Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

24.02.2019, 08:00 Uhr

Die Stärke der Vor-Ort-Apotheken: Same Day Delivery, die Zustellung von Bestellungen am gleichen Tag – das schaffen die Versender nicht. (Foto: Andi Dalferth)

Die Stärke der Vor-Ort-Apotheken: Same Day Delivery, die Zustellung von Bestellungen am gleichen Tag – das schaffen die Versender nicht. (Foto: Andi Dalferth)


Totgesagte leben länger: Das Rx-Versandverbot feiert Wiederauferstehung, bei Unionspolitikern! Und ein junger Pharmaziestudent kämpft mit einer Social-Media-Kampagne dafür. Gegenwind für die Spahn-Pläne kommt vom BKK-Dachverband: Der Kassenverband will das Apothekenhonorar kappen und die Apotheke light auf dem Land einführen. Und Nordrheins Kammerpräsident will DocMorris aus der GKV-Versorgung kicken. Großes Thema auf dem Kooperationsgipfel: Wie bieten die Vor-Ort-Apotheken dem Versandhandel und Amazon die Stirn? Mit dem Zauberwort: Same Day Delivery – die Stärke der Präsenzapotheken. Aber da steht noch unsere verkrustete Unterscheidung zwischen Botendienst und Versand im Weg. 

18. Februar 2019

Späte Einsicht bei Unionspolitikern: Die Gleichpreisigkeit von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist ein grundlegender sozialrechtlicher Eckpfeiler, sie lässt sich nur durch ein Rx-Versandverbot erhalten – meint seit Kurzem der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, nachdem er Ende des vergangenen Jahres noch davon abgeraten hatte. Jetzt macht auf einmal auch Georg Kippels, Bundestagsabgeordneter aus dem Rhein-Erft-Kreis, mächtig Stimmung fürs Rx-Versandverbot, nachdem er noch vor einem Jahr den Apothekern empfohlen hatte, über Alternativen nachzudenken. Für ihn habe u. a. das Gutachten des Verfassungsrechtlers di Fabio den Ausschlag dafür gegeben, dass man wieder „zur harten Keule“ eines Versandverbots zurückkehren könne. Das Gutachten komme nämlich zu dem Schluss, dass es keine verfassungsrechtlichen Bedenken geben müsse. Außerdem seien nach Ansicht von Kippels die Spahnschen Pläne, vor allem die Rx-Boni, nicht zufriedenstellend. Und außerdem, so Kippels, gebe es in der AG Gesundheit der Unionsfraktion eine breite Mehrheit für das Rx-Versandverbot. Ach nee, mein liebes Tagebuch, vor Kurzem ist die gesamte Riege fast geschlossen umgekippt und auf einmal stehen sie wieder wie eine 1 hinter dem Rx-Versandverbot und halten es für die Zukunft der Apotheke. Welch ein Sinneswandel! Irgendwie erfreulich, aber möglicherweise zu spät. Hätten sie lieber auf das Hin-und-Her verzichtet und wären damals nicht so hasenfüßig umgekippt – vielleicht hätte Spahn nicht so viel Oberwasser bekommen, das Rx-Versandverbot fallen zu lassen. Und nun? Vermutlich hilft das alles nicht, denn der Koalitionspartner SPD wird auch jetzt nicht mitspielen. Und unsere ABDA hat sich vom Rx-Versandverbot bereits losgesagt und hat Euro-Zeichen in den Augen.  


Im Koalitionsvertrag steht er noch, der gemeinsame Wille der Groko, am Rx-Versandverbot festhalten zu wollen. Doch in der Realität scheint dieser Wille schon Schnee von gestern zu sein, nachdem Spahn von diesem Verbot absolut nichts hält und es nicht verfolgt. Dem 19-jährigen Benedikt Bühler, CDU-Mitglied und Pharmaziestudent aus Karlsruhe, gefällt das allerdings gar nicht. Er schrieb der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Brief, in dem er an die Umsetzung des Rx-Versandverbots erinnert. Die politischen Mehrheiten seien durch den Koalitionsvertrag gesichert, meint Bühler, außerdem stünden auch die Linke und die AfD hinter dem Verbot. Bühler spricht in seinem Brief an AKK auch Spahns Freundschaft zum DocMorris-Vorstand Max Müller an und regt an, Spahns Handeln vor dem Hintergrund der „alten Freundschaft zu Max Müller“ zu hinterfragen. Außerdem könne es nicht sein, so Bühler, dass sich Spahn über die eigene Partei und den Koalitionsvertrag hinwegsetze. Er, Bühler, wisse, dass er auf seine neue Bundesvorsitzende zählen könne. Mein liebes Tagebuch, seine Worte in AKKs Ohr.

