräsident Jens Dobbert will die ABDA wachrütteln. (Foto: Schelbert)


Jens Dobbert, Präsident der Landesapothekerkammer Brandenburg, erwartet von der ABDA mehr Engagement. Seitdem sich die ABDA-Führung mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) getroffen habe, scheine sie nicht mehr zu existieren, sagte er bei der Kammerversammlung am heutigen Mittwoch. Auch beim Thema Digitalisierung hat Dobbert den Eindruck, die ABDA verschlafe die Zeit. Dabei zeigte ein Gastvortrag von ABDA-Digital-Experte Peter Froese, dass es gerade in Sachen Telematik notwendig ist, aufs Gaspedal zu treten.

Jens Dobbert, Präsident der Landesapothekerkammer Brandenburg, lässt sich seine Zuversicht nicht so schnell nehmen: „Wir befinden uns in einer für die Apothekerschaft ungewissen Zeit, die wir aber entscheidend beeinflussen können – wenn wir jetzt handeln“, startete er am heutigen Mittwoch seinen Bericht vor der Kammerversammlung. Er ging zunächst auf die Arbeit der Kammer auf Landesebene ein, bei der einmal mehr die Fachkräftesicherung ganz oben auf der Agenda stand. Nach vielen Gesprächen ist Dobbert überzeugt, dass das Land Brandenburg und die Ministerien verstanden haben, dass man bald große Probleme in der flächendeckenden Arzneimittelversorgung haben werde, wenn man jetzt nicht gegensteuere.

Am Bahnhof aufs Schiff warten

Weniger zufrieden ist Dobbert mit der Arbeit der apothekerlichen Standesorganisation auf Bundesebene. Er habe lange nach einem Bild für die Situation gesucht – und sie letztlich in folgendem Satz gefunden: „Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten“. An eben diesem Bahnhof sieht Dobbert die ABDA stehen. Er räumte ein: „Die gewählten Kollegen haben es auch nicht einfach“ – lange sei nach der Bundestagswahl nicht klar gewesen, wer die Ansprechpartner sind. Dann kam mit Jens Spahn ein alter Bekannter ins Bundesgesundheitsministerium. Doch welches Ergebnis das Treffen der ABDA-Führung mit dem Minister brachte und was genau Spahn will, wisse man bis heute nicht. Vielmehr habe er den Eindruck, die ABDA-Führung sei seit diesem Termin „gemeinschaftlich abgetaucht“. Dobbert: „Man könnte glauben sie existiert nicht mehr“.

Unterstützung für Rx-Versandverbots-Petition

Mehr Bewegung kann Dobbert dagegen an der Basis ausmachen: Ausdrücklich unterstützt die Kammer Brandenburg die Petition des Apothekers Christian Redmann für ein Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel. Der Präsident forderte alle Delegierten und Gäste der Kammerversammlung auf, die Petition gleich vor Ort mitzuzeichnen und auch alle Mitarbeiter, Familie und Freunde dazu zu motivieren. Völlig unverständig zeigte sich Dobbert, dass ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zu diesem Thema lediglich über einen Sprecher verlauten ließ, Petitionen seien „nicht das Mittel der politischen Arbeit eines Verbandes“. Er frage sich, welche Mittel der Präsident denn derzeit wähle? Das bloße Repräsentieren im politischen Berlin reicht aus Sicht Dobberts jedenfalls nicht mehr aus.

Warum keine Apotheker-Ideen zur Umstrukturierung der Kassen?

Auch die Reaktion des Vorsitzenden des Deutschen Apothekerverbands, Fritz Becker, auf die jüngsten Ideen des GKV-Spitzenverbands zum Apothekenmarkt, ist Dobbert nicht genug. Vielleicht sollte man selbst eine Arbeitsgruppe bilden, die sich überlegt, wie die Strukturen der 109 gesetzlichen Krankenkassen verändert werden könnten, meint der Apotheker aus dem brandenburgischen Forst. Mehr Digitalisierung in der Krankenkassenverwaltung könne möglicherweise viel Geld sparen, das anderer Stelle sinnvoll investiert werden könnte.  

