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7. September 2018
Pharma-Großhändler legen bei ihrer Lobby-Arbeit einen Zahn zu. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein Bundestagsabgeordneter eine Großhandelsniederlassung besucht. Gehe hat sogar vor einigen Monaten die Berliner Politikexpertin Manuela-Andrea Pohl eingestellt, die zuvor für den Kassenverband vdek arbeitete. Warum sich die Großhändler an die Politiker ranmachen, warum sie den Kontakt und den ständigen Austausch suchen, liegt auf der Hand: Es geht um die Großhandelsvergütung, um Rabatte und Skonti und um die Abgrenzung zum Versandhandel. Großhändler möchten ein höheres Fixum, möchten es festschreiben und kämpfen gegen die Ungleichbehandlung mit den Versendern. Erste Erfolge lassen sich schon vermelden. So soll, wie vom Großhandelsverband gewünscht, beispielsweise das Fixum des Großhandels festgeschrieben und für Rabatte gesperrt werden – zum Leidwesen der Apotheken. Selbst über eine Erhöhung des Großhandelshonorars denken einige Gesundheitspolitiker schon nach. Was die Abgrenzung zu den ausländischen Versendern betrifft, ist dagegen noch ein bisschen Arbeit notwendig, stimmt aber schon den einen oder anderen Politiker nachdenklich, Beispiel Kühlkette und Kühltransport von Arzneimitteln. Unser Großhandel weist auf die Ungleichbehandlung hin, wenn er seine Fahrzeuge für teures Geld auf Kühlfahrzeuge umstellen muss und die niederländischen Versender einfach per Paketdienste und ohne Kühlfahrzeuge ihre Waren verschicken. Dieser Sommer war ein Paradebeispiel dafür, aufzuzeigen, was passiert, wenn kühlpflichtige Arzneimittel in heißen Autos transportiert werden -– das leuchtet jedem Politiker ein. Mein liebes Tagebuch, schade, dass die ABDA dieses Thema so gar nicht bespielt hat: Sichere und wirksame Arzneimittel gibt aus der Vor-Ort-Apotheke und nicht per Päckchen, die bei über 30 Grad in Paketautos durch die Lande gefahren werden. Bei einer solchen Steilvorlage, wie es dieser Sommer war, nicht zuzugreifen, ist mehr als schade. Chance vertan! Bleibt die Frage: Warum hat die ABDA-Öffentlichkeitsarbeit dieses Thema nicht aufgegriffen? Verpennt? Zu unflexibel? Zu träge?
Wir sind nicht dabei, wir spielen keine Rolle, wir gehören nicht zu den großen Spitzenorganisationen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, kurz: Die Apotheker haben keine Stimme im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und sind dort nicht vertreten. Das im Jahr 2004 eingeführte oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen „bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens“ – so steht es auf der Internetseite. Seit mittlerweile 14 Jahren beraten demnach Ärzte, Psychotherapeuten, Krankenkassen und Krankenhäuser über Arzneimittel – der Sachverstand der Apotheker ist nicht unmittelbar dabei. Mein liebes Tagebuch, diese Tatsache, dass wir Apotheker keinen Sitz im G-BA haben, lässt viel von der Position erahnen, die man uns im Gesundheitswesen zuteilt. Und von der Stärke (oder sollte man hier besser von Schwäche reden) unserer Berufsvertretung. In den letzten Jahren gab es zwar immer wieder einmal zaghafte Vorstöße auf Apothekertagen, die ABDA dazu zu bewegen, sich für eine Mitgliedschaft im G-BA stark zu machen, doch eine Mehrheit kam dafür nie zustande. Möglicherweise auch deswegen nicht, weil ABDA-Vertreter keinerlei Engagement zeigten, sich für eine Mitgliedschaft im G-BA stark zu machen und Anträge sogar abbügelten: Das sei zu teuer und es sei zu schwierig, Mitarbeiter für solche Stellen zu finden. Und so ist auch in diesem Jahr kein Antrag zum Apothekertag dabei, der eine Mitgliedschaft im G-BA zum Ziel hat. Aus der Kammer Westfalen-Lippe war zu hören, dass dort ein solcher Antrag zwar eingebracht worden war, aber keine Mehrheit fand. Eine vertane Chance.
