Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

17.02.2019, 08:00 Uhr

Im Tagebuch dieser Woche: Die Gedanken von Monopolkommission-Chef Achim Wambach, Robert Habeck und NRW-Minister Laumann. ( r / Foto: DAZ)

Im Tagebuch dieser Woche: Die Gedanken von Monopolkommission-Chef Achim Wambach, Robert Habeck und NRW-Minister Laumann. ( r / Foto: DAZ)


Ein Aufreger, der seinesgleichen sucht: der Chef der Monopolkommission, Achim Wambach. Er scheint die Erdung verloren zu haben. Er will den Apothekenmarkt deregulieren. Was dadurch besser werden soll, ist ihm aber selbst nicht klar. Ein Erfreuer dagegen: der Chef der Grünen, Robert Habeck. Er will sich mit Internetkonzernen anlegen, sieht DocMorris kritisch und Vor-Ort-Apotheken benachteiligt gegenüber Arzneiversendern. Außerdem: Gezeter um das 1-Euro-Honorar für Impfstoffe und um die Verkomplizierung der Importförderung statt Abschaffung. Und während Securpharm durch Europa stolpert, glaubt Laumann ans Rx-Versandverbot. 

11. Februar 2019

Es müssen mühsame Verhandlungen zwischen dem Deutschen Apothekerverband und dem GKV-Spitzenverband gewesen sein, aber sie haben es geschafft: Ein neuer Rahmenvertrag (nach §129 SGB V), der die Arzneimittelversorgung in der GKV regelt, liegt vor. Inkrafttreten soll er voraussichtlich am 1. Juli 2019. DAZ-Wirtschaftsexperte Müller-Bohn hat sich den Vertrag mal angesehen. Sein erster Eindruck: Der Vertrag wirkt formal aufgeräumter und strukturierter. Es gibt Vereinfachungen und Klarstellungen, aber manches wurde auch komplizierter. Also, mein liebes Tagebuch, Rabattverträge haben immer Vorrang. Und die Nichtverfügbarkeit von Arzneimitteln soll sich künftig einfacher nachweisen lassen: Wenn beispielsweise zwei Verfügbarkeitsanfragen beim Großhandel negativ ausgehen, dann ist’s damit erledigt. Aber der neue Rahmenvertrag bringt auch Verschärfungen, vor allem für Generika, für die es keine Rabattverträge gibt. Da wird man sich ein wenig umstellen müssen. Ja, und dann sind weiterhin die Importe ein Riesenthema für die GKV, die nicht den Willen aufbrachte, auf diese Importzwangsförderung zu verzichten. Jeder Cent soll sichtlich mitgenommen werden und wenn es auch noch so kompliziert wird. Mein liebes Tagebuch, die neue Regelung wird nach meinem Gefühl undurchsichtiger. Für die neue Importquote wird in Zukunft nur noch der „importrelevante Markt“ betrachtet, für den ein „theoretischer Umsatz“ berechnet wird. Die neue Importquote wird  ein Verhältnis aus Einsparungen und Umsatz sein. Um diese neue Regelung beachten zu können, wird einige Programmierarbeit auf die Softwarehäuser zukommen. Und das alles für Einsparungen, die ökonomisch und ökologisch mehr als fragwürdig sind. Wenn man bedenkt, dass sogar Krankenkassenvorstände Sinn und Nutzen der Importbevorzugung angezweifelt haben, ist es umso unverständlicher, dass sich die Politik hier nicht deutlich für eine Abschaffung ausgesprochen hat. Und, mein liebes Tagebuch, wer muss die Programmierarbeit der Softwarehäuser und den Beschaffungsaufwand für diesen Importschwachsinn bezahlen? Richtig: wir Apothekers. Wo bleibt unsere Vergütung für diese Kosten? 

