Verfahren zum „Datenklau“ aus dem BMG

Ping-Pong und Schleiertanz

Berlin - 30.10.2018, 08:10 Uhr

Im Prozess gegen gegen den ehemaligen ABDA-Sprecher Thomas Bellartz vor dem Landgericht Berlin wurden weitere Verhandlungstermine bis Ende Januar 2019 festgelegt. (c / Foto: Külker)

Im Prozess gegen gegen den ehemaligen ABDA-Sprecher Thomas Bellartz vor dem Landgericht Berlin wurden weitere Verhandlungstermine bis Ende Januar 2019 festgelegt. (c / Foto: Külker)


Das sich seit Januar hinziehende Strafverfahren gegen den ehemaligen ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und einen früher für das Bundesgesundheitsministerium tätigen Systemadministrator ist am gestrigen 28. Verhandlungstag in weiten Teilen eingestellt worden. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass der Prozess in Kürze endet. Vielmehr wurden weitere Verhandlungstermine bis Ende Januar 2019 festgelegt.

Ursprünglich waren der Apotheke-Adhoc-Herausgeber und frühere ABDA-Pressesprecher Thomas Bellartz sowie der IT-Experte Christoph H. gemeinsam wegen 40 näher bezeichneter Fälle angeklagt: H. soll Bellartz zwischen Januar 2009 und November 2012 Daten aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) beschafft haben – interne E-Mails, Sprechzettel, Eckpunkte zu Gesetzesvorhaben – und Bellartz an H. für jeden dieser Datensätze zwischen 400 und 900 Euro bezahlt haben. So sollen sie den Straftatbestand des Ausspähens von Daten erfüllt und gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoßen haben.

Doch seit dem 29. Oktober sind nur noch zwei dieser 40 Anklagepunkte übrig. Wie schon seit längerem in den Raum gestellt, beschloss das Gericht – nachdem auch die Staatsanwaltschaft zugestimmt hatte – 38 Punkte einzustellen. Es verbleiben zwei Fälle, die persönliche E-Mail-Fächer von Ministeriumsmitarbeitern aus dem für Apotheken zuständigen Referat und von Staatssekretären betreffen. Außerdem hat das Gericht beschlossen, von einer Verfolgung wegen Verstößen gegen das Bundesdatenschutzgesetz abzusehen. Bei der Verkündung des Beschlusses betonte der Vorsitzende Richter allerdings, dass die ursprünglichen Anklagepunkte bei der Beurteilung der Schuld und der Rechtsfolgen letztlich doch noch Berücksichtigung finden könnten.

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Zuvor hatte das Gericht abermals Beweisanträge der Bellartz-Verteidigung zurückgewiesen. Die früheren Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler und Daniel Bahr (beide FDP) sollen nicht als Zeugen zur weiteren Sachverhaltsaufklärung vernommen werden, weil sich das Gericht keinen weiteren Erkenntnisgewinn verspricht. Außerdem verlas das Gericht noch eine E-Mail aus dem BMG, in der auf die Frage geantwortet wurde, ob es noch Backup-Dateien von E-Mails aus den Jahren 2009 bis 2012 gebe. Diese gebe es nicht, heißt es darin. Sie seien aus Datenschutzgründen gelöscht worden. Lediglich aus dem Jahr 2012 habe es noch drei gegeben, die auch zu den Akten genommen wurden.

Abgelehnten Anträgen folgen die nächsten Anträge

Den Beschlüssen des Gerichts zu den abgelehnten Anträgen folgten in gewohnter Ping-Pong-Manier weitere Erklärungen und Anträge von Bellartz´ Anwalt Carsten Wegner. Konkret beschwerte er sich über die in der Sitzung am 5. Oktober vom Gericht zurückgewiesenen Beweisanträge. So hatte das Gericht entschieden, den Staatsanwalt, der die Anklageschrift verfasst hatte, nicht als Zeugen zu laden. Wegner hätte sich allerdings weitere Informationen durch ihn erhofft. Wusste er vielleicht mehr, als er in der Anklage niederschrieb? Denn – so betonte der Anwalt abermals – es werde bereits sein Monaten über ein „verfahrensgegenständliches Nichts“ gestritten. Es sei nach wie vor nicht klar, was wann wo genau geschehen sein soll – und vor allem habe man bei seinem Mandanten, und auch bei der ABDA, keine Dokumente aus dem BMG gefunden. Es dränge sich der Verdacht auf, so Wegner, als wolle das Gericht um jeden Preis verhindern, dass der Staatsanwalt hierzu weitere Auskünfte gebe – denn womöglich wisse er auch nicht mehr. Seit Monaten gestalte sich das Verfahren als „Schleiertanz“ – und noch immer wisse keiner, was sich hinter diesem Schleier verberge.

Wegner berichtete überdies, dass die Staatsanwaltschaft einer Anzeige wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen (§ 353d StGB) nicht weiter nachgehen will. Der Anwalt hatte von Anfang an angeprangert, dass die Presse in ihren ersten Berichten zum Prozess aus seiner Sicht viel zu umfassend aus der damals noch nicht verlesenen Anklageschrift zitiert habe. Seine Vermutung: Die Anklage wurde an einige Journalisten „durchgestochen“. Zwar habe die Staatsanwaltschaft in ihrer Einstellungsnachricht von vorletzter Woche eingeräumt, die vorgelegten Presseberichte legten den Verdacht nahe, dass die Anklage bekannt war – weitere Ermittlungen nehme man dennoch nicht vor. Denn es sei nicht klar, gegen wen man hier ermitteln sollte. Dies bestärkt Wegner einmal mehr darin, dass die Ermittlungsbehörden unterschiedliche Maßstäbe anwenden, wenn es um mögliche Straftaten in den eigenen Reihen geht oder solche, wie sie seinem Mandanten vorgeworfen werden. Er ist weiterhin der Meinung, dass eigentlich Bellartz das Opfer einer Straftat ist, eines „Bilddatenklaus“ nämlich, begangen durch die ARD-Tagesthemen

Diesmal beantragte Wegner noch, verschiedene ehemalige BMG-Pressesprecher als Zeugen zu laden: Klaus Vater, Christian Lipicki und Christian Albrecht. Sie sollen unter anderem dazu aussagen, ob es während ihrer Zeit im BMG vorkam, dass Journalisten von ihnen Materialen bekamen, möglicherweise sogar exklusiv, und ob dabei nach Gesichtspunkten der politischen Opportunität oder einer sonstigen Nähebeziehung vorgegangen wurde.

Der nächste Verhandlungstermin ist der 15. November. Überdies legte das Gericht weitere Termine bis zum 23. Januar fest.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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