19. Februar 2019

Der Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) gibt sich als ganz harter: In einem Beitrag des BKK-Magazins lassen zwei Mitarbeiterinnen dieses Dachverbands wissen, dass man Spahns Pläne zur Reform des Apothekenmarkts rundum ablehne. Mit den Vorschlägen des Bundesgesundheitsministers erhielten die Apotheken 530 Mio. Euro „aus der Gießkanne“ ohne neue Versorgungsleistungen von den Apotheken zu verlangen. Mein liebes Tagebuch, wie kommt die BKK auf diese Zahl? Spahn hatte seinerzeit nur 375 Mio. Euro zugesagt. Zudem fordert die BKK, dass das Apothekenhonorar nach dem Modell des 2hm-Gutachtens reformiert werden solle. Ja, und wenn Spahn die Apotheken schon zusätzlich mit Dienstleistungshonoraren beglücken will, dann müsste aber das Fixum auf 5,84 Euro abgesenkt werden, es sei eh zu hoch, meint dieser Kassenverband. Und das Rattenschärfste: Die Versorgung auf dem Land solle auch durch Apothekenbusse, Versandhandel und Automaten gestärkt werden, malt sich der BKK-Verband in bunten Farben aus. Das geht sogar soweit, dass es aus Sicht dieses Kassenverbands angebracht sei, Apothekengründungen in ländlichen Regionen zu deregulieren: Er kann sich Apotheken ohne Labor und Rezeptur auf dem Land vorstellen, die „Apotheke light“. Und ein Apotheker müsse in der Dorfapotheke auch nicht immer vor Ort sein, meinen die BKK-Mitarbeiterinnen sinngemäß in voller Naivität, es gebe ja schließlich Pharma-Hotlines und Video-Sprechstunden. Mein liebes Tagebuch, das wäre sogar die Apotheke „extra light“. Schmalspur-Pharmazie auf dem Land, Zwei-Klassen-Pharmazie – das ist die schöne neue Welt der BKK. Da wären BKK-Versicherte arm dran, wenn sie auf dem Dorf leben! Kann man das alles noch Ernst nehmen, mein liebes Tagebuch? Kann man nicht, mit so viel Humbug disqualifiziert sich der BKK-Dachverband selber.

20. Februar 2019

Der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) hatte wieder zum Kooperationsgipfel nach München geladen, mittlerweile schon zum elften Mal. Die Veranstaltung wies die rekordverdächtige Teilnehmerzahl von knapp 500 aus – allerdings kamen die meisten der Teilnehmer nicht aus Apotheken oder Kooperationen, sondern aus den Marketingetagen der Pharmaindustrie, von Pharma-Dienstleistern und Großhandlungen. Der Gipfel hat sich als Branchentreff am Jahresanfang einen guten Namen gemacht und bietet dem BVDAK-Vorsitzenden Stefan Hartmann eine Bühne, um Politik zu machen. Eine Politik, die in den Grundzügen durchaus im Konsens mit der ABDA-Politik liegt (pro inhabergeführte Apotheke, kein Fremd- und Mehrbesitz), aber sich in einigen Punkten auch deutlich ABDA-kritisch zeigt. Für Hartmann differenziert sich der Apothekenmarkt immer rascher, die Apothekenkooperationen sieht er als Treiber des wirtschaftlichen Erfolgs. Für ihn sind warenwirtschafts- und kooperationsübergreifende Lösungen wichtiger denn je. Sein Credo: Die Vernetzung der stationären Apotheken muss deutlich schneller vorangetrieben werden. Hartmann träumt von einer gemeinsamen App, die alle Apotheken nutzen, und von einer gemeinsamen digitalen Plattform. Und wovon er überzeugt ist: Die heilberufliche Zukunft des Apothekers wird mehr denn je politisch und betriebswirtschaftlich und durch die digitale Transformation entschieden. Wofür sich Hartmann auch einsetzt: die Liberalisierung des Botendienstes. Die ABDA zerbricht sich den Kopf über eine Abgrenzung zwischen Versandhandel und Botendienst – und vergisst den Kunden. Denn der will einfach nur schnell sein Arzneimittel – ob die Zustellung nun Botendienst oder DHL oder sonstwie heißt, ist ihm dabei herzlich egal. Mein liebes Tagebuch, da ist viel dran. Wir ärgern uns über die Versender und fürchten Amazon und vergessen dabei zu überlegen, was wir z. B. besser können als Amazon, nämlich schneller liefern als alle anderen. Unseren Wettbewerbsvorteil, vor Ort zu sein und eine Bestellung am gleichen Tag ausführen zu können, spielen wir nicht aus. 