Mein liebes Tagebuch, es lässt sich nicht nachvollziehen, dass sich ein Heilberuf selbst so klein macht, sich selbst aus dem Konzert der Leistungserbringer im Gesundheitswesen ausschließt. Wie soll es da möglich sein, dass wir jemals ein Honorar für Dienstleistungen gegenüber den Krankenkassen geltend machen können, wie es ABDA-Präsident Schmidt vor Kurzem erneut forderte? Wo bleibt da unser Selbstverständnis? Man stelle sich vor: Ärzte und Krankenkassen befinden darüber, ob und wie Apotheker für eine Dienstleistung honoriert werden – wir wird diese Debatte wohl ausgehen? Möglicherweise wäre auch das Desaster, dass Apotheker bei Präventionsleistungen nicht berücksichtigt werden, dass wir beim Medikationsplan kaum eine Rolle spielen, dass wir beispielsweise für Impfberatung, Ernährungsberatung, AMTS und Medikationsanalysen nicht honoriert werden, nicht entstanden, wenn wir im G-BA gleichberechtigt neben Ärzten und Krankenkassen sitzen würden. Dass wir auch im Jahr 2018 es nicht für notwendig befinden, über eine Mitgliedschaft im G-BA auf dem Apothekertag zu diskutieren, stimmt traurig, sehr traurig: der Apotheker, ein Heilberuf zweiter Klasse?
24 Kommentare
Öffentlichkeitsarbeit
von Florian Becker am 18.09.2018 um 10:52 Uhr
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Digital - Großkapital
von Ratatosk am 10.09.2018 um 9:41 Uhr
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AW: Digital - Großkapital
von Heiko Barz am 10.09.2018 um 12:15 Uhr
Die Lösung !
von Conny am 09.09.2018 um 20:10 Uhr
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AW: Die Auf-Lösung
von Bernd Jas am 09.09.2018 um 21:40 Uhr
"Ach wie gut, dass niemand weiss, dass ich Apotheker heiss."
von Christian Giese am 09.09.2018 um 19:10 Uhr
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AW: "Ach wie gut, dass niemand glaubt,...
von Bernd Jas am 09.09.2018 um 21:43 Uhr
Abschwung
von Reinhard Rodiger am 09.09.2018 um 17:55 Uhr
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Das macht mir Angst!
von Elisabeth Thesing-Bleck am 09.09.2018 um 13:24 Uhr
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ABDA Gelder
von Dr.Diefenbach am 09.09.2018 um 12:30 Uhr
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DIESES Tagebuch
von Dr.Diefenbach am 09.09.2018 um 12:21 Uhr
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Die Großmannssucht der ABDA ...
von gabriela aures am 09.09.2018 um 11:33 Uhr
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Üble Kommentare löschen!
von Freimuth am 09.09.2018 um 10:39 Uhr
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AW: Üble Kommentare löschen
von Kassensklave am 09.09.2018 um 10:48 Uhr
Gesicht zeigen
von Freimuth am 09.09.2018 um 10:05 Uhr
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AW: Gesicht zeigen
von Kassensklave am 09.09.2018 um 10:14 Uhr
Sie kapieren es nicht
von Karl Friedrich Müller am 09.09.2018 um 8:51 Uhr
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AW: Sie kapieren es nicht
von Anita Peter am 09.09.2018 um 9:03 Uhr
Keine Kühlkettenkampagne
von Conny am 09.09.2018 um 8:45 Uhr
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Heimspiel in München
von Ulrich Ströh am 09.09.2018 um 8:25 Uhr
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AW: Heimspiel in München
von Conny am 09.09.2018 um 9:00 Uhr
Organspende Ja, aber nur mit ausdrücklicher Zustimmung!
von Elisabeth Thesing-Bleck am 09.09.2018 um 8:18 Uhr
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AW: Organspende Ja, aber nur mit ausdrü
von Conny am 09.09.2018 um 8:33 Uhr
AW: Die Antwort wäre trotzdem interessant
von Hummelmann am 09.09.2018 um 12:36 Uhr
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