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Die ABDA im E-Rezept-Eifer. Sie hängt sich ins Zeug und will ein apothekerkonformes E-Rezept entwickeln. Beim Ministerium hat sie schon eine Projektskizze eingereicht. Jetzt soll’s schnell gehen. Da wär’s doch mal super-nett, wenn uns unsere Berufsvertretung informieren würde, wie sie sich die Sache mit dem E-Rezept überhaupt konkret vorstellt. Mehr Kommunikation, bitte! Wenn schon zum Spahn-ABDA-Deal in Sachen Rx-Versandverbot nichts überkommt – doch, von Spahn selbst. Indirekt sagt er nämlich: Rx-Versandverbot hat nicht die oberste Priorität, ein fairer Wettbewerb könnte auch anders gehen. Na, das ist fast schon Klartext, oder? Und noch zu den geklauten griechischen Krebsmitteln: Ministerium pennt, Lunapharm träumt und Securpharm vorm Start.
16. Juli 2018
Dass das mal klar ist zum Thema Rx-Versandverbot: „Unsere Position hat sich – unabhängig von einer Erwähnung im Wahlprogramm zur Landtagswahl – selbstverständlich nicht geändert“, ließ ein Sprecher der CSU auf Anfrage der Apotheker Zeitung wissen und präzisierte: „Wir setzen uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein und wollen die Apotheken vor Ort stärken. Dies haben wir im Koalitionsvertrag auf Bundesebene durchgesetzt.“ Mein liebes Tagebuch, schön, dass sie es wieder einmal gesagt hat, die CSU…
Na, mein liebes Tagebuch, da verschlägt es einem fast die Stimme, das geht jetzt Schlag auf Schlag bei der ABDA, ganz im E-Rezept-Fieber. Noch vor wenigen Wochen wollte der eine oder andere Funktionär vom E-Rezept noch nichts wissen und mancher wiegelte sogar ab, das sei für Apotheken noch lange nicht relevant und auf dem Apothekertag wollen wir auch nicht drüber reden. Und jetzt, schwupps, antichambriert die ABDA sogar schon mit einer Projektskizze beim Bundesgesundheitsministerium, wie man sich ein E-Rezept vorstellen und es einführen könnte, noch vor dem schleppenden Ausbau der Telematikinfrastruktur. Mein liebes Tagebuch, diese Aktivitätsgeschwindigkeiten ist man von der ABDA nicht gewöhnt, irgendetwas muss die Berliner Truppe gepikst und wachgerüttelt haben – vielleicht die zunehmenden Projekte der Ärztekammern, mit denen Telemedizin und Fernbehandlung erprobt werden sollen, was zwangsläufig über kurz oder lang auch E-Rezepte zur Folge hat. Also, dachte sich die ABDA wohl, besser wir sagen jetzt, wie wir es als Apotheker wollen, als wenn uns irgendwann ein E-Rezept-Procedere übergestülpt wird, das uns unglücklich macht. Man holte rasch die Apothekensoftwarehäuser und die Apothekenrechenzentren an einen Tisch, unterzeichnete einen „Letter of intent“, dass man ein Modellprojekt zur E-Verordnung entwickeln wolle, und setzte sich mit den Ärzten und deren Softwarehäusern zusammen. Freilich, in der Projektskizze geht es vor allem um die Frage, ob das Ministerium überhaupt eine Übergangslösung befürwortet, die unabhängig von der Telematikstruktur anläuft. Denn um E-Rezepte übermitteln und erproben zu können, müssen Anpassungen am Arzneimittelgesetz und am Sozialgesetzbuch V vorgenommen werden. Außerdem müssen Krankenkassen mitspielen und für Apotheker müsste die Testphase retaxsicher sein. Bis sich also die ersten Bits und Bytes eines E-Rezepts durch das apothekereigene Netz zwängen und in den Apotheken ankommen, vergeht noch Zeit. Und was dieses Netz betrifft: Es soll sich gerade im Aufbau befinden und angeblich rechtzeitig zum Start von Securpharm am 9. Februar 2019 einsatzbereit sein. Unabhängig von allen Implikationen, Letters und Projektskizzen: Wäre es nicht wirklich mal nett, wenn sich unsere ABDA an uns, ihr Apothekervolk, wendet und erklärt, wie sie sich prinzipiell E-Rezepte und das Handling vorstellt? Es gäbe da noch ein paar Fragen… Das wäre uns eine ordentliche Berufsvertretung doch schuldig!
