27. NZW Hamburg

„Beim Thema Bottrop gibt es nur Verlierer“

Hambug - 29.01.2019, 09:00 Uhr

Apotheker stehen seit Bottrop unter Generalverdacht, meint Michael Marxen, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP). (m / Foto: Kunstzeug / stock.adobe.com)

Apotheker stehen seit Bottrop unter Generalverdacht, meint Michael Marxen, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP). (m / Foto: Kunstzeug / stock.adobe.com)


Marxen: Es gibt keine mächtigere Lobby als die der Krankenkassen

Profitieren würden nach Ansicht Marxens andere – Herstellkonzerne. „Wir wissen, dass es durchaus Unternehmen gibt, die von überzogenen Auflagen profitieren würden“, so diese Auflagen an die Zytostatikaherstellung von einer Apotheke vor Ort nicht mehr erfüllt werden könnten; beziehungsweise diese zusätzlichen Auflagen ohne Sicherheitsgewinn dem Patienteninteresse einer zeitnahen Versorgung zuwider arbeiteten.

Was haben Partikelzahlmessungen mit Bottrop zu tun?

Marxen formuliert bewusst überspitzt: „Wenn Sie sich dreimal umziehen und wenn Sie vier Partikelzahlmessungen lostreten müssen, dauert die Versorgung einfach länger." Derartige Aspekte, „die nichts mit dem Fall Bottrop zu tun haben, werden aber jetzt ganz konkret neu bewertet", so Marxen. Die Überlegung ist plausibel, so entstand der Bottroper-Zytoskandal aufgrund singulärer krimineller Energie, nicht, weil Qualitätsmängel im Labor vorlagen.

Diese Sorge der schlechteren Patientenversorgung trägt nicht nur der Apotheker – auch Onkologen sehen diese Gefahr. So erreichte die DGOP ein Schreiben von drei Onkologen. Auch die Fachärzte tragen offenbar Sorge, dass der Zug Richtung Überregulierung zu weit fahren könnte:


Die Zahl unserer Patienten, bei denen ganz kurzfristig Therapieentscheidungen, und die in einem engen Zeitfenster mit sogenannten Adhoc-Therapien versorgt werden müssen, nimmt ständig zu. Das ist sowohl dem medizinischen Fortschritt als auch den Wirtschaftlichkeitsvorgaben der Kostenträger geschuldet. Obwohl es bei uns niemals ein Qualitätsproblem  gab, scheinen die Zeitfenster der Versorgung unserer schwerkranken wartenden Krebspatienten aufgrund der neuerlichen behördlichen Auflagen und/ oder dem Wegbrechen einer flächendeckenden Versorgungsstruktur zu steigen. Ein solches Outcome externer Skandalvorgänge würde die Versorgung verschlechtern, statt optimieren.“

Brief der Onkologen


Nicht nur die Lobby der Apotheker sorgt sich also um die Patienten. Lobbyismus, ein Vorwurf, den sich Apotheker häufig gefallen lassen müssen. Jüngstes Beispiel lieferte die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche, die in Spahns Eckpunktepapier für den Apothekenmarkt die Krankenkassen zu wenig gefragt sah. 

Die Lobbyfrage sieht Marxen anders. Bereits beim letztjährigen NZW in Hamburg stellte er gemeinsam mit dem Medizinethiker Prof. Maio fest, dass wahrlich nicht die Apotheker, sondern die Kostenträger maximalen Einfluss im Gesundheitswesen nehmen: „Es gibt keine mächtigere Lobby als die der Krankenkassen, die per se als Gutmenschen dargestellt wird, die unsere Sozialversicherungsgelder verwalten, während die Leistungserbringer stets die Bösen sind. Es bleibt dennoch zu hoffen, mit den Kostenträgern endlich wieder zu einem partnerschaftlichen Miteinander zur optimalen Versorgung Schwerkranker mit individuellen Sterilrezepturen zu kommen.“



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.