Was unserer Standesvertretung auch anzukreiden ist: Das Digitale wurde lange, zu lange von der ABDA stiefkindlich behandelt. Digital vorauszudenken – das war und ist unserer Berufsvertretung nicht wirklich gegeben. Und heute stehen wir vor Riesenherausforderungen. Die Strukturen fürs E-Rezept zu schaffen, sind da noch nicht mal die Größten. 


Als Überraschungsgast hatte Hartmann den Noweda-Chef Michael Kuck zum Kooperationsgipfel eingeladen, der sich dort nicht unwohl zu fühlen schien: Ist doch die Noweda als Genossenschaft per se eine Ur-Kooperation, sie gehört den Mitgliedsapotheken. Und so stellte Kuck heraus, dass die Genossenschaft als Unternehmensmodell durchaus zeitgemäß sei: „Wir kämpfen für jede Apotheke.“ Thema war natürlich auch der „Zukunftspakt“, den Noweda und Burda geschlossen haben, um eine digitale Plattform für alle Apotheken aufzubauen und zu bewerben. Was Kuck herausstellte: Dieser Plattform könne jede Apotheke beitreten, auch wenn sie nicht Kunde der Noweda sei. Mein liebes Tagebuch, es gibt sie also, die digitalen Ansätze, mit denen man den Versendern die Stirn bieten kann. Und dass sogar noch eine weitere Plattform im Aufbau ist, initiiert von Gehe, Noventi, Rowa, Sanacorp und dem Verlag Wort&Bild, sieht Kuck sportlich: Konkurrenz schade nicht und Deutschland könne mit zwei großen Plattformen leben, meint er zuversichtlich. Entscheidend sei nicht die schönste App, sondern ob man genügend Reichweite bei Kunden und den Apotheken habe. Deswegen sei auch das Medien-Unternehmen Burda Media mit im Boot, „das weiß, wie Reichweite geht, auch außerhalb von Apotheken“, so Kuck. Mein liebes Tagebuch, solche Plattformen sind Hoffnungsschimmer im Existenzkampf der Vor-Ort-Apotheken gegen holländische Versender, Amazon und Co. Wenn sie rasch kommen, gut funktionieren und von den Kunden angenommen werden, können wir vieles viel besser. 


Viel besser als das Unternehmen Amazon, das sich in Deutschland recht schwer tut, einen Fuß in den Pharmamarkt zu bekommen. Am Fremd- und Mehrbesitzverbot kommt man eben doch nicht so leicht vorbei. Und so greift Amazon gerne zur ausgestreckten Hand von einigen Apothekern, die dem Logistiker helfen wollen, beim Arzneiversand mitzumischen. Auf dem Kooperationsgipfel durfte der Münchner Apotheker Michael Grintz von den Bienen-Apotheken seine seit 2016 bestehende Partnerschaft mit Amazon vorstellen. Seit 2017 ist er „Amazon Prime Now“-Partner, das heißt, er verpflichtet sich, bis 13 Uhr eingehende Bestellungen umgehend zusammenzustellen, um sie dann um 15 Uhr dem Amazon-Boten zur Auslieferung übergeben zu können. Um in der Amazon-Familie am Tisch sitzen zu dürfen, muss er natürlich einen Obulus an Amazon abdrücken, der sich auf 15 Prozent des Bruttoumsatzes beläuft. Grintz verriet natürlich nicht, wie viele Bestellungen er täglich hat, wie viel Umsatz er damit macht, aber er ließ wissen: „Was ich hier tue, ist kaufmännisch sinnvoll.“ Na denn. Insgesamt sollen laut Grintz in Deutschland etwa 70 bis 80 Apotheker auf dem Amazon-Marktplatz aktiv sein, aber nur wenige seien „Prime-Apotheken“. Grintzs Zukunftsprognose: Er geht nicht davon aus, dass Amazon in Deutschland über eine „eigene“ Apotheke aktiv wird, zumal es auch nicht erlaubt ist. Tendenz von Amazon sei es zudem, Umsätze über Partnerschaften mit Händlern zu generieren. 


