Südbayern

Wie geht es den Apotheken im Schneechaos-Gebiet?

Traunstein/Berlin - 16.01.2019, 07:00 Uhr

Neuer Aufgabenbereich: In den vergangenen Tagen mussten viele Apotheker in Südbayern durch das Schneechaos mit Einschränkungen leben. (m / Foto: dpa)

Neuer Aufgabenbereich: In den vergangenen Tagen mussten viele Apotheker in Südbayern durch das Schneechaos mit Einschränkungen leben. (m / Foto: dpa)


Seit Tagen herrscht in Südbayern das Schneechaos: Ganze Ortschaften sind von der Außenwelt abgeschnitten, die Verkehrslage aufgrund vieler Sperrungen ist unübersichtlich und Dächer drohen unter den Schneemassen einzustürzen. DAZ.online hat sich bei einigen Apotheken in der Region umgehört. Eine Apotheke musste zwischenzeitig wegen eines einsturzgefährdeten Daches evakuiert werden, einige Großhandelslieferungen fielen aus. Ansonsten mussten sich die Apotheker in den vergangenen Tagen im Schneeschippen üben.

Die heftigen Schneefälle in Südbayern halten nach wie vor die gesamte Region in Atem. In fünf bayerischen Landkreisen gilt nach wie vor der Katastrophenfall – und es soll weiter schneien in den meisten Gebieten. Betroffen sind insbesondere das Berchtesgadener Land, das Allgäu, der Landkreis Traunstein, Teile des Bayerischen Waldes sowie die unmittelbare Grenzregion zu Österreich rund um die Stadt Garmisch-Partenkirchen. Zwar soll sich der Schneefall in der Region vorerst verringern, gegen Ende der Woche könnten dann aber wieder größere Schneemengen dazukommen. Hinzu kommt, dass bei steigenden Temperaturen gewaltige Wassermassen abfließen müssen: Nach der Schneebelastung drohen dann Überschwemmungen.

Holzkirchen: Einkaufszentrum samt Apotheke musste evakuiert werden

Besonders hart traf es in den vergangenen Tagen die Gemeinden Holzkirchen und Miesbach. Medienberichten zufolge sollen mehr als 1.000 Helfer und auch Bundeswehr-Soldaten dabei geholfen haben, Dächer freizuräumen und Straßen zu räumen. Aus Sicherheitsgründen musste in Holzkirchen ein ganzes Einkaufszentrum gesperrt werden, weil das Dach einsturzgefährdet war. Auch die Apotheke im Einkaufszentrum musste am 11. Januar geräumt werden und konnte erst am heutigen Dienstag zur Mittagszeit wieder öffnen.

Eine Sprecherin der Apothekerkammer bestätigte gegenüber DAZ.online, dass die Apotheke evakuiert werden musste und man der Inhaberin eine vorübergehende Dienstbefreiung erteilt habe. Da es in Holzkirchen aber noch andere Apotheken gebe, sei die Versorgung zu jedem Zeitpunkt gewährleistet gewesen.

Miesbach: Apotheker hat Muskelkater

Und auch im benachbarten Miesbach war die Lage angespannt. Ein Apotheker aus Miesbach bestätigte, dass die Versorgungssituation im Ort teils „desolat“ gewesen sei. Der Grund dafür sei gewesen, dass viele der kleinen Straßen im Ort nicht oder nicht rechtzeitig geräumt werden konnten. „Wir haben richtig Muskelkater, da wir derzeit zwei bis drei Mal pro Tag raus müssen, um Schnee zu schippen. Manchmal halfen keine Schaufeln mehr, der Schnee war dann schon so schwer, dass wir die Schneefräse brauchten.“ Trotzdem seien die Belieferungen durch die Großhändler immer erfolgt, es habe aber Verspätungen gegeben, so der Apotheker. Nur eines habe sich spürbar geändert: „Wir haben viel weniger Kunden, die älteren Menschen trauen sich derzeit einfach nicht raus“, so der Pharmazeut. Er habe seine Botendienst-Tätigkeit daher ausgeweitet.