12. Februar 2019

Endlich ein „echter“ Grüner: Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.  Einer, der sich gegen die großen Internetkonzerne stemmt und die Macht der Großkonzerne mehr als kritisch sieht. Für Habeck muss die Politik sicherstellen, dass „Mensch-zu-Mensch-Beziehungen“ bei zunehmender Digitalisierung erhalten bleiben. Habeck will sich mit den Großen anlegen, er fragt, warum Amazon keine Steuern zahlt. Habeck setzt sich für eine Entflechtung der Internetkonzerne und eine striktere Besteuerung dieser Unternehmen ein. Während sich zum Beispiel die Grüne Kordula Schulz-Asche für ausländische Versender stark macht und ein Rx-Versandverbot kategorisch ablehnt, beäugt Habeck Versender wie DocMorris äußerst kritisch und beschwert sich über die Ungleichbehandlung von Vor-Ort-Apotheken gegenüber EU-Versendern. Mein liebes Tagebuch, bahnt sich da ein Umdenken bei den Grünen an? Während früher die Grüne Biggi Bender von Apothekenketten träumte, und während Schulz-Asche heute die Menschen zu den Versendern schickt, weiß Habeck um die Bedeutung des Vor-Ort-Handels. Ein Wunder ist das nicht: Der Grünen-Politiker ist in einer Apothekerfamilie aufgewachsen. Da sieht man mal, was es ausmacht, wenn man Hintergründe und Zusammenhänge besser kennengelernt hat. 


Eine Krankenkasse, die den Importirrsinn versteht und sich vehement dagegen ausspricht, ist die AOK Baden-Württemberg. Sie spricht sich auf ihrem Mediaportal erneut gegen die intransparenten Importwege von Arzneimitteln aus und setzt sich für die Abschaffung der Importquote ein. Die neue, vom Kabinett beschlossene Importregelung verringere auch den bürokratischen Aufwand in Apotheken nicht. Für die AOK Baden-Württemberg wäre daher das Sinnvollste, die Importquote zu streichen. Mein liebes Tagebuch, dem ist nichts hinzuzufügen.

13. Februar 2019

Arrogant und abgehoben, vollkommen ohne Bodenhaftung – mein liebes Tagebuch, so erscheint mir Achim Wambach, studierter Physiker, Mathematiker, Ökonom und Volkswirtschaftler und seit 2016 Chef der Monopolkommission. Zweifellos ein gescheiter Mann, aber wenn’s ums Gesundheitswesen und die Bedürfnisse der Menschen geht, dann fehlt die Erdung. Er sieht die Zukunft der Arzneimittelversorgung in einem deregulierten Apothekenmarkt. Es gebe keinen Grund für eine Rx-Preisbindung, sie schade nur, die Arzneimittelpreisverordnung gehöre abgeschafft. Da der gescheite Wambach wohl ahnt, dass sich mit seinem Modell möglicherweise Versorgungslücken durch wegfallende Apotheken ergeben könnten, schiebt er fröhlich nach: Ja, dann müsste man eben den Versandhandel mehr aktivieren, Pick-up-Stellen und Abgabeautomaten zulassen. Oder dispensierende Ärzte. Und wenn Patienten aufgrund seines  Preiswettbewerbs auf dem Land dann mehr zahlen sollen, meint Wambach zynisch: „Bevor gar keine Apotheke mehr da ist, nehme ich als Patient lieber den höheren Preis.“ Mein liebes Tagebuch, was sollte durch ein solches Wambach-System besser werden? 


Das Gezeter um die Preisbildung für Impfstoffe geht weiter. Die Große Koalition möchte z. B. bei Grippeimpfstoffen die Vergütung in Form von Festpreisen in die Arzneimittelpreisverordnung einführen. Der Entwurf: Ein Apotheker soll bei der Abgabe von saisonalen Grippeimpfstoffen an Ärzte höchstens einen Zuschlag von 1 Euro je Einzeldosis berechnen dürfen, höchstens allerdings 20 Euro pro Verordnungszeile. Also wenn der Arzt 200 Impfdosen auf dem Rezept verordnet, gibt’s nur 20 Euro. Begründung: Die Abgabe erfolgt nicht an Versicherte, sondern an Ärzte und somit entfällt die Beratungsleistung. Mein liebes Tagebuch, der Aufwand für Beschaffung, Lagerung, Kühlung, Kapitaleinsatz und allem, was damit zusammenhängt, soll nur noch ein Euro wert sein? Wenn es nicht ums Prinzip ginge, würde man am Liebsten sagen: Dann macht euren … doch alleine. Da kündigt uns Spahn mehr Geld für den Nachtdienst und die BtM-Doku an, außerdem will er unsere Dienstleistungen honorierungsfähig machen – und auf der anderen Seite werden uns mit solchen Impfstoff-Regelungen die kleinen Mehreinnahmen wieder genommen. Wir sind und bleiben die Gekniffenen. 