Auch beim Thema Digitalisierung und der Telematik verschläft die ABDA aus Dobberts Sicht die Entwicklungen. Er verwies darauf, dass die Ärzteschaft bis Ende dieses Jahres zu 90 Prozent an die Telematikinfrastruktur angeschlossen und mit Konnektoren, Heilberufsausweisen und SMC-B ausgestattet sein soll. Die Apotheker bräuchten dafür sicher noch ein bis anderthalb Jahre.

Doch was passiere, wenn die Ärzte im kommenden Jahr beginnen das E-Rezept einzusetzen? Wer versorge dann? Sollen die Rezepte dann etwa direkt an holländische Versandapotheken gehen? Dobbert erinnerte daran, dass bereits 2015 auf dem Deutschen Apothekertag der Aufbau eines sicheren Netzes für die Apotheken beschlossen worden sei – 2017 habe man dies nochmals bekräftigt. Doch ob wirklich jemand daran arbeite wisse er nicht. Die ABDA werde jedenfalls vergeblich auf ihrem Bahnhof auf ein Schiff warten – eher werde ein ICE mit der Aufschrift „Digitalisierung“ mit enormer Schnelligkeit vorbeifahren. „Und wenn das Lindencorso aufwacht, ist es womöglich zu spät“, so Dobbert.

Froese: Digitalisierung als Chance

Der Gastvortrag schloss sich thematisch fließend an Dobberts Bericht an. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein und Mitglied der ABDA-AG für Digitalisierung, ist derzeit in den Ländern unterwegs, um über Digitalisierung zu sprechen. Er stellte eine Reihe – nicht immer leicht verdauliche – Thesen zur Digitalisierung auf. Zum Beispiel: Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Apotheken werden da nicht ausgenommen, betonte Froese. Entrepreneure und Start-ups schauten sich jeden Bereich der Gesellschaft und unseres Handelns an und überlegten: Kann ich das nicht auch, vielleicht sogar besser? Heilberufliches Ethos sei dabei nicht die Triebkraft, sondern Investorenkapital und innovationsfreudige Menschen jeder Art. Weitere Thesen, die Apotheken akzeptieren müssen, sind: „Bequemlichkeit schlägt alles“ und „Digitalisierung geht nicht weg“. Dabei sollten sie sich gewahr sein: Der heutige Tag ist der Tag in unserem Leben mit dem geringsten Digitalisierungsstand – es geht also immer weiter voran.

Radikale Entbürokratisierung

Apotheker müssten sich auch damit abfinden, dass zahlreiche ihrer Arbeitsprozesse digitalisierbar sind. Übrig bleibe für sie die empathische Kommunikation, alles was direkt mit dem Menschen zu tun hat. Abwehren sollten sie die Digitalisierung nicht, sondern sie sogar forcieren – zumal, wenn sie schon bis Ende dieses Jahres in die Arztpraxen einziehen wird. Schließlich biete sie auch Chancen: Es könnte eine radikale Entbürokratisierung des Arzneimittelversorgungsprozesses stattfinden und damit Raum für die persönliche Kommunikation und die Stärkung des Heilberufs Apotheker geschaffen werden. Auch heilberufliche Netzwerke würden vorangetrieben.

Auch die Risiken verschwieg Froese nicht. Drohen könnte etwas eine komplette Disruption, sodass digitale Geschäftsmodelle die Herrschaft übernehmen. Man könnte digital überrollt werden und eigene Gestaltungsmöglichkeiten verlieren. Dennoch sei es jetzt richtig und wichtig auf die Telematik zu setzen. Das steht ganz deutlich auf Froeses To-Do-Liste. Zudem müsse das sichere Netz der Apotheker fertig gebaut und Visionen formuliert werden. Die Konnektoren müssten schnell in die Apotheken kommen, ebenso die Heilberufsausweise. Securpharm, das Fälschungsschutzsystem, das ab 9. Februar 2019 europaweit zum Einsatz kommen soll, könne als digitaler Start begriffen werden. In diesem Zusammenhang forderte Froese die Apotheker auf, ebenfalls nicht zögerlich zu sein, sondern bei der NGDA die N-Ident-Legitimation zu beantragen. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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