Wie wichtig es ist, dass die Vor-Ort-Apotheke im Netz vertreten ist und sich als Vor-Ort-Einkaufsstätte, die auch nach Hause liefert, etabliert, zeigen die Zahlen der aktuellen Marktforschungsstatistik von IQVIA: Das OTC-Geschäft der Versender wächst und wächst. 2018 stieg der Umsatz mit rezeptfreien Arzneimitteln im Versandhandel um 8,1 Prozent. Schon heute sollen etwa 20 Prozent der OTC-Packungen über den Versandhandel laufen. Prognostiziert wird ein jährliches Wachstum in diesem Markt um 3 bis 6 Prozent. Mein liebes Tagebuch, das muss doch nicht sein, da wollen wir doch nicht tatenlos zusehen! Daher: Plattformen, wie sie derzeit im Entstehen sind, könnten uns Umsatz zurückbringen, vor allem, wenn wir es schaffen, mit Schnelligkeit zu punkten: Die Zustellung einer Bestellung am gleichen Tag – das schaffen die Versender aus Holland nicht. Und Amazon versucht sich daran in Zusammenarbeit mit Apotheken unter großem Aufwand. Es wird Zeit, dass die Plattformen kommen.  

21. Februar 2019

Unterstützung für einen Kampf pro Rx-Versandverbot kommt von der deutschsprachigen Fakultät für Pharmazie der Semmelweis-Uni aus Budapest. Initiator ist der Pharmaziestudent und CDU-Mitglied Benedikt Bühler, der mit seinen Kommilitonen nun eine Aktion „#MitUnsNicht – Ja! zum Rx-Versandverbot und aktiver Teilnahme an der Politik“ auf Facebook, Instagram und Twitter startet. In sozialen Netzwerken werben sie für eine rasche Umsetzung des Versandverbots. Ziel der Aktion: Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn solle endlich das im Koalitionsvertrag verankerte Rx-Versandverbot umsetzen. Bühler hat bereits einen Brief an die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer geschickt und deutlich gemacht, dass er mit ihrer Unterstützung für ein Rx-Versandverbot rechnet. Mein liebes Tagebuch, wunderbar, eine Aktion in den sozialen Medien kann heute mehr bewirken als endlose Debatten in Hinterzimmern. Schade, dass die Kampagne erst jetzt kommt, jetzt, wo die ABDA bereits Ja zum Verzicht aufs Versandverbot gesagt hat. 


Jetzt aber, ein neuer Vorstoß von Lutz Engelen, dem rührigen Präsidenten der Apothekerkammer Nordrhein. Er will, dass der niederländische Versender DocMorris von der GKV-Versorgung ausgeschlossen wird. Engelen ist überzeugt, dass der Rahmenvertrag zur Arzneimittelversorgung, den der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband geschlossen haben, das hergibt. Denn dort ist u. a. festgehalten, dass die deutschen Preisregelungen, also auch die Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, auch für ausländische Versender gelten, wenn sie Arzneimittel nach Deutschland liefern. Mein liebes Tagebuch, natürlich hat die Apothekerschaft in den vergangenen Jahren schon des öfteren den GKV-Spitzenverband darauf hingewiesen, dass der Rahmenvertrag Boni verbietet. Aber der GKV-Spitzenverband ließ die Apotheker abblitzen, er wolle DocMorris nicht sanktionieren. Starkes Stück, mein liebes Tagebuch, da hat der GKV-Spitzenverband zweierlei Recht eingeführt. Engelen will das nicht akzeptieren. Er will nun DocMorris aus dem Rahmenvertrag ausschließen lassen u. a. mit der Begründung, dass DocMorris ja gar keine öffentliche Präsenz-Apotheke betreibe, sondern nur ein Auslieferungslager im Industriegebiet von Heerlen. Laut Rahmenvertrag sei damit nicht die Voraussetzung gegeben, die Kassenpatienten mit Arzneimitteln zu beliefern. Laut Länderliste des Bundesgesundheitsministerium ist nämlich eine niederländische Versandapotheke nur dann mit unseren deutschen Standards vergleichbar und somit für den Versand nach Deutschland zulässig, wenn sie auch eine Präsenzapotheke unterhält. Engelen drängt nun Fritz Becker, den Chef des Deutschen Apothekerverbands, tätig zu werden. Mein liebes Tagebuch, ein netter Versuch, DocMorris rauszukicken. Mehr als kleine Nadelstiche werden das aber nicht sein. Ich bin mir sicher: Würde es tatsächlich zu ernsthaften Diskussionen hierüber kommen, würde DocMorris von heute auf morgen eine Präsenzapotheke hervorzaubern – unten, im Erdgeschoss seines Lagerhallen-Komplexes ist dafür mit Sicherheit noch Platz. 

