Begrenzte Optionen

Welche Therapien gibt es für Kinder mit MS?

Stuttgart - 07.12.2018, 09:00 Uhr

3 bis 5 Prozent aller MS-Patienten erkranken im Kindes- oder Jugendalter, zugelassene therapeutische Optionen sind begrenzt. ( r / Foto: Africa Studio / stock.adobe.com)

3 bis 5 Prozent aller MS-Patienten erkranken im Kindes- oder Jugendalter, zugelassene therapeutische Optionen sind begrenzt. ( r / Foto: Africa Studio / stock.adobe.com)


Die Datenlage zu MS-Therapeutika bei Kindern

Für manche Arzneimittel gibt es trotz fehlender klinischer Studien dennoch retrospektive Analysen bei pädiatrischen MS-Patienten oder kleine Untersuchungen mit wenigen Patienten.

Alemtuzumab, Lemtrada®

Alemtuzumab (Lemtrada®) ist angezeigt zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose (RRMS) mit aktiver Erkrankung, definiert durch klinischen Befund oder Bildgebung. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Alemtuzumab bei Kindern und Jugendlichen (0 bis 18 Jahre) ist nicht belegt. Keine Daten gibt es für Patienten bis zehn Jahre. Auch hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA laut Lemtrada®-Fachinformation die „Freistellung von der Verpflichtung zur Vorlage von Ergebnissen zu Studien über die Anwendung von Alemtuzumab bei Kindern im Alter von der Geburt bis zu unter zehn Jahren zur Behandlung von MS gewährt.“ Alemtuzumab kann sowohl zur Therapie der milden als auch aktiven Verlaufsform einer RMS eingesetzt werden.

Cladribin, Mavenclad®

Cladribin (Mavenclad®) wird angewendet zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit hochaktiver schubförmiger Multipler Sklerose (MS), definiert durch klinische oder bildgebende Befunde. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Cladribin bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist nicht untersucht. Wie auch Alemtuzumab hat die Europäische Arzneimittel-Agentur Cladribin eine Freistellung von der Verpflichtung zur Vorlage von Studienergebnissen in allen pädiatrischen Altersklassen gewährt.

Natalizumab, Tysabri®

Natalizumab (Tysabri®) ist indiziert als krankheitsmodifizierende Monotherapie bei Erwachsenen mit hochaktiver, schubförmig remittierend verlaufender multipler Sklerose. Eine Meta-Analyse untersuchte Natalizumab auch an pädiatrischen Patienten. Es wurden Daten von 612 MS-Patienten (sieben bis 18 Jahre, Median 17) ausgewertet. Bei einer kleinen Subgruppe von Patienten lagen Daten zur jährlichen Schubrate (1,466) vor Gabe von Natalizumab vor. Natalizumab reduzierte die Schubrate auf 0,11). Die Auswertung der Meta-Daten gab keine neuen Sicherheitsbedenken. Eine gefürchtete Komplikation unter Natalizumab ist PML, diese wurde auch im pädiatrischen Kollektiv beobachtet. 

Ocrelizumab, Ocrevus®

Ocrelizumab (Ocrevus®) ist der neueste Sprößling im MS-Geschehen. Erst seit Januar 2018 hat der humanisierte CD-20-Antikörper die EU-Zulassung. Auch Ocrelizumab ist ausschließlich für Erwachsene indiziert – zur Behandlung der remittierend schubförmigen und der primär progredienten MS. Zur Sicherheit und Wirksamkeit von Ocrevus® bei Kindern und Jugendlichen liegen keine Daten vor. Die EMA hat hier ebenfalls gewährt, dass keine Ergebnisse zu Studien bei pädiatrischen Patienten vorgelegt werden müssen.

Dimethylfumarat, Tecfidera®

Dimethylfumarat (Tecfidera®) wird zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose angewendet. Biogen hat Dimethylfumarat in einer kleinen Studie (22 Probanden, offen, nicht-kontrolliert, 24 Wochen) an jugendlichen Patienten (13 bis 17 Jahre) untersucht. Die Jugendlichen erhielten 120 mg zweimal täglich für sieben Tage, anschließend 240 mg zweimal täglich. Das Sicherheitsprofil erschien ähnlich wie bei Erwachsenen. Die Leitlinie sieht Dimethylfumarat nur bei milden Verlaufsformen der MS. 

Glatirameracetet, Copaxone®

„Die Sicherheit und Wirksamkeit von Glatirameracetat bei Kindern und Jugendlichen ist nicht erwiesen. Die in begrenztem Umfang vorhandenen veröffentlichten Daten weisen jedoch darauf hin, dass das Sicherheitsprofil bei Jugendlichen von zwölf bis 18 Jahren, die täglich 20 mg subkutan erhalten, mit dem von Erwachsenen vergleichbar ist“, erklärt Teva.

Interferon-β, Rebif®

Auch bei Interferon-β schreibt die Fachinformation, dass keine klinischen Studien an Kindern und Jugendlichen durchgeführt wurden. Allerdings wurden Daten zu Rebif® in einer retrospektiven Kohortenstudie mit 52 Kindern und 255 Jugendlichen erhoben. Die Fachinformation schreibt: „Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass das Sicherheitsprofil bei Kindern (2 bis 11 Jahre alt) und Jugendlichen (12 bis 17 Jahre alt), die Rebif 22 Mikrogramm oder 44 Mikrogramm subkutan dreimal wöchentlich erhalten, dem Sicherheitsprofil von Erwachsenen ähnelt. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Rebif bei Kindern im Alter von weniger als 2 Jahren ist bisher noch nicht erwiesen. Rebif sollte in dieser Altersgruppe nicht angewendet werden.“ Interferone zählen zu den Basistherapeutika bei MS bei mildem / moderatem Verlauf.

Teriflunomid, Aubagio®

Teriflunomid wurde bislang auch noch nicht an Kindern oder Jugendlichen untersucht, so dass die Sicherheit und Wirksamkeit von Teriflunomid bei Kindern im Alter von zehn bis 18 Jahren nicht erwiesen ist. „Es gibt im Anwendungsgebiet Multiple Sklerose keinen relevanten Nutzen von Teriflunomid bei Kindern im Alter von 0 bis 10 Jahren. Es liegen keine Daten vor“, erklärt Sanofi Genzyme in der Fachinformation. Auch hier hat die EMA eine Freistellung von der Verpflichtung zur Vorlage von Ergebnissen zu Studien bei Kindern im Alter 0 bis 10 Jahren bei der Behandlung der Multiplen Sklerose gewährt. Die Leitlinie sieht Teriflunomid nur bei milden Verlaufsformen der MS. 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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