Hochwasserfolgen im Saarland

Apotheke muss in Container ziehen

Berlin - 29.06.2018, 16:30 Uhr


Extreme Situationen erfordern extremen Einsatz – und flexible Lösungen. Die Brunnen-Apotheke im saarländischen Heusweiler arbeitet seit dem 23. Juni nach einer Überflutung der Apotheke durch extreme Niederschläge in eigens auf die Bedürfnisse der Apotheke ausgestatteten Containern. Viel Engagement von allen Seiten ermöglicht einen Weiterbetrieb der Apotheke. Apothekenleiter Tobias Thiel zeigt sich gegenüber DAZ.online begeistert von einer Welle der Hilfsbereitschaft.

Das Hochwasser, das am 11. Juni 2018 den Ort Heusweiler im Saarland überflutete, machte auch vor der Brunnen-Apotheke von Apotheker Tobias Thiel nicht halt. „Es war ein Jahrhunderthochwasser“, beschreibt Thiel die Situation. Die in einem historischen Bahnhofsgebäude untergebrachte Brunnen-Apotheke liegt am tiefsten Punkt Heusweilers. In der Nähe der Apotheke befindet sich zudem der Köllerbach, ein eigentlich beschauliches Gewässer. In kurzer Zeit schwoll der kleine Bach an und trat über die Ufer. Die Folge war eine Überflutung der gesamten Ortsmitte. Die Apotheke traf es durch ihre geografische Tieflage im besonderen Maße. „Das ist der Worst Case, den keiner so genau vorher einplant“, erläutert Thiel die schwierige Situation.

Apotheke fast komplett zerstört

Die Folgen der Überflutung sind enorm: „Bis zu einem Meter stand die Offizin unter Wasser. Der Keller war bis Deckenhöhe geflutet“, beschreibt der Apothekenleiter die Lage. Im Keller habe sich unter anderem das Medikamentenlager der Apotheke befunden, das nun fast völlig zerstört sei. Auch der Offizinbereich sei schwer getroffen. Die Einrichtung sei durch das Wasser so schwer in Mitleidenschaft gezogen, dass sie größtenteils nicht mehr brauchbar sei. „Den Gesamtschaden schätze ich auf ungefähr 500.000 Euro. Davon sind ca. 200.000 Euro dem vernichteten Warenlager zuzurechnen“, so Thiel, der neben der Brunnen-Apotheke eine weitere Apotheke in der Gemeinde Wallerfangen betreibt. 

Auch der Betriebsausfall bis zur Wiedereröffnung in den Containern und die Kosten, die durch das Provisorium entstanden seien, müssten mitgerechnet werden. Da durch die Flutung des Kellers auch Öltanks ausgelaufen seien, müssten außerdem eventuelle Umweltschäden mitbeachtet werden. Zudem sei noch nicht absehbar, wie groß der Sanierungsbedarf des Gebäudes ausfalle. Das Öl sei in die Wände des alten Bahnhofsgebäudes gezogen. Das Gutachten über den Schaden liege noch nicht vor. Insofern sei noch nicht absehbar, wie lange eine Sanierung dauern werde. 

Notlösung: Container-Apotheke

Die schwierige – und in dieser Art bisher einmalige – Situation weckte in Apothekenleiter Tobias Thiel ungeahnte Kräfte. Aber auch sein Team reagierte nach Aussagen Thiels vorbildlich und engagiert. Während noch die Apotheke unter Wasser stand, habe er den Plan entwickelt, auf dem vor der Apotheke gelegenen Parkplatz Container aufstellen zu lassen und in diesem Provisorium den Betrieb weiterzuführen. Binnen drei Tagen seien die Container aufgestellt und komplett ausgestattet worden. Tobias Thiel beschreibt, wie die Container für den Einsatz als Ersatzapotheke extra aufgeschnitten und miteinander verbunden werden mussten. Die Kosten dafür musste der Pharmazeut zunächst selbst tragen, hofft aber auf Unterstützung durch die Versicherung.

Seit dem 23. Juni ist die ungewöhnliche Container-Apotheke in Betrieb. Alles funktioniere sehr gut. Alles sei vorhanden: Verkaufsraum, Rezeptur, Apotheken-EDV und die vertraute Warenvielfalt, die einzig in der Masse reduziert sei. Für die maßgenaue Einrichtung der Container hätten alle Gewerke unkompliziert und zeitnah Hand in Hand gearbeitet. „Die Zusammenarbeit mit den Handwerkern war mustergültig“, freut sich Thiel.

Apothekerkammer unterstützt Katastrophenmanagement

Dass besondere Situationen auch besondere Lösungen erfordern, davon sei auch die Apothekerkammer überzeugt gewesen, erläutert Thiel auf Nachfrage. „Sie haben die Situation als Katastrophenmanagement verstanden und alles abgesegnet.“ Neben den Vorgaben der Kammer mussten auch baurechtliche und polizeiliche Bestimmungen bedacht werden. Doch es hätte von allen Seiten großes Verständnis und Unterstützung gegeben. Auch die Kommunalverwaltung hätte mitgeholfen, die Situation zu meistern. So seien Teile der alten Apothekenausstattung, die noch brauchbar seien, im Heusweiler Rathaus zwischengelagert, so Thiel. 

Die Apothekerkammer habe den Betrieb inzwischen abgenommen und sei ganz begeistert gewesen, freut sich der Apotheker. Sehr wichtig, so Thiel: „Die Kunden bekommen ansonsten nur mit, es ist geschlossen. Sie suchen sich dann eine andere Apotheke und bleiben eventuell dort. Das kann schnell existenzbedrohend sein.“ So seien der flexible Umgang mit der Ausnahmesituation und die schnelle unkomplizierte Lösung eine gute Imagewerbung für die Apotheke. Dieses gehöre mit zu den positiven Erkenntnissen, die er aus der Situation ziehen konnte, erläutert der Heusweiler Apotheker. Besonders froh sei er aber über die Chance, die Arbeitsplätze der 15 Mitarbeiter sichern zu können. „Es war auch eine gute Maßnahme zur Teambildung“, resümiert Thiel – wenn auch sicher mit einer Portion Galgenhumor gemischt. 

Ende des Provisoriums noch nicht absehbar

„Hoffentlich sind wir bis Weihnachten wieder in unseren alten Räumen“, wünscht sich Thiel. Erste Schätzungen gehen von eher optimistisch gerechneten drei Monaten Sanierungsdauer aus. Doch dies sei nicht sehr wahrscheinlich, erläutert der Apothekenleiter. Das Gutachten, das auch den gesamten Gebäudeschaden miteinrechnet, stehe noch aus. Insofern seien eine seriöse Einschätzung und ein genauer Zeitplan noch nicht möglich. „Wir mussten schon einiges mitmachen, Einbrüche und andere Dinge. Diese Situation werden wir auch überstehen“, ist sich Thiel sicher – und kann dabei auf die Unterstützung seines gesamten Teams zählen.  



Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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