14. Februar 2019 

Interessante Statements waren in einer Diskussionsrunde auf einer Tagung des Handelsblatts zu hören. Beispiele: Traugott Ullrich, Geschäftsführer beim Unternehmen Dr. Willmar Schwabe, setzte sich dafür ein, dass die Gesundheitskompetenz der Patienten verbessert werde. Und er machte deutlich: „Ich stehe zum Distributionskanal Apotheke“, die flächendeckende Versorgung benötige ein menschliches Antlitz. Wie wahr, mein liebes Tagebuch. Auch für Martina Stamm-Fibich (SPD-Bundestagsfraktion) spielt die Apothekenberatung eine große Rolle. Ihr interessanter Vorschlag: Schon im Vorschul- oder Schulalter sollten Schulungen zur Gesundheitskompetenz und zur Bedeutung der Apotheken stattfinden: „So eine Schulung soll zum Beispiel vermitteln, dass der hinter dem Tresen mir nichts Böses will.“ Mein liebes Tagebuch, wäre schön, wenn das endlich in der Politik ankäme. Und dann gab’s auch kritische Stimmen auf der Handelsblatt-Tagung, ausgerechnet von einem Pharmazeuten, der bei der TK angestellt ist. Es sei aus seiner Sicht nicht richtig, wenn die Apotheker alleine darüber entscheiden wollten, welche pharmazeutischen Dienstleistungen honoriert werden sollen. Mein liebes Tagebuch, keine Sorge, das werden sie auch nicht können. Die Krönung war allerdings sein Literaturvorschlag für Apotheker: „Medikamente im Test“ von Stiftung Warentest. Hach, da hätten wir auch einen Literaturvorschlag für TK-Mitarbeiter: „Simplify your life“. 


Wie ist der Securpharm-Start in den Apotheken verlaufen? Na ja, glimpflich – im Großen und Ganzen scheint es gut gegangen zu sein, nur vereinzelt zeigten sich Probleme und nur für wenige war es eine einzige Katastrophe, so ein Stimmungsbild auf DAZ.online. Mein liebes Tagebuch, geholfen hat vermutlich auch, dass noch relativ wenige Packungen mit dem 2D-Code im Handel sind. Man wird sehen, wie sich Securpharm weiterentwickelt, wenn’s dann richtig ernst wird. Mein liebes Tagebuch, die Technik ist das eine, Zeit, Aufwand und Kosten der Apotheke für Securpharm das andere. Im Vorfeld war’s da erstaunlich ruhig zu dieser Frage. Jetzt, kurz nach dem Start, rumort’s bei diesem Thema. Jetzt, wo Software-Anbieter mit Extra-Gebühren überkommen, zum Teil neue Scanner gekauft werden müssen, wo die Kosten für das Sicherheitssystem-Zertifikat anfallen und die monatliche Nutzungsgebühr der ABDA-Tochter NGDA abgebucht wird. Jetzt, wo man merkt, dass die Umsetzung von Securpharm Zeit und Personaleinsatz kostet und Schulungen bezahlt werden müssen. Es rumort: Warum gibt’s für die Apotheken keine Aufwandsentschädigung vom Staat oder den Kassen, fragt z. B. der Verein Freie Apothekerschaft. Gute Frage, kommt aber ein bisschen spät, oder? Andererseits: War’s bei solchen Neuerungen nicht immer schon so? Was mussten wir in den vergangenen Jahre an Kosten tragen, die uns von Gesetzes wegen übergestülpt wurden, wie z. B. die Rabattverträge. Die Programmierung unserer Software ging zu unseren Lasten. In früheren Zeiten hatte unsere Berufsvertretung noch durchgesetzt, dass wir für Mehraufwand entschädigt werden, z. B. die Dokumentationsgebühr für BtM. Und heute?

