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21. Juni 2018
Mehr Arzneimitteltherapiesicherheit für mehr Patientensicherheit – dafür konnten sich die Gesundheitsminister der Bundesländer auf ihrer Konferenz in Düsseldorf sofort erwärmen. Um dieses Ziel zu erreichen, bittet die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) das Bundesgesundheitsministerium zu prüfen, ob die in Niedersachsen geplante Regelung, Stationsapotheker einzuführen, die ins Medikationsmanagement auf den Krankenhausstationen eingebunden sind, durch Regelungen auf Bundesebene unterstützt werden könnten. Mein liebes Tagebuch, wenn unser BGM es ernst meint mit der Patientensicherheit, dann kann es diese Bitte nicht abschlagen und letztlich auch nicht das Ansinnen, Stationsapotheker in ganz Deutschland einzuführen. Eingeknickt sind die Gesundheitsminister der Länder allerdings bei der Bitte einiger Länder, zu prüfen, ob die Abschaffung der Verpflichtung zur Mehrfach-Ausschreibung bei Rabattverträgen und von Exklusivverträgen die Liefersituation verbessern könnte. Vermutlich sind sie da den Interessen der Krankenkassen aufgesessen, die argumentierten, dass gerade Exklusivverträge dazu beitragen, einen Medikamentenwechsel zu vermeiden. Die GMK konnte sich dann nur dazu durchringen, die Bitte ans BMG zu richten, zu prüfen, „inwieweit eine Notwendigkeit gesetzlicher Änderungen oder anderer Maßnahmen besteht“. Mein liebes Tagebuch, wie das ausgeht, steht schon heute fest: Es wird wieder nichts passieren beim Thema Lieferengpass. Die Gesundheitsminister sind ja zudem der Überzeugung, dass bei der Vermeidung von Lieferengpässen schon „vielfältige Maßnahmen ergriffen“ worden seien – aber nichts greift wirklich, möchte man hier ergänzen. Hier zuckten dann wohl alle unsere Gesundheitsminister mit den Schultern: Ist halt so und wird in Zukunft so bleiben, wir müssen lernen mit Lieferengpässen zu leben. Mein liebes Tagebuch, ein Armutszeugnis für Deutschland und ein schwaches Bild, das die GMK hier abgegeben hat.
Beim wöchentlichen Facebook-Talk unseres Gesundheitsministers poppte dieses Mal u. a. die PTA-Ausbildung auf. Spahn deutete in seiner ihm eigenen Art an, dass er diese Ausbildung reformieren wolle – wie und was genau, das blieb er natürlich den Zuschauern schuldig. Aber es gehe ihm um eine grundsätzliche Reform, um die Ausbildungsdauer, um die Modernisierung der Ausbildung, um die Finanzierung und die Ausbildungsvergütung. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass es nicht nur beim Plaudern bleibt, sondern dieses Thema tatsächlich angegangen wird. Denn eine Reform dieses Berufsbildes, von der Ausbildung über die Tätigkeiten bis hin zur Vergütung ist mehr als überfällig. Bei der ABDA stand dieses Thema mit Sicherheit nicht an oberster Stelle der Agenda. Und jetzt kommt es mit Macht auf sie zu. Und, ABDA, schon Konzepte in der Schublade?