Durchschnittlich „Alle 38 Stunden“ schließt eine Apotheke – die Anzeigenkampagne der Pharmagroßhandlung Noweda, die das der Bevölkerung vermitteln will, hat ihren Grund. Den allermeisten Menschen ist nämlich der Rückgang der Apothekenzahlen nicht bewusst. Das zeigen zwei Umfragen der Noweda, die im Vorfeld der Anzeigenkampagne liefen. Gut 90 Prozent der Befragten wussten zudem nicht, dass es in Deutschland weniger Apotheken gibt als im Durchschnitt der EU. Und dass die Zahl der Apotheken in Deutschland auf dem tiefsten Stand der letzten drei Jahrzehnte ist. Noweda-Chef Kuck hofft, dass die Kampagne die Bürger aufrüttelt und ihnen zeigt, dass die Versorgung in Gefahr ist. Mein liebes Tagebuch, Dank an Noweda, so eindringlich hat dies bisher noch keine Kampagne gemacht.
17. Juli 2018
17 Länder in der EU haben es schon, das elektronische Rezept. In Deutschland tut sich erst jetzt etwas, die ABDA will’s anpacken. Auslöser waren vermutlich die Beschlüsse des Ärztetages und von Ärztekammern, die Fernbehandlung zuzulassen und zu erproben. Und weil Telemedizin in letzter Konsequenz auch die Fernverschreibung, das elektronische Rezept, nach sich zieht, wird’s höchste Zeit, die Einbindung der Apotheke voranzutreiben. Wie sich unsere Standesvertretung das Procedere vorstellt, dazu hat sie sich noch nicht geäußert. Wo soll beispielsweise ein Rezept gespeichert werden, auf einer Karte, auf einem Server? Wo steht der Server? Wie läuft der Datenfluss, nachdem der Patient sein Rezept eingelöst hat? Werden die Daten sofort an ein Rechenzentrum geschickt? Wie schickt der Patient sein Rezept an Versandapotheken? Und viele weitere Fragen. Mein liebes Tagebuch, wäre schön, wenn sich die ABDA dazu mal äußern würde.
Das Valsartan-Desaster beschert den Apotheken immens viel Arbeit und Aufwand, zusätzliche Beratungsgespräche, Ärger und letztlich auch Kosten. Und wie sieht es mit einer Ersatz- oder Folgemedikation für die Patienten aus? Patienten benötigen eine neue Verordnung. Und was ist, wenn es zu Lieferengpässen kommt und die Apotheke von der Verordnung abweichen muss? Wo liegen Retax-Risiken? DAZ.online hat bei den großen Krankenkassen nachgefragt, wie kulant sie sind, ob sie pharmazeutische Bedenken akzeptieren. Mal so, mal so. Auf den Rahmenvertrag und seine abgestufte Vorgehensweise berufen sich natürlich alle. Ein Rest-Retaxrisiko wird da wohl an uns kleben bleiben. Klarheit dürfte es dagegen bei den Ersatzkassen geben: Sie wollen Ärzte und Apotheker informieren, wie bei der Versorgung der vom Valsartan-Rückruf betroffenen Patienten vorzugehen ist – retaxsicher.
18. Juli 2018
Ein Rx-Versandverbot um jeden Preis – nein, das ist mit dem neuen Bundesgesundheitsminister Spahn nicht drin. So ein Versandverbot hat nicht die oberste Priorität für ihn. Er möchte lieber „alles versuchen, um einen fairen Wettbewerb herzustellen“. „Wenn das nicht gelingt, nehmen wir ein generelles Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Medikamente in den Blick“ – hat er in einem Interview mit der „Apotheken Umschau“ gesagt (das Interview wird in der August-Ausgabe erscheinen). Mein liebes Tagebuch, damit ist die Richtung klar, oder? Ich halte das für eine verklausulierte Ansage, dass die Sache mit dem Rx-Versandverbot für ihn quasi erst Mal nicht in Frage kommt. Und das wird er wohl auch mit der ABDA ausbaldowert haben. Für Spahn lässt sich ein fairer Wettbewerb auch irgendwie anders herstellen oder es lassen sich Maßnahmen finden, die sich für ihn so anfühlen. Was das alles sein kann, da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Ach, mein liebes Tagebuch, wir sind schon so gespannt, wenn ABDA und Spahn ihr Schweigegelübde brechen und uns mit ihrem Deal überraschen.
