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11. Dezember 2018
Und dann war’s endlich soweit: Spahn kommt zur ABDA-Mitgliederversammlung uns schüttet seine Lösungsvorschläge für den Rx-Versandhandelskonflikt auf den Tisch des Hauses. Es war Erwartetes und obendrauf ein Knaller. Wie erwartet: Vom Rx-Versandhandelsverbot hält er rein gar nichts, aber den „Wildwest“ bei Rx-Boni aus dem Ausland will er begrenzen. DocMorris und allen ausländischen Versendern will er eine Boni-Obergrenze vorschreiben: Sie dürfen weiterhin Boni geben, aber nicht mehr als 2,50 Euro pro Rx-Arzneimittel. Die inländischen (Versand-)Apotheken dürfen dies natürlich nicht. Und der ausländische Rx-Versandmarkt darf bis zu 5 Prozent wachsen. Mein liebes Tagebuch, DocMorris küsst unserem Bundesgesundheitsminister die Füße! Es ist eine Lizenz zum Geld-Drucken. Und das Wundersame: Die Boni-Deckelung für ausländische Versender soll auf einmal europarechtlich machbar sein? Wie soll das bitte gehen? Ganz abgesehen davon, dass sich das unsere inländischen Versender nicht gefallen lassen wollen: Was ist mit der Inländerdiskriminierung? Dass uns das alles nicht wirklich gefallen kann, war dem Bundesgesundheitsminister wohl klar. Immerhin versucht er uns Vor-Ort-Apothekers einen Ausgleich für dieses Versandhandels-Konjunkturprogramm anzubieten. Und so hat er sich überlegt, die Notdienstpauschale zu verdoppeln, d. h. pro Nachtdienst soll die Apotheke künftig rund 550 Euro erhalten. Finanziert werden soll das durch eine Erhöhung des Festzuschlags von 16 auf 32 Cent pro Rx-Arzneimittel. Außerdem soll es 15 Mio. Euro mehr für die BtM-Doku geben. Und der Knaller: Es soll noch mehr Geld geben, allerdings nur für mehr Arbeit! Konkret: Spahn will mit 240 Mio. Euro pharmazeutische Dienstleistungen honorieren. Und woher kommt das Geld? Es soll ein weiterer Festzuschlag von 32 Cent aufs Apothekenhonorar pro Rx-Arzneimittel aufgeschlagen werden. Diese zusätzlichen Mittel soll dann die Apothekerschaft selbst an die Apotheken verteilen, die ihren Versicherten beispielsweise AMTS, Medikationsmanagement, Medikationsanalyse, u.ä. Leistungen anbieten. Super Taschenspielertrick, oder? Mehr Geld, aber nur für mehr Leistung. Und das Schärfste: Das wird uns generös als Ausgleich und Entgegenkommen für den Verlust des Rx-Versandverbots und der Gleichpreisigkeit untergejubelt. Starkes Stück, oder? Als weitere kleine Bonbons soll es irgendwie geartete Verbesserungen der Qualität des Versandhandels und des Botendienstes geben, den Erhalt der freien Apothekenwahl und die Einbindung der Arzneimittelpreisverordnung ins Sozialgesetzbuch, will heißen: Das Wirtschaftsministerium soll nicht mehr für unser Honorar zuständig sein. So, mein liebes Tagebuch, das ist in groben Zügen Spahns Angebot – ob das alles aber so durch das Gesetzgebungsverfahren läuft, ob das noch hier und da auseinander genommen und gekürzt wird, all das steht in den Sternen des weiten Weihnachtshimmels. Und die Frage steht im Raum: Wollen wir das überhaupt so? Wollen wir uns mit 360 Mio. Euro abspeisen lassen, wenn es auf der anderen Seite die Gleichpreisigkeit nicht mehr gibt und die ausländischen Versender mit Boni um sich werfen können?
Es ist ein mega-fieses Angebot, denn: Welche Alternativen haben wir überhaupt? Schmollend ablehnen und das Rx-Versandverbot fordern? Was soll dabei herauskommen? Eben, nichts. Hinzu kommt, dass schon jetzt Stimmen der politischen Oppositionsparteien laut werden, Spahn hätte vor dem Hintergrund des Honorargutachtens lieber die Vergütung der Apotheken gänzlich neu regeln sollen als einfach nur 360 Mio. Euro mehr auszugeben, wie die Grünen ätzen. Und die SPD will darauf achten, dass die Apotheker nicht beschenkt werden, Boni in Höhe von einem Euro für alle Apotheken zulassen und sogar das Apothekenhonorar reformieren. Mein liebes Tagebuch, das sieht nicht nach leichtem Durchmarsch von Spahns Plänen aus. Vermutlich werden noch Bild und Spiegel aufschreien, dass Spahn die Apotheker mit Geldgeschenken beruhigt.
