Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

21.10.2018, 08:00 Uhr

Nichts zum Feiern: der 2. Jahrestag des EuGH-Urteils zur Arzneimittelpreisbindung – und immer noch kein Rx-Versandverbot. (Foto: Andi Dalferth)

Nichts zum Feiern: der 2. Jahrestag des EuGH-Urteils zur Arzneimittelpreisbindung – und immer noch kein Rx-Versandverbot. (Foto: Andi Dalferth)


18. Oktober 2018 

Mein liebes Tagebuch, es hätte uns echt etwas gefehlt, wenn der spezielle Patellarsehnenreflex von Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärzteverbands, ausgeblieben wäre. Kaum hatte Bundesgesundheitsminister Spahn laut darüber nachgedacht, ob es nicht aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein könnte, wenn Apotheker in bestimmten Fällen auch impfen dürften – und schon zuckt Weigeldts Unterschenkel und schlägt aus: Wir Ärzte wollen Arzneimittel abgeben.  Mein liebes Tagebuch, wie süß, der Witz der Woche! Ich seh den lieben Onkel Doktor Weigeldt schon in seinem Sprechstundenzimmer vor seinem großen Medikamentenschrank, selbstverständlich mit Kühl- und BtM-Fach, wie er gerade die vom Großhandel gelieferten Wannen ausleert, die Verfalldaten kontrolliert, die superteuren Hochpreiser sorgfältig einräumt, die Billiggenerika für die zig Rabattverträge der unterschiedlichen Kassen stapelt, während die Sprechstundenhilfe die Großhandelsrechnungen prüft und ihrem Chef die Retaxpost der Krankenkassen überbringt. Hahaha, ich werf mich weg vor Lachen. Solche Drohungen – wir Ärzte wollen dispensieren – hätten uns vielleicht noch vor 30 Jahren erschrecken können, aber nicht im Jahr 2018, lieber Herr Weigeldt. Ganz abgesehen davon, dass der Weg hin zu mehr Arzneimitteltherapiesicherheit und Medikationsmanagement durch dispensierende Ärzte konterkariert würde. Selbst wenn man die Forderung nach einem Dispensierrecht für Ärzte mal ernst nimmt: Wissen Sie eigentlich, lieber Herr Weigeldt, wie hochkomplex die Arzneimittelversorgung mittlerweile geworden ist? Auch wenn Sie meinen, es würde genügen, nur ein kleines Arzneimittelsortiment bereitzuhalten: Wollen Sie Ihre Patienten etwa schlechter versorgen? Sie werden eine moderne Arzneimittelabgabe nicht neben verantwortungsvollen Untersuchungen, Diagnosen und Therapieauswahlen hinbekommen. Wenn Ihre Kolleginnen und Kollegen schon heute über Zeitmangel stöhnen, neue Patienten nicht mehr annehmen und ihnen Sprechstundentermine erst in vier Wochen zuteilen – woher nehmen Sie die Zeit, ein Arzneimittellager zu managen? Natürlich, mein liebes Tagebuch, Weigeldts Reflex ist pure emotionale Provokation. Das Arzneimittelgeschäft will er nicht wirklich, er will nur poltern und drohen: Apothekers, mischt euch nicht in unsere Angelegenheiten, lasst die Finger vom Impfen, dann ist Burgfrieden. Und sein Kollege Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, stimmt ihm bei und meint, die Impfquote würde nicht durch impfende Apotheker gesteigert. Mein liebes Tagebuch, wie gesagt, vor 30 Jahren mag das alles noch richtig gewesen sein. Unsere Gesellschaft hat sich verändert, die Ansprüche an eine schnelle unkomplizierte Prävention sind gestiegen – und eine Grippeimpfung gehört da beispielsweise dazu. Darüber kann man durchaus vernünftig und sachlich reden. Es geht doch auch nicht darum, alle Impfungen durchzuführen. Es genügt ein Blick in Länder, in denen das heute schon bestens funktioniert! Aber keine Sorge, liebe Ärzte, unsere Standesführung zittert schon und kuscht. Sie hat genug andere Baustellen, sie will nicht über eine Impferlaubnis für Apotheker diskutieren, sie wird das Impfen nicht fordern. Aber vielleicht die nächste Generation. 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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6 Kommentare

Unfairer Wettbewerb ??

von Heiko Barz am 22.10.2018 um 12:18 Uhr

Die Worthülse „unfair“ in Bezug auf die europäische Arzneimittelversorgung nach dem katastrophalen EUGH Urteil ist für mich eine naive Verniedlichung.
Die Zusammenbrüche familiennaher Apotheken ( 300 pro Jahr? Leider steigend) kann ich nur als berufsvernichtend und erschreckend bezeichnen. Da stößt mir das Wörtlein „unfair“ acidierend auf.
Die iustiziable Rechtsverachtung der Holländer Deutschen Gesundheitsgesetzen gegenüber - auch bedingt durch die Akzeptanz dieser Gesetzesbrecher durch unsere KKassen - verlangt nach hoch dotierten bestrafenden Urteilen.
Und nun nochmal: „ unfair“ ?