22. Februar 2019 

Interessante Erkenntnisse zum Kundenverhalten lieferte Walter Pechmann vom Marktforschungsunterunternehmen GfK in seinem Vortrag auf dem Kooperationsgipfel. In Umfragen ging GfK der Frage nach, wie sich das Einkaufsverhalten (man spricht hier auch von der Customer Journey, von der „Kundenreise“) aufgrund des Versandhandels verändert – auch im Apothekenmarkt. Was sich deutlich zeigt: Die Kunden verändern ihr Einkaufsverhalten, für immer weniger Menschen sind Arzneimittel ein besonderes Gut. Und wann beziehen die Kunden eher ein Arzneimittel über den Versandhandel und wann besuchen sie eher die Vor-Ort-Apotheke? Das kommt auf den Sortimentsbereich ein, je nach Bedarf: Für den akuten Bedarf ist ganz klar die Präsenzapotheke die Einkaufsstätte der Wahl. Aber bei Produkten für den kurativen und präventiven Bereich und für Produkte zur Verbesserung der Lebensqualität tendieren die Einkäufe in Richtung Versandhandel. Laut Pechmann sind damit rund 62 Prozent des Absatzes der Vor-Ort-Apotheke gefährdet. Mein liebes Tagebuch, das lässt aufhorchen. Wie können die  Präsenzapotheken darauf reagieren? Dazu sollte man wissen: Die Themen Sicherheit, Zeit und Komfort schätzen die Kunden beim Arzneimittelkauf im Internet besonders, der Preis spielt dabei nicht die entscheidende Rolle, Hauptsache, man kann sich darauf verlassen, dass das richtige  Arzneimittel rasch nach Hause geliefert wird. Und genau hier könnte die Vor-Ort-Apotheke ansetzen und Wettbewerbsvorteile rausholen und dem Versandhandel den Markt streitig machen und Umsätze zurückholen: Das Zauberwort heißt same day delivery, die Zustellung der Bestellung am gleichen Tag. Das schafft der Arzneimittelversandhändler nicht. Also, mein liebes Tagebuch, dem Kunden ist es vollkommen egal, ob wir das Botendienst, Versand oder wie auch immer nennen. Wenn wir gegen den Versandhandel antreten, dann sollten wir uns dringend überlegen, wie wir von unseren verkrustet konstruierten Unterscheidungen hie Botendienst, dort Versand wegkommen. Wenn der Kunde ein Arzneimittel in der Apotheke bestellt, per Telefon oder im Online-Shop der Apotheke, dann sollten wir es rasch auf den Weg zum Kunden bringen, und zwar noch am selben Tag. Das ist unsere Stärke. Vielleicht muss dafür auch der eine oder andere Verordnungstext geändert werden. 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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6 Kommentare

Bringedienst: Aber bitte erst anschnallen....

von Gunnar Müller, Detmold am 24.02.2019 um 17:45 Uhr

... und er gehört bitte doch auch honoriert, oder?
Bin schon gespannt, ob und wenn ja - was die ABDA dafür fordert (oder hat sie auch dazu keinen Mumm?!).
Und:
Wer ordnet ggf. diesen Sofort-Bringedienst an bzw. stellt ein Erfordernis dafür (apothekerliche Dienstleistung) fest?
P. S. Theoretisch könnte natürlich auch der Versand durch Versender honoriert werden – wegen des zeitlichen Versatzes (2 Tage...) natürlich nicht in derselben Höhe!
Und bitte auch nicht vergessen: Die geringeren Stückkosten (keine Beratung wie in den Apotheken vor Ort) sowie die höheren EinkaufsRabatte (insbesondere bei den ausländischen Versendern!!) gehören natürlich beim Versender-Entgelt ausgepreist sprich: heruntergepreist!! Oder die Kassenabschläge werden entsprechend umverteilt (siehe den von uns vorgeschlagenen Plan C)!!

