Embryotox-Serie (1)

Rät Embryotox zum Schwangerschaftsabbruch?

Stuttgart / Berlin - 23.10.2018, 17:45 Uhr

Die Angst vor Teratogenität versammelt sich laut Professor Schaefer, Leiter von Embryotox, hinter Psychopharmaka. Embryonaltoxikologisch sind diese aber nicht am gefährlichsten. (m / Foto: llhedgehogll / stock.adobe.com)

Die Angst vor Teratogenität versammelt sich laut Professor Schaefer, Leiter von Embryotox, hinter Psychopharmaka. Embryonaltoxikologisch sind diese aber nicht am gefährlichsten. (m / Foto: llhedgehogll / stock.adobe.com)


Embryotox braucht die komplette Patientenanamnese der Schwangeren

Sobald die Experten von Embryotox 200 bis 300 Schwangerschaften unter einer bestimmten Medikation erfasst haben, vergleichen sie diese mit einer Gruppe nichtexponierter Schwangerer, um folgende Fragen zu beurteilen: Haben die arzneimittelexponierten Schwangeren ein höheres Risiko für Komplikationen, für Fehlbildungen oder Frühgeburten, und wenn ja: Wie hoch ist das Risiko? „Das ist international üblich, weil man bessere Daten schlichtweg nicht bekommt“, erklärt Schaefer. Die Methoden für derartig nicht ganz triviale Auswertungen von Schwangerschaftsverläufen werden in Kooperation mit anderen Instituten von Medizinstatistikerinnen bei Embryotox entwickelt und verfeinert.

Um qualitativ hochwertige Empfehlungen aussprechen zu können, interessiert und benötigt Embryotox die komplette Patientenanamnese der Schwangeren: Komedikation, Grunderkrankungen, Familienanamnese, BMI, Bildungsabschluss und Beruf – alles Faktoren, die per se das Risiko von Schwangerschaftskomplikationen erhöhen können. Diese exakte Datenerhebung ist keine Schikane, denn Schwangerschaftskomplikationen lassen sich nicht einfach linear-kausal auf eine Arzneimitteleinnahme zurückführen.

Wie Bildung und die Komplikationsrate bei Schwangerschaften zusammenhängen

Laut Schaefer ist eine sorgfältige Anamnese aus zwei Gründen wichtig: Erstens, um die Schwangere adäquat beraten zu können, und zweitens, um etwaige Störgrößen beim Schwangerschaftsausgang in ausreichendem Maße zu würdigen. So habe eine Frau ab einem bestimmten BMI ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskomplikationen. Ebenso kann der Bildungsabschluss Indikator für bestimmte Ernährungsgewohnheiten, Nikotin- oder Alkoholabusus sein. Der Bildungsabschluss könne außerdem einen Hinweis darauf geben, mit welcher Sorgfalt die Schwangere ihre gynäkologische Versorgung wahrnimmt: „Wir sehen, dass Frauen mit einem geringen Bildungsabschluss sich gynäkologisch weniger engmaschig untersuchen lassen als Akademikerinnen“, meint Schaefer hierzu. Beziehe man diese Faktoren alle mit ein, haben laut Schaefer Frauen mit einem geringeren Bildungshintergrund eine höhere Komplikationsrate bei Schwangerschaften.

Rät Embryotox zum Schwangerschaftsabbruch?

Und was, wenn bei Embryotox beispielsweise eine Alkoholikerin Rat sucht? Ab wann wird ein Schwangerschaftsabbruch in Erwägung gezogen? „Wir raten nie offensiv, eine Schwangerschaft abzubrechen“, sagt Schaefer. Letztlich bleibe dies immer die Entscheidung der werdenden Mutter. Denn selbst eine Alkoholikerin ist noch lange nicht einfach entmündigt. „Unsere Aufgabe ist es, Informationen dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechend zur Verfügung zu stellen“, erklärt Schaefer die konsiliarische Funktion von Embryotox. Diese Informationen sollen dabei helfen, das Risiko individueller Schwangerschaftskomplikationen einzuschätzen.

Und wenn die Schwangere erwiesenermaßen teratogene Wirkstoffe eingenommen hat? Selbst dann hält sich Embryotox mit einer konkreten Empfehlung – Daumen hoch oder runter – zurück. Denn dies bedeute keinesfalls in jedem Einzelfall eine Schädigung des Kindes: Selbst wenn eine Fehlbildung im Pränatal-Ultraschall diagnostiziert wurde, ist dies rein rechtlich keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch.

Im zweiten Teil der Embryotox-Serie hat DAZ.online Prof. Schaefer die Frage gestellt, ob Arzneimittelsicherheit in der Schwangerschaft nicht eine Aufgabe der Pharmaindustrie sein sollte. Schaefer lehnt dies vehement ab. Seine Gründe können Sie morgen auf DAZ.online nachlesen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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