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18. Oktober 2018
Mein liebes Tagebuch, es hätte uns echt etwas gefehlt, wenn der spezielle Patellarsehnenreflex von Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärzteverbands, ausgeblieben wäre. Kaum hatte Bundesgesundheitsminister Spahn laut darüber nachgedacht, ob es nicht aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein könnte, wenn Apotheker in bestimmten Fällen auch impfen dürften – und schon zuckt Weigeldts Unterschenkel und schlägt aus: Wir Ärzte wollen Arzneimittel abgeben. Mein liebes Tagebuch, wie süß, der Witz der Woche! Ich seh den lieben Onkel Doktor Weigeldt schon in seinem Sprechstundenzimmer vor seinem großen Medikamentenschrank, selbstverständlich mit Kühl- und BtM-Fach, wie er gerade die vom Großhandel gelieferten Wannen ausleert, die Verfalldaten kontrolliert, die superteuren Hochpreiser sorgfältig einräumt, die Billiggenerika für die zig Rabattverträge der unterschiedlichen Kassen stapelt, während die Sprechstundenhilfe die Großhandelsrechnungen prüft und ihrem Chef die Retaxpost der Krankenkassen überbringt. Hahaha, ich werf mich weg vor Lachen. Solche Drohungen – wir Ärzte wollen dispensieren – hätten uns vielleicht noch vor 30 Jahren erschrecken können, aber nicht im Jahr 2018, lieber Herr Weigeldt. Ganz abgesehen davon, dass der Weg hin zu mehr Arzneimitteltherapiesicherheit und Medikationsmanagement durch dispensierende Ärzte konterkariert würde. Selbst wenn man die Forderung nach einem Dispensierrecht für Ärzte mal ernst nimmt: Wissen Sie eigentlich, lieber Herr Weigeldt, wie hochkomplex die Arzneimittelversorgung mittlerweile geworden ist? Auch wenn Sie meinen, es würde genügen, nur ein kleines Arzneimittelsortiment bereitzuhalten: Wollen Sie Ihre Patienten etwa schlechter versorgen? Sie werden eine moderne Arzneimittelabgabe nicht neben verantwortungsvollen Untersuchungen, Diagnosen und Therapieauswahlen hinbekommen. Wenn Ihre Kolleginnen und Kollegen schon heute über Zeitmangel stöhnen, neue Patienten nicht mehr annehmen und ihnen Sprechstundentermine erst in vier Wochen zuteilen – woher nehmen Sie die Zeit, ein Arzneimittellager zu managen? Natürlich, mein liebes Tagebuch, Weigeldts Reflex ist pure emotionale Provokation. Das Arzneimittelgeschäft will er nicht wirklich, er will nur poltern und drohen: Apothekers, mischt euch nicht in unsere Angelegenheiten, lasst die Finger vom Impfen, dann ist Burgfrieden. Und sein Kollege Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, stimmt ihm bei und meint, die Impfquote würde nicht durch impfende Apotheker gesteigert. Mein liebes Tagebuch, wie gesagt, vor 30 Jahren mag das alles noch richtig gewesen sein. Unsere Gesellschaft hat sich verändert, die Ansprüche an eine schnelle unkomplizierte Prävention sind gestiegen – und eine Grippeimpfung gehört da beispielsweise dazu. Darüber kann man durchaus vernünftig und sachlich reden. Es geht doch auch nicht darum, alle Impfungen durchzuführen. Es genügt ein Blick in Länder, in denen das heute schon bestens funktioniert! Aber keine Sorge, liebe Ärzte, unsere Standesführung zittert schon und kuscht. Sie hat genug andere Baustellen, sie will nicht über eine Impferlaubnis für Apotheker diskutieren, sie wird das Impfen nicht fordern. Aber vielleicht die nächste Generation.
6 Kommentare
Unfairer Wettbewerb ??
von Heiko Barz am 22.10.2018 um 12:18 Uhr
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Spahn und Konsorten
von Conny am 21.10.2018 um 14:51 Uhr
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von Karl Friedrich Müller am 21.10.2018 um 16:02 Uhr
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von Thesing-Bleck am 21.10.2018 um 10:02 Uhr
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von Ulrich Ströh am 21.10.2018 um 8:39 Uhr
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von Anita Peter am 21.10.2018 um 8:22 Uhr
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