Auf Verunreinigungen mit NMDA/NDEA

ZL untersucht weitere Sartane – und findet nichts

Stuttgart - 12.11.2018, 14:30 Uhr

37 Sartan-Präparate haben Professor Mona Tawab und ihr Team vom ZL untersucht. (s / Foto: ZL)

37 Sartan-Präparate haben Professor Mona Tawab und ihr Team vom ZL untersucht. (s / Foto: ZL)


Mit großer Wahrscheinlichkeit hat eine Syntheseumstellung zu den flächendeckenden NDMA-Verunreinigungen bei Valsartan geführt. Konkret geht es um die Synthese des Tetrazolrings. Somit stellte sich die Frage, ob andere Sartane, die dieses Strukturelement enthalten, ebenfalls betroffen sind. Das Zentrallaboratorium der Deutschen Apotheker (ZL) hat 37 Präparate auf NDMA und NDEA untersucht. 

Was haben Candesartan, Irbesartan, Losartan und Olmesartan mit Valsartan gemeinsam? Die Antwort gibt der Blick auf die Strukturformel. Es ist der Tetrazolring. Auch wenn bislang noch nicht abschließend geklärt ist, wie die Verunreinigungen mit dem kanzerogenen N-Nitrosodimethylamin (NDMA) in den Wirkstoff Valsartan kamen, vermuten viele Experten, das dies bei der Umstellung der Synthese eben dieses Tetrazolringes geschah. Und somit liegt es nahe, zumindest in Betracht zu ziehen, dass andere Sartane auch von Verunreinigungen betroffen sein könnten. Daher hat die europäische Arzneimittelaufsicht EMA ihr Risikobewertungsverfahren auf die anderen Sartane mit dieser Ringstruktur ausgeweitet. Und auch das ZL, das bereits Verunreinigungen in Valsartan-Präparaten nachgewiesen und quantifiziert hatte, hat nun stichprobenartig 37 weitere Sartan-Präparate untersucht – und zwar nicht nur auf NDMA, sondern auch auf N-Nitrosodiethylamin (NDEA), mit dem laut der US-amerikanischen und der europäischen Arzneimittelbehörden möglicherweise Valsartan sowie Losartan und Irbesartan verunreinigt waren.

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Die Ergebnisse des ZL liegen DAZ.online vor. Demnach wurden zehn Candesartan-, acht Irbesartan-, acht Losartan- und sechs Olmesartanpräparate – also Sartane mit Tetrazolring –, sowie sechs Telmisartan-Präparate – ein Sartan ohne das fragliche Strukturelement – untersucht. Telmisartan sei eingeschlossen worden, um andere, nicht mit der Synthese zusammenhängende Kontaminationsquellen für NDMA und NDEA, auszuschließen, so das ZL. Zudem habe man besonderen Fokus auf die Präparate der Firmen gelegt, deren valsartanhaltige Arzneimittel von den Verunreinigungen betroffen waren. Eine Übersicht über alle untersuchten Präparate finden Sie hier. 

Keine Verunreinigung nachweisbar

Auf NDMA-Verunreinigungen wurde wie bei der ersten Untersuchung mit GC-MS gescreent. Die Methode sei aber so erweitert worden, dass sie ebenfalls das Screening nach NDEA erlaubt, beschreibt das ZL. Die NDMA-Verunreinigung wurde quantifiziert – wie zuvor auch per Standardadditionsverfahren. NDEA wurde qualitativ erfasst. 

In keiner der untersuchten Tabletten konnte das ZL eine Verunreinigung nachweisen. Das bedeute, schreiben die Analytikexperten, dass NDMA entweder gar nicht im Produkt enthalten sei oder in derart kleinen Mengen, dass es mit der vom ZL angewandten Methode nicht detektierbar sei. Als Quantifizierungsgrenze gibt das ZL 0,375 µg/Tablette an, als Nachweisgrenze 0,15 µg/Tablette. Für NDEA lägen die geschätzten Grenzen im selben Bereich, heißt es.

ZL: Patienten können fürs erste aufatmen

Das ZL weist jedoch darauf hin, dass eine Extrapolation der Ergebnisse auf andere nicht untersuchte Chargen oder Produkte nicht möglich sei, schließlich könne das Ausmaß der Verunreinigung von Charge zu Charge erheblich variieren. Nichtsdestotrotz erachtet es das ZL als gute Nachricht, dass in den Stichproben keine Verunreinigung nachgewiesen wurde. Patienten könnten fürs erste aufatmen, heißt es. 

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Ein weiterer Punkt, auf den das ZL eingeht ist, dass hierzulande keine öffentlichen Erkenntnisse vorliegen, wie NDEA ins Valsartan und in die Sartane gelangen konnte – im Gegensatz zu NDMA, bei dem dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die geänderte Synthese zurückzuführen ist. Die FDA geht laut ZL auch bei NDEA von einer synthesebedingten Verunreinigung aus, für Europa gebe es keine solche Aussage. Es sei aber gerade die Tatsache der Unkenntnis über mögliche nicht erwartete Verunreinigungen in pharmazeutischen Präparaten, die letztendlich das gesamte Vertrauen in das hochregulierte pharmazeutische Qualitätssicherungssystem infrage stellen kann, so das ZL.

Vor diesem Hintergrund hält das ZL es für dringlicher denn je, weitergehende Maßnahmen zu ergreifen, um solche Zwischenfälle zu vermeiden, darunter zum Beispiel mehr Transparenz bei der Wirkstoffherstellung oder die Anwendung von unabhängigen Screeningverfahren durch die Hersteller der Fertigarzneimittel. 

Auch Schweizer Sartane sauber

Auch das das offizielle Swissmedic Labor OMCL (Official Medicines Control Laboratory) hat auf dem Schweizer Markt erhältliche Arzneimittel mit den Wirkstoffen Valsartan, Losartan, Olmesartan, Candesartan und Irbesartan bezüglich Verunreinigungen mit NDMA untersucht. Dabei kam es zu dem Schluss, dass diese hinsichtlich NDMA-Verunreinigungen den Anforderungen entsprechen. Aktuell prüft das OMCL Sartane auf mögliche Verunreinigungen mit NDEA. Erste Resultate werden noch im November 2018 erwartet, heißt es. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

NMDA?

von Dr. Perry Griffin am 13.11.2018 um 16:35 Uhr

"AUF VERUNREINIGUNGEN MIT NMDA/NDEA" Hier sollte es sicher "NDMA" heißen, da die Abkürzung NMDA für "N-Methyl-D-Aspartat" steht, einem Liganden des gleichnamigen Glutamat-Rezeptors. Als pharmazeutischer Chemiker mit ehemaliger Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet, sah ich mich gezwungen auf diesen häufigen Buchstabendreher aufmerksam zu machen. Diese beiden sehr ähnlich klingenden Abkürzungen sind natürlich dafür prädestiniert, miteinander verwechselt zu werden, wenngleich die chemische Struktur, die sich dahinter verbirgt, eine völlig andere darstellt. Dies wird erst klar, wenn die jeweilige Abkürzung explizit nomenklatorisch aufgeschlüsselt wird. Möglicherweise wäre zur klaren Abgrenzung zukünftig ein Hinweis auf das verwandte Kürzel NMDA inklusive Aufschlüsselung sinnvoll. Glücklicherweise kann im Zeitalter des Online-Publizierens eine Korrektur sehr unkompliziert vorgenommen werden.
Mit freundlichen Grüßen, Dr. Perry Griffin

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