Interview Karl-Josef Laumann (CDU) – Teil 1

„Der Arzneimittel-Versandhandel birgt insgesamt Risiken“

Berlin - 28.02.2019, 07:00 Uhr

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärt im Interview mit DAZ.online seine Apothekenpolitik und seine Einstellung zum Arzneimittel-Versandhandel. (s / Foto: Jördis Zähring)

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärt im Interview mit DAZ.online seine Apothekenpolitik und seine Einstellung zum Arzneimittel-Versandhandel. (s / Foto: Jördis Zähring)


Mitte Februar traf sich Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) mit den vier Spitzen der NRW-Apothekerorganisationen. In einer Pressemitteilung erklärte der Minister anschließend, dass er das Rx-Versandverbot fordere – obwohl er den Einfluss des Versandhandels erst kurz zuvor verharmlost hatte. Im Interview mit DAZ.online erklärt der Minister seine Meinung zum Apothekenmarkt, stellt klar, dass er Risiken beim Versandhandel sieht und beleuchtet sein Verhältnis zu Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

DAZ.online: In einer Pressemitteilung der Apothekerkammern und -verbände haben Sie sich kürzlich für ein Rx-Versandverbot ausgesprochen. Warum ist das Verbot die beste Lösung?

Laumann: Gleiche Preise bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sind ein grundlegender sozialrechtlicher Eckpfeiler und wichtig für den Erhalt der flächendeckenden Arzneimittelversorgung. Nach dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 kann dies nur durch ein europarechtlich zulässiges Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel erreicht werden.

DAZ.online: Auf einer Veranstaltung in Berlin im November 2018 erklärten Sie, dass die Apotheker sich vor dem Versandhandel nicht fürchten müssten und dass das Verbot ohnehin vom Tisch sei. Warum haben Sie ihre Meinung geändert?

Laumann: Einspruch! Ich habe meine Meinung trotz gegenteiliger Medienberichte nicht geändert. Ich habe immer gesagt, dass ich ein Rx-Versandverbot für richtig halte – übrigens auch auf besagter Veranstaltung. Ich habe dort allerdings auch gesagt, dass ich derzeit keine politische Mehrheit für ein Rx-Versandverbot sehe.

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DAZ.online: Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgehalten, dass man sich für ein Rx-Versandverbot einsetzen will. Jens Spahn geht nun aber einen neuen, eigenen Weg. Wie kommentieren Sie es, dass Spahn den Koalitionsvertrag an dieser Stelle nicht umsetzen möchte?

Laumann: Als Gründe für die Abweichung vom Koalitionsvertrag wird eine etwaige Europarechtswidrigkeit des Versandverbots angeführt. Diese Auffassung teile ich nicht.

DAZ.online: Zu den Inhalten des Eckpunktepapiers von Jens Spahn: Wie kommentieren Sie seine Ideen? Wie beurteilen Sie beispielsweise die geplante teilweise Aufhebung der Rx-Preisbindung? Und wie kommentieren Sie die neuen Honorare für Apotheker, beispielsweise die neuen Dienstleistungshonorare?

Laumann: Meine Meinung zur Rx-Preisbindung kennen Sie. Die Übertragung weiterer Aufgaben an die öffentliche Apotheke und eine Stärkung sowie Honorierung der pharmazeutischen Leistungen begrüße ich ausdrücklich. Ich glaube sogar, dass die Apotheke vor Ort zukünftig eine noch größere Rolle in der wohnortnahen Versorgung der Patienten einnehmen muss. Im Übrigen sollte auch die sogenannte Präsenzapotheke die Chancen der Digitalisierung im Sinne ihrer Kunden nutzen.

Laumann: Spahn und ich wissen beide, wie wir denken

DAZ.online: In der Bundestagsfraktion der Union regt sich Widerstand gegen Spahns Kurs in der Apothekenpolitik. Haben Sie Verständnis für diese Abgeordneten?

Laumann: Ich würde hier eher von Debatten und Diskussionen sprechen. Und das ist doch gut. Politische Diskussionen – auch mit unterschiedlichen Standpunkten – sind ein zentraler Eckpfeiler unserer Demokratie. Ich glaube übrigens, dass Jens Spahn das genauso sieht.

DAZ.online: Haben Sie Hr. Spahn bereits selbst darauf hingewiesen, dass Sie anderer Meinung sind in Sachen Apothekenmarkt? Haben Sie ihm angekündigt, dass die NRW-Landesregierung einer Umsetzung seiner Apotheken-Pläne widersprechen wird?

Laumann: Jens Spahn und ich wissen beide, wie wir denken. Wir können uns da auch ganz offen austauschen – und oft sind wir einer Meinung.

„Ich schätze das Modell der inhabergeführten Apotheken“

DAZ.online: Direkt an der NRW-Landesgrenze und Staatsgrenze sitzen DocMorris und die Shop Apotheke. Wie beurteilen Sie das Geschäftsmodell der EU-Versender grundsätzlich? Ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass der Einfluss solcher multi-nationaler Konzerne auf die deutsche Gesundheitsversorgung wächst, ohne dass der Staat auf diese Unternehmen Zugriff hat?

Laumann: Das Modell des Arzneimittelversandhandels aus einigen EU-Mitgliedstaaten ist rechtlich zulässig. Der Versandhandel mit Arzneimitteln birgt jedoch insgesamt Risiken. Ich denke hier an die Versorgung mit zeitkritischen Arzneimitteln oder an den Erhalt der pharmazeutischen Qualität beim Transport. Wir stehen zudem vor der Herausforderung, die flächendeckende Arzneimittelversorgung auch im Notdienst sicherzustellen, ausländische Versandapotheken beteiligen sich nicht daran. Deutschland hat sich für das vom EuGH bestätigte Versorgungsmodell durch inhabergeführte Apotheken entschieden und dieses Modell schätze ich persönlich sehr.

DAZ.online: Erst vor etwa drei Jahren gab es in NRW immer wieder Fälle, bei denen Patienten von EU-Versendern in den Niederlanden Rezepturen verweigert wurden. Nach einer Beschwerde der Apotheker erklärte ihr Ministerium, dass die deutschen Versorgungsregeln für die Niederländer nicht gelten könnten. Wie beurteilen Sie diese Lage? Ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass die EU-Versender gewisse Versorgungsregeln nicht einhalten müssen, während deutsche Apotheken dazu verpflichtet sind?

Laumann: Das Apothekengesetz und die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen gelten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland und somit nur für deutsche Apotheken. Die Regelung der Arzneimittelversorgung ist Sache der Mitgliedsstaaten. Hier gibt es unterschiedliche Systeme in Europa. Ein Versandhandel aus einem EU-Mitgliedstaat ist im Übrigen nur zulässig, wenn das Recht des Mitgliedstaates dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Versandhandelsvorschriften entspricht. Und in Deutschland setzen wir auf eine Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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