Mein liebes Tagebuch, ich dachte immer, die Berliner Kammer ist ein wenig offener und fortschrittlicher und nicht so verklemmt und introvertiert wie die Kollegen im Lindencorso. So kann man sich täuschen. Vielleicht färbt die Nähe auch ab. Worum geht’s? Auf der Kammerversammlung brachte die Delegierte Kerstin Kemritz (Liste „Allianz aller Apotheker“) einen Antrag ein, mal das Thema Telepharmazie zu behandeln: Es sollten die Chancen und Risiken telepharmazeutischer Anwendungen näher beleuchtet werden, also, einfach mal gucken, was ist das genau, können wir Apothekers da was machen und wenn ja was, gibt es vielleicht Synergieeffekte und überhaupt sollten wir doch darauf vorbereitet sein, wenn die Politik mit diesem Thema an uns herantritt – damit wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen, Apotheker würden sich gegen moderne Entwicklungen stemmen. Also, ein Super-Antrag, eine Super-Idee, sollte man meinen. Nicht so für die Berliner Apothekerkammer. Die Delegierten entschieden mehrheitlich, diesen Antrag nicht auf dem Deutschen Apothekertag zu stellen. Nach Ansicht des Kammerpräsidenten Belgardt sei der Apotag der falsche Rahmen. Mein liebes Tagebuch, das haut mich um. Ist das nicht unglaublich? Und der Berliner Verbandschef Bienfait warnt sogar davor „die Tür zu weit zu öffnen“. Sollen die Apothekers die Türen dicht lassen und den Fortschritt aussperren? Was ist denn das für eine Mentalität! Mittlerweile wundert es mich nicht mehr, welchen Ruf wir Apothekers in der Politik haben: Wir sind die Bewahrer, die Wagenburgbauer, die Hinterwäldler und die mit den alten Zöpfen. Belgardt schlug vor, das Thema direkt in die ABDA-Mitgliederversammlung einzubringen – also hinter die verschlossenen Türen, damit die ABDA weiter dazu schweigen kann. Schlimmer geht nimmer. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass eine andere Kammer den „Mut“ hat, einen solchen ähnlichen Antrag beim kommenden Apothekertag einzubringen.
Eine mutige Kammer könnte beispielsweise die Apothekerkammer Schleswig-Holstein mit ihrem Präsidenten Kai Christiansen sein. Diese Kammer wagte es sogar, eine Resolution gegen das Schweigen der ABDA zu verabschieden. Der Delegierte Ulrich Ströh begründete seinen Vorschlag für diese Resolution damit, dass Schweigen im Gesundheitswesen noch nie eine erfolgreiche Strategie gewesen sei. Wie recht er hat! Und so fordert die mehrheitlich angenommene Resolution „den geschäftsführenden Vorstand der ABDA auf, der Berufsöffentlichkeit bis zum 1. September 2018 zu erläutern, wie man den negativen Entwicklungen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene entgegentreten wird“. Genau darum geht es. Mein liebes Tagebuch, ein dickes Danke an den Norden! Man muss sich das mal vorstellen: Eine Kammer muss ihren Oberverband zur Kommunikation auffordern! Das ist wohl einmalig in der Verbändelandschaft, meines Wissens ist so etwas auch bei den Ärzten bisher nicht vorgekommen.
Eine tolle Studie, die man allen unkritischen Versandfreunden untern den Politikern nahelegen sollte: „Professor-Kaapke-Projekte“ durchleuchtete im Auftrag der Noweda den Markt der in- und ausländischen Arzneimittelversender. Getestet wurde beispielsweise, ob Hinweise auf Wechselwirkungen gegeben werden, wie schnell die Bestellung geliefert wird, ob Kühltemperaturen eingehalten werden, ob im Versand nicht erlaubte Arzneimittel verschickt werden und viele weitere Kriterien. Kaapkes Fazit: Die Versender erfüllen die hohen gesetzlichen Auflagen nur bedingt. Macht die Politik nichts dagegen, dann werden nichthinnehmbare Unterschiede zwischen Präsenz- und Versandapotheken institutionalisiert. Und er kommt zu dem Schluss: Eigentlich muss man über ein Rx-Versandverbot gar nicht mehr weiter diskutieren, sondern „das Verbot muss umgehend exekutiert werden“. Mein liebes Tagebuch, vielleicht hilft diese Noweda-Kaapke-Studie über die Unzulänglichkeiten des Versandhandels dem Bundesgesundheitsministerium, bei seinem Meinungsbildungsprozess voranzukommen. Denn da bewegt sich derzeit immer noch nichts, obwohl das Rx-Versandverbot im Koalitionsvertrag steht. Also, unbedingt rasch ein Exemplar der Studie an den Herrn Bundesgesundheitsminister!
6 Kommentare
Alle ziehen an einem Strang
von Bernd Jas am 24.06.2018 um 18:07 Uhr
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Und still ruht der See...
von Veit Eck am 24.06.2018 um 12:20 Uhr
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AW: Und still ruht der See
von Conny am 24.06.2018 um 17:54 Uhr
Wir verpassen gerade unsere Zukunft !
von Ulrich Ströh am 24.06.2018 um 9:15 Uhr
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AW: Wir verpassen gerade unsere Zukunft
von Peter Ditzel am 24.06.2018 um 10:09 Uhr
DV Hessen
von Dr.Diefenbach am 24.06.2018 um 9:08 Uhr
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