Apotheken in Österreich 2018

Tolle Versorgung, knappe Kassen

Remagen - 08.03.2019, 10:15 Uhr

Während es in Österreichs Apotheken eigentlich gut läuft sollen die Kosten für Personal, Mieten und vor allem technische Ausstattung der Apotheken überproportional gestiegen sein. (m / Foto: Udo Kroener / stock.adobe.com)

Während es in Österreichs Apotheken eigentlich gut läuft sollen die Kosten für Personal, Mieten und vor allem technische Ausstattung der Apotheken überproportional gestiegen sein. (m / Foto: Udo Kroener / stock.adobe.com)


Der österreichische Apothekerverband hat die Bilanz seiner mehr als 1.400 Mitglieder für 2018 vorgelegt. „Stagnierende Wertschöpfung und steigende Ausgaben“, so das Fazit. Vor allem beim Notdienst fordern die Apotheker des Alpenlandes Entlastung.

„Das abgelaufene Jahr war für Österreichs Apotheker erneut sehr herausfordernd“, betont der Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes Jürgen Rehak in einer aktuellen Pressemitteilung. Stetig seien neue Aufgaben im Dienste der Gesundheit Österreichs hinzugekommen, ohne dass der Berufsstand für diese Mehrleistungen honoriert würde. Der Verband berichtet von rund 400.000 Kunden- und Patientenkontakten pro Tag in den 1.370 öffentlichen Apotheken des Landes. Statistisch gesehen besuche jeder Österreicher mindestens einmal im Monat eine Apotheke. Über 94 Prozent der Bevölkerung erreiche die nächste Apotheke in zehn Minuten. Damit sei die Versorgungsdichte auch im ländlichen Bereich ausgezeichnet.

Zwei Drittel Kassenumsatz

Durchschnittlich entfielen nach den Angaben der Interessenvertretung im letzten Jahr etwa zwei Drittel (67 Prozent) der Umsätze der österreichischen Apotheken auf die Abrechnungen mit den Krankenkassen. Der Umsatz mit Arzneimitteln auf Kassenrezept ist 2018 um 2,9 Prozent auf 2,876 Milliarden Euro (ohne Mehrwertsteuer) gestiegen. Die verbleibenden rund 33 Prozent des Umsatzes wurden mit Privatumsätzen erzielt. Diese entwickelten sich im OTC-Bereich nur leicht positiv (+2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und waren laut Verbandsangaben stark von saisonalen Einflüssen wie dem Verlauf der Grippewelle geprägt.  

Historischer Tiefstand

Gleichzeitig sollen die Kosten für Personal, Mieten und vor allem technische Ausstattung der Apotheken überproportional gestiegen sein. Dadurch habe sich die Ertragslage einmal mehr verschlechtert, so die Schlussfolgerung. Der Verband spricht bezüglich der Spanne von einem „historischen Tiefstand“ von 14,54 Prozent im abgelaufenen Jahr. 2014 habe sie noch bei 16,36 Prozent gelegen. Für die sinkende Wertschöpfung wird vor allem die Umsatzverschiebung in Richtung Arzneimittel mit niedrigen Spannen verantwortlich gemacht. Auch die gesetzlich verordnete sogenannte „Preisbremse“ bei Generika habe die Spannenentwicklung in 2018 stark negativ beeinflusst. Für 2019 würden die nächsten Kürzungen erwartet. Die damit verbundenen erheblichen Einbußen seien durch den Privatumsatz der Apotheken nicht zu kompensieren. „Kassenleistungen werden schon seit Jahren über den Privatumsatz mit rezeptfreien Medikamenten mitfinanziert“, kritisiert Verbandspräsident Rehak.

Vorreiter in Sachen Digitalisierung

Weitere finanzielle Belastungen der österreichischen Apotheken entstehen durch die Digitalisierung der Versorgung. Auf diesem Gebiet nimmt die Alpenrepublik eine Vorreiterrolle in Europa ein. Die elektronische Gesundheitsakte ELGA wird gerade flächendeckend eingeführt. In den Krankenanstalten ist sie bereits im Zieleinlauf. Auch die Patienten können dort Einsicht nehmen. Fast die Hälfte der Bevölkerung hat bereits Kontakt mit ihrer ELGA gehabt. 

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Die E-Medikation als individuelle Übersicht über die verordneten und in den Apotheken abgeholten Arzneimittel soll im September 2019 im ganzen Land funktionsfähig sein. Bis Ende Mai 2022 sollen Arzneimittel zu Lasten der Sozialversicherung in ganz Österreich nur noch via e-Rezept verordnet und elektronisch abgerechnet werden.

Kosten bleiben an den Apotheken hängen

Das erfordert auch in den Apotheken hohe Investitionen, die in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach nicht weniger werden. „Wir befürworten Innovationen und sehen es als umfassende Gesundheitsdienstleister Österreichs in unserer Verantwortung, nicht nur Medikamente auszugeben, sondern als kompetente Erstanlaufstelle für alle gesundheitlichen Probleme der Menschen zu fungieren – mit allen technischen Mitteln, die unsere Zeit zu bieten hat", bekräftigt Rehak. „Wir benötigen aber eine stärkere Honorierung dieser Leistungen durch den Staat, als das in der Vergangenheit der Fall war. Die digitale Transformation des Systems kann nicht allein von den Apothekern finanziert werden.“

Nachtdienste zurückfahren

Ein weiterer Dorn im Auge ist den Kollegen in Österreich die überbordende Belastung durch den Notdienst. Jede Nacht sowie an Wochenenden und Feiertagen leisten rund 250 Apotheken Bereitschaftsdienst. Wie ihre deutschen Kollegen wechseln sie sich dabei ab. Jede Apotheke kommt mehrmals im Monat dran. In kleineren Gemeinden müssen die Apotheken vor Ort mitunter jede Nacht erreichbar sein. 

„Dieser Bereitschaftsdienst kostet 33 Mio. Euro jährlich und wird von den Apotheken nahezu zur Gänze selbst finanziert“, erläutert Rehak. Er fordert nun mehr unternehmerische Freiheit bei der Entscheidung über die Nachdienst-Dichte. Ein Grund für seinen Unmut hat sich auch in anderen Ländern als Unsitte eingebürgert: „Leider wird der wichtige Apotheken-Notdienst in der Nacht häufig zum Late-Night-Shopping missbraucht”, führt der Verbandspräsident aus und berichtet aus eigener Erfahrung von „Taschentüchern durch die Nachtdienst-Klappe“, für ihn ein klarer Missbrauch der Dienstleistung. Außerdem zieht er den Vergleich zum Nachbarland Schweiz. In Zürich habe nach 22 Uhr eine Apotheke Bereitschaft für die gesamte Stadt, in Wien seien es 40. Rehak meint: „Das steht in keinem Verhältnis und ist für uns nicht mehr finanzierbar." Um zu sparen, schlägt er eine Reduzierung der Wiener Nachtapotheken im Bereitschaftsdienst nach 22 Uhr von 40 auf 15 vor.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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