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AW: Bringedienst: Aber vorher bitte erst selbst abholen ...

von Christian Timme am 24.02.2019 um 21:36 Uhr

Das waren noch Zeiten ... nach unzähligen selbst gelesenen Yellowpress-Titeln beim Onkel Dr. auch noch Menschenschlangen vor der Apotheke ... der HV als letzte Bastion vor der Abgabe des Arzneimittels auf Rezept. Und jetzt ... UPS, DHL, Hermes etc. „die bringen’s“, sogar der Arzt kommt ... nur unsere „Apothekers“ haben „Blei“ in den Sohlen und warten darauf bis das „Honorar“ selbst kommt ...

Aktivitäten

von Dr.Diefenbach am 24.02.2019 um 13:11 Uhr

Was derzeit am Markt läuft,kann doch massiv zu GUNSTEN der Präsenzapotheke enden.Schade,dass es Einzelpersonen sind,die auf Missstände aufmerksam machen,die politischen Hintergrund haben.WIE kommt es sonst,dass Herr Spahn plötzlich still zu sein scheint?WIE begleitet eigentlich unsere Führung die Unternehmungen der Jungpharmazeuten,von denen offenbar einige nun selbst das Heft des Handelns übernommen haben?Es sieht halt SO aus,dass der Markt-vorbei an der ABDA-Spitze-seinen Weg suchte,in Teilen auch gefunden haben könnte(!).Somit,betrachtet man den Kooperationsgipfel,wird die ABDA in ihrer jetzigen Form immer mehr:ÜBERFLÜSSIG.-Dass übrigens Kosten im Gesundheitswesen keine Rolle spielen,politisch besehen,wird am Beispiel des EMA-Auszuges aus England deutlich:Man muss wohl einen Mietvertrag erfüllen,der noch eine zweistellige Zahl von Jahren läuft und für den weit über 500 Mio(!) Euro fällig werden-ohne offensichtlichen Gegennutzen.Das ist zwar eine ganz andere Ebene,es zeigt halt,WIE man mit Finanzen auch agiert.Dass dies letztlich wieder beim Steuerzahler hängen bleiben wird,auch über den Arzneimittelpreis ,ist klar.Und wir müssen weiterhin über Cents streiten...

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Staat im Staate,

von Christian Giese am 24.02.2019 um 11:09 Uhr

Je mehr die ABDA - Strukturen weiterhin schwächeln, umsomehr werden sich Genossenschaften, Wissenskooperationen, Plattformen u.ä. bilden.
Denn "Was mehr wird, wenn wir teilen", der Urgenossenschaftsgedanke, hat zumindest in der derzeit unsicheren Phase seinen starken Überlebensreiz.

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Wenn Tagebücher „aufhorchen“ ... und Apotheker weiter schlafen wollen ...

von Christian Timme am 24.02.2019 um 10:47 Uhr

„Die ABDA zerbricht sich den Kopf ...“ weil jahrelanges Nachdenken und Politisieren wenig verändert hat, dafür aber „immer mehr Raum“ benötigt wird ... und das für was?. Wann wird der erste GfK-Referent auf dem DAT sprechen und „unaussprechliche Fragen“ beantworten? ...

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Loslegen!

von Ulrich Ströh am 24.02.2019 um 9:05 Uhr

Da hatte Noweda- Chef Michael Kuck auf dem Kooperationsgipfel Recht:
Plattformen mit Reichweite (!) bei Kunden und Apotheken müssen schleunigst für Präsenzapotheken her.

Mindestens 8000 Apotheken sollten teilnehmen und zusätzlich muß ein starker Medienpartner für Reichweite dabei sein.

Und dann auch nachhaltig zügig loslegen! Ankündigen wird nicht reichen.

Kleinere Insellösungen werden erfolglos sein.

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