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Spahn und Konsorten

von Conny am 21.10.2018 um 14:51 Uhr

Und die Saudis sind fett bei Doc Morris dabei. Aber das interessiert ja kein Sau, Hauptsache die doofen Inhabergeführten Apotheken werden ausradiert.

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AW: Spahn und Konsorten

von Karl Friedrich Müller am 21.10.2018 um 16:02 Uhr

Ich würde allen mal empfehlen, die HeuteShow von Freitag anzusehen. Da geht es um das 90%ige Monopol einer Firma (Hauptbeteiligter Abu Dabi) bei Autobahnraststätten und bald auch Autohöfen.
Das Verhalten und Abzocke, ignorieren von Verträgen (kostenlose) Toiletten.
Ein Bürgermeister, der das auf seinem Gebiet nicht dulden wollte, wurde vo n einem Politiker rüde angegangen ( Name leider nicht genannt) und flux das entsprechende Gesetz geändert.
Parallelen zum Gesundheitswesen, Apotheken sind rein zufällig. Oder?
Ich wünsche der Bevölkerung, insbesondere den Einkäufern viel Vergnügen in Zukunft. Dann istnichts mehr billig.
Ich frage,ich, was Politiker dazu treibt, das Land so zu verraten. Unfassbar.

Frauen in die Kammerparlamente Ergebnisse

von Thesing-Bleck am 21.10.2018 um 10:02 Uhr

Die Berufe in den Apotheken werden immer mehr von Frauen ausgeübt. Der PTA-Beruf ist komplett weiblich. Angestellte Apotheker sind in öffentlichen Apotheken die Ausnahme. Nach ihrem Pharmazie-Praktikum übernehmen männliche Apotheker häufig sehr schnell eine Apothekenleitung. Im Krankenhaus, im öffentlichen Gesundheitsdienst und in der Pharmaindustrie sind allerdings deutlich mehr männliche Pharmazeuten zu finden.
Am Beispiel von Nordrhein-Westfalen kann man einem einzigen Bundesland einen signifikanten Unterschied in der männlichen Dominanz in den beiden Apothekerkammern feststellen. Westphalen- Lippe wird seit langem von einer Präsidenten geführt, Nordrhein hatte in 70 Jahren gerade mal für zwei Jahre eine Präsidentin.
Liebe Kolleginnen in NRW, wir haben im nächsten Jahr wieder Kammerwahlen. Derzeit werden die Listenpositionen ausgehandelt. Engagieren Sie sich! Fordern Sie jetzt eine Besetzung aller Positionen, insbesondere aber der Spitzenpositionen in der Selbstverwaltung, die das in unserem Beruf gelebte Geschlechterverhältnis minutiös und insbesondere eins zu eins widerspiegeln.

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2hm Gutachten für Hausärzte

von Ulrich Ströh am 21.10.2018 um 8:39 Uhr

Die Aufregungen um das mögliche Impfen durch Apotheken erschließen sich mir nicht:

Ulrich Weigeldt ist Chef des Hausärzteverbandes.
In dieser Funktion vertritt er halt vernehmlich (sic!) die Interessen seiner Beitragszahler.

Wie wäre Herr Weigeldt wohl mit einem
2 hm Honorargutachten für Hausärzte umgegangen ?

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Inländerdiskriminierung

von Anita Peter am 21.10.2018 um 8:22 Uhr

Wie bereits x-fach festgestellt handelt es sich seit Tag 1 nach dem EUGH Urteil um eine Inländerdiskriminierung. Würde nach irgendeinem Urteil eine Ausländerdiskriminierung eintreten, wäre unter großen Empörungsbezeugnissen schon lange eine politische Lösung gefunden worden. Aber wen interessiert in der Politik schon noch der einheimische Leistungsträger, wenn man das ausländische Großkapital hofieren kann? Da fährt man lieber nach Heerlen und beklatscht verzückt das unbenutzte Labor.

Dass die ABDA ohne Plan und völlig unvorbereitet zum EUGH Verfahren gefahren ist, und auch kein Gegengutachten zum 2hm Gutachten erstellen lies, zeigt die völlige Unfähigkeit unserer "Standeszertretung". Lieber von vorhersehbaren (!) Ereignissen überraschen lassen und das grosse Gedonnere aus vollen Rohren verkünden.
Lasst endlich Profis ran!

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