15. Februar 2019

Wenn bei uns der Securpharm-Start als „holprig“ bezeichnet wird, dann muss man ihn in so manch anderem europäischen Land wohl als leicht chaotisch bezeichnen. In Frankreich beispielsweise steckt das System noch in echten Schwierigkeiten, ganz zu schweigen vom Brexit- England, wo noch nicht einmal die Hälfte der Apotheken an das Verifikationssystem angebunden sind. Und Österreich betrachtet den 9. Februar eh nicht als „harte Deadline“, sondern geht eher flexibel mit dem Einstieg um, man spricht von einer „Stabilisierungsphase“ – bitte gerne. Mein liebes Tagebuch, wenn man die Länderberichte liest, dann gehören wir hier wohl eher zu den Muster-Apothekern. 


Und zum Wochenausklang nochmal die Importförderklausel. Lars Nickel, Leiter der Abteilung Arzneimittel im Bundesgesundheitsministerium ließ wissen, dass beim Thema „Importförderung“ noch ein bisschen Musik drin“ sei. Keine vorschnelle Hoffnung, mein liebes Tagebuch, es geht nur um einen differenzierten Preisabstand zwischen Original und Import. Aber was ist mit einer gänzlichen Abschaffung? Immerhin hat sich der Bundesrat schon im Dezember für die Abschaffung der Importquote ausgesprochen. Was daraus wird, ist noch offen. Das ist doch auch ein bisschen Musik. 


Und weil’s so wunderschön ist: Das Verbot des Rx-Versandhandels, eigentlich von höchster Seite offiziell beerdigt, geistert immer noch durch die politischen Reihen. Dieses Mal kommt der Auferstehungsgesang von Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Noch vor wenigen Wochen meinte er zu diesem Thema: „Das bisschen Versandhandel, da besteht keine Gefahr.“ In dieser Woche erklärte er bei einem Treffen mit den Kammer- und Verbandsspitzen Engelen und Overwienig sowie Preis und Michels, dass er sich weiterhin für ein Rx-Versandverbot einsetzen werde. Mein liebes Tagebuch, fein, da kann man nichts dagegen haben, wenn man im Lauf der Zeit klüger wird. Aber diese Haltung ein bisschen heftiger und härter im Vorfeld, als Spahn noch nicht das Aus beschlossen hatte, wäre besser gewesen. Mein liebes Tagebuch, sei’s drum, seien wir nachsichtig. Immerhin ist Laumann einer, der die Vor-Ort-Apotheke unterstützt, der ihren Wert erkennt, der die „inhabergeführte Präsenzapotheke“ will – wenn er nur ein bisschen lauter sprechen würde.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Wieder einmal ...

von Gunnar Müller, Detmold am 17.02.2019 um 9:37 Uhr

Eine typische Apothekerwoche!
Mit Hoffnung-heischenden Höhen (Harbeck, Laumann…) und abgründigen Tiefen (Monopolkommission…), jeder Menge Ungereimtheiten (Importklausel, GKV – Liefervertrag …) – und immer, immer mehr Arbeit (...sekurPharm!):
Die Apothekenteams drehen weiter am Rad, sind am Anschlag – und versuchen trotzdem, den Kunden ein Lächeln abzugewinnen (Chapeau an beide! An das Team UND die Kunden).
Und während andere Berufsverbände in anderen Ländern sich richtigerweise Gedanken gemacht haben (Österreich!) oder machen (...konkret fürchten die französischen Apotheker, „dass sich das viele Scannen negativ auf die Apotheker-Patienten-Beziehung auswirken könnte, indem Patienten verunsichert werden könnten. Medienberichten zufolge fordern die Apotheker, dass Arbeitsabläufe verringert werden“), ignoriert die ABDA mit ihrer NGDA den (gesetzlich aufgezwungenen) Investitionsaufwand in den Apotheken von gut 40 Mio € und den laufenden Mehraufwand beim Mehrfach-Handling. Und meldet in bester ‚Wir-können-das‘-Manier aus politischen Gründen: „Klar!“…
Wie gut, dass es da die Freie Apothekerschaft gibt…!

Aufgrund unserer engen Kunden-Kontakte, ist für die Apotheker das lebenslange Lernen schon seit langem eine tagtäglich gelebte Praxis.
Wie?Was? lernt die ABDA? Und vor allem: Wann ?!

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