Wie reagierte die ABDA darauf, als Spahn deutlich machte, er werde den Koalitionsvertrag brechen, er werde das Rx-Versandverbot nicht mehr verfolgen und obendrein noch die versprochene Gleichpreisigkeit aufgeben? ABDA-Präsident Schmidt meinte: „Es lohnt sich, dass wir uns mit diesem Angebot auseinandersetzen“. Ups, mein liebes Tagebuch, wir haben alles erwartet, nur das nicht. Alles, was unserer ABDA und uns zwei Jahre lang wichtig und heilig war, wird einfach für ein paar Euro vom Tisch gewischt. Mit Spahns Angebot ist die Gleichpreisigkeit Makulatur. Unter Strich ist Spahns Plan eine bodenlose Unverfrorenheit, wenn man uns das Rx-Versandverbot und die Gleichpreisigkeit so billig und fast zynisch abkaufen will. Letztlich weiß auch Schmidt, dass die Kammern und Verbände dem Vorschlag Spahns in der vorliegenden Fassung kaum zustimmen werden.
Mein liebes Tagebuch, die Zwickmühle, in der wir sind: Was haben wir, was bekommen wir, wenn wir Spahns Giftpillen ablehnen? Wohlwollend betrachtet, soweit das überhaupt noch geht: Die neue Komponente für pharmazeutische Dienstleistungen mit der Verteilung des Honorars in Apothekerhand könnte ein zukunftsweisender Ansatz sein. Und die Verdoppelung des Nachtdienstfonds lässt sich mitnehmen. Aber es bleibt das schier Unerträgliche: Wir Apotheker müssen mit dem unfairen Wettbewerb leben, dass die Preisbindung bei Rx-Arzneimitteln für ausländische Versender nicht gilt und so die Versender Boni geben dürfen und dass der Rx-Versandmarkt bis 5 Prozent wachsen darf. Außerdem besteht die ernste Gefahr, dass die Gleichpreisigkeit letztendlich auch in Deutschland gekippt wird. Mein liebes Tagebuch, Kammern und Verbände müssen sich nun bis zur nächsten ABDA-Mitgliederversammlung am 17. Januar ein Meinungsbild machen, wie sie mit dieser Kröte von Spahn umgehen wollen. Schlucken? Ausspucken? Oder Filetieren?
Vor diesem Hintergrund ist es äußerst bemerkenswert, dass erst in dieser Woche der Bundestag die Buchpreisbindung bestätigt hat. Schön und richtig. Aber sind Arzneimittel nicht genauso eine besondere Ware, deren einheitlicher Preis schützenswert ist? Wenn alle Fraktionen im Bundestag überzeugt sind, dass das Buch ein „identitätsstiftendes Kulturgut“ sei, so lässt sich doch ebenso sagen, dass das Arzneimittel ein gesundheitsstiftendes Kulturgut ist.
19 Kommentare
Warum Gleichpreisigkeit?
von Marcus Günther am 17.12.2018 um 10:02 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Warum Gleichpreisigkeit
von Anita Peter am 17.12.2018 um 10:16 Uhr
AW: Warum Gleichpreisigkeit
von Peter am 17.12.2018 um 14:51 Uhr
AW: Warum Gleichpreisigkeit?
von Marcus Günther am 17.12.2018 um 20:59 Uhr
Presse
von Torben Schreiner am 17.12.2018 um 6:47 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Presse
von Anita Peter am 17.12.2018 um 8:57 Uhr
Wofür stehen wir?
von Reinhard Rodiger am 16.12.2018 um 16:21 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Wo sind unsere Vorschläge?
von Kerstin Kemmritz am 16.12.2018 um 14:17 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Wo sind unsere Vorschläge
von Anita Peter am 16.12.2018 um 15:30 Uhr
AW: Im Verschwiegenen und Verborgenen?
von Christian Giese am 16.12.2018 um 17:17 Uhr
mein Fazit
von Karl Friedrich Müller am 16.12.2018 um 13:11 Uhr
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Wer hat die Wahl
von Thomas Kerlag am 16.12.2018 um 11:45 Uhr
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Keine Sorge ...
von Reinhard Herzog am 16.12.2018 um 11:28 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Versorgungsengpässe
von Torben Schreiner am 16.12.2018 um 14:46 Uhr
"34"
von Christian Giese am 16.12.2018 um 11:09 Uhr
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Von dieser Woche bleibt nur festzuhalten ...
von Christian Timme am 16.12.2018 um 9:14 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Wie geht es weiter?
von Ulrich Ströh am 16.12.2018 um 9:03 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Spahn
von Conny am 16.12.2018 um 8:42 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Spahn
von Anita Peter am 16.12.2018 um 8:12 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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