Großhändler kamen durch, Post teilweise nicht

In Mittenwald, das in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen und somit in unmittelbarer Nähe zu Österreich liegt, wurden die Apotheken nach ersten Informationen nicht eingeschränkt. Eine Apothekerin erklärte gegenüber DAZ.online, dass man zwar regelmäßig die Zufahrten zur Offizin freigeräumt habe. Dadurch dass Mittenwald direkt an der Bundesstraße 2 liegt, die in der Regel sehr schnell und zuverlässig vom Schnee befreit werde, seien die Lieferungen der Großhändler aber immer gut durchgekommen. Doch auch sie berichtete von deutlich geringeren Kundenzahlen.

Ingrid Stangl, Inhaberin der Pankratius-Apotheke in Reit im Winkl, erklärte: „Es war einiges schwierig und grenzwertig. Wir waren fast abgeschnitten. Denn aus Traunstein/Ruhpolding und Kössen kommt man kaum oder gar nicht durch; die Lieferungen der Großhändler kamen zu spät, aber ein Großhändler kam immer durch.“ Ihre Botendienste im Umkreis der Apotheke seien zu Fuß erledigt und das Flachdach vom Vermieter geräumt worden. Auch Stangl sagte: „Da die Zufahrt nach Reit im Winkl so schwierig ist und die Touristen fehlen, kommen kaum Kunden momentan, es ist sehr ruhig in der Apotheke.“ Stangl berichtete von noch einer Einschränkung, die insbesondere mit Blick auf den Arzneimittel-Versandhandel interessant ist: „Die Post kam übrigens teilweise gar nicht.“

Für vollkommen übertrieben hält Dieter Berneker, Inhaber der Grünstein-Apotheke in Schönau am Königssee, die Diskussion rund um das Schneechaos. „Das wird furchtbar dramatisiert, es gab Behinderungen, aber keine Probleme.“ Die Versorgung sei zu jeder Zeit gewährleistet gewesen. Denn: „Wenn Kunden nicht kommen können, da die Wege zu eng sind oder zu schlecht geräumt ist, fahren wir die Medikamente mit unserem Botendienst aus.“ Auch Berneker berichtet von verspäteten Lieferungen. Das passiere aber auch im Sommer, wenn die Autobahn urlaubsbedingt verstopft ist.

Und die Angestellten?

Einschränkungen beim Arbeitsweg, Urlaub wegen Apothekenschließung, Botendienste mit dem eigenen Auto. Die Apothekengewerkschaft Adexa hat in einer Übersicht alle Themen zusammengestellt, die für Apothekenangestellte relevant sein könnten.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Stärkt endlich den Einzelhandel und die Versorgung vor Ort !

von Dringlich am 16.01.2019 um 9:31 Uhr

Auch an diesem Beispiel sieht man, wie wichtig eine Versorgung vor Ort ist! Gemäß ApBetrO hat jede Apotheke den Bedarf für mindestens eine Woche vorrätig zu halten und versorgt somit die Bevölkerung sicher und zuverlässig vor Ort - auch dann noch, wenn das Lieferauto im Schnee feststeckt, im Krisenfall, bei Überflutungen, wenn Zufahrtsstraßen gesperrt sind u.s.w. - Politiker, handelt endlich im Sinne der Bevölkerung und stärkt die wohnortnahe Versorgung. Alles andere ist nicht nur aus umweltpolitischer Sicht unvertretbar. Wie man in Zeiten des globalen Klimawandels den Versandhandel über die Straße forcieren kann ist mir schleierhaft, zehn Paar Schuhe her, neun Paar Schuhe zurück, das gehört im Sinne der nachfolgenden Generationen verboten! Ein Unfug hoch drei...

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