19. Juli 2018
Apotheker schenken Krankenkassen Geld! Wäre doch mal eine tolle Schlagzeile in der BILD, oder? Und so echt im Stil des Boulevard-Journalismus, also nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch. Denn bei der „Schenkung“ handelt es sich um berechtigte Retaxationen. Berechtigt, weil Apotheken versehentlich oder bewusst, aus welchen Gründen auch immer, nicht rabattierte Arzneimittel abgegeben haben. Vertrag ist Vertrag, da hilft auch der beste Einspruch nichts, da kann auch die Taxationsabteilung des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg nicht helfen. Und die ist richtig gut. Rund 14.500 Rezepte hat diese Abteilung im Auftrag ihrer Mitglieder geprüft: Bei rund 40 Prozent der Rezepte konnte sie für die Apotheken die Retaxation abwehren und so rund 550.000 Euro für ihre Mitglieder sichern. Knapp 60 Prozent allerdings waren berechtigt von den Krankenkassen retaxiert worden, die Apotheken „schenkten“ den Kassen rund 765.000 Euro. Tut irgendwie schon beim Lesen weh. Vor allem, wenn die Retaxation aufgrund von Formfehlern erfolgte.
20. Juli 2018
In griechischen Kliniken werden hochpreisige temperaturempfindliche Krebsmittel geklaut. Eine griechische Apotheke, die dem Vernehmen nach keine Großhandelserlaubnis hat, verscherbelt sie an den Zwischengroßhändler Lunapharm im brandenburgischen Mahlow, im Speckgürtel von Berlin. Weitere Zwischenhändler, Kliniken, einige Apotheken und sogar Gehe kaufen diese Arzneimittel bei Lunapharm – klingt ein bisschen nach Großhandel vom Mond. Mein liebes Tagebuch, richtig abenteuerlich ist das alles. Und das soll schon eine Zeit lang so laufen. Ein kleines Desaster wird daraus, wenn man weiß, dass das zuständige brandenburgische Gesundheitsministerium bereits vor einiger Zeit Hinweise erhalten hat, dass diese Arzneimittel gestohlen worden seien, diesen Hinweisen aber nicht ausreichend nachgegangen ist. Die Gesundheitsministerin Golze entschuldigte sich zwar für die Versäumnisse – aber reicht das? Was ist da los in unseren Ministerien? Und zum mutmaßlichen Diebstahl: Es kamen demnach vermutlich keine gefälschten Arzneimittel in den Handel, aber ob auf den griechischen Handelswegen bis nach Brandenburg peinlichst auf die Einhaltung der Temperatur geachtet wurde, möchte man wohl stark bezweifeln. Wenn temperaturempfindliche Krebsmittel zu warm gelagert und transportiert werden, ist es denkbar, dass sie an Wirksamkeit einbüßen bis hin zum Wirkungsverlust. Können sich solche illegalen Arzneihandelsgeschäfte in Zukunft wiederholen? Ab 9. Februar 2019 wird doch Securpharm scharf geschaltet, unsere High-Tech-Arzneimittelüberwachung. Dann geht so etwas doch nicht mehr, oder? Klares „Jein“, mein liebes Tagebuch, zumindest könnte so ein Handel an Securpharm vorbei noch ein paar Jahre lang laufen. Das Fälschungsschutzsystem Securpharm erkennt nämlich nur Ware, die serialisiert ist, d. h., die Ware ist mit Sicherheitsmerkmalen ausgestattet. Während einer Übergangsphase bis 2024 darf allerdings auch Bestandsware ohne diese Sicherheitsmerkmale im Verkehr sein, sie wird bis dahin auf den europäischen Märkten zu finden sein. Arzneimittel mit den fälschungssicheren Kennzeichen dagegen würden sofort von Securpharm identifiziert, ihre Datenspur ließe sich verfolgen, sie könnten gesperrt und als gestohlen markiert werden, so dass in einer Apotheke ein Hinweis erscheint. Mein liebes Tagebuch, was dieser Arzneimittelskandal wieder vorführt: die Crux mit den Zwischen- und Zwischenzwischen-Pharmagroßhändlern. Sicher, man darf dieses Gewerbe nicht unter Generalverdacht stellen, aber in der Vergangenheit zeigten sich auf dieser Ebene immer wieder nicht gesetzeskonforme Vorkommnisse und Lücken in der Überwachung. Man hat den Eindruck, so manche kleine Pharmahandelsbude arbeitet im Graubereich – und davon gehen Gefahren aus für unsere Arzneiversorgung. Gäbe es nur den hochgepriesenen Vertriebsweg Hersteller – Pharmagroßhandel – Apotheke, ohne Zwischenhandel, wäre unsere Versorgung sicherer. Und wenn dazu noch Überwachungsbehörden schlafen und schlampern…
2 Kommentare
Der ABDA- Deal von Oktober 18
von Ulrich Ströh am 22.07.2018 um 9:51 Uhr
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AW: Ringelreihnreise nach Jerusalem oder Wer zuerst zuckt zahlt den Dealer
von Bernd Jas am 22.07.2018 um 14:17 Uhr
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