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28. März 2019
Man nennt es Patellarsehnenreflex: Wenn der Onkel Doktor mit dem Hämmerchen aufs Knie schlägt, dann zuckt’s. Genauso zucken die Doktors, wenn irgendwer fordert, die Apotheker sollten auch die Grippespritze setzen dürfen. Jüngstes Zucken: Er, Spahn, wolle mit Apothekern drüber diskutieren, ob sie nicht gegen Grippe impfen sollen, sagte er auf dem Westfälisch-Lippischen Apothekertag. Und schon steht die Ärzteriege geschlossen unter ihrem Kopf Montgomery auf der Matte und poltert: Die Apotheker seien dazu niemals in der Lage und außerdem müssten die Ärzte dann das Dispensierrecht fordern. Mein liebes Tagebuch, wir kennen es. Und wir wissen, woher der Wind weht. Da sehen Ärzte eine Einmischung in ihr Hoheitsgebiet – und ihre Pfründe in Gefahr. Und daher stellen sie uns Apotheker auch schon mal ein bisschen doof hin: Das könnten wir nicht, dazu seien wir nicht ausgebildet und mit Crashkursen sei Impfen nicht erlernbar, heißt es sinngemäß. Welch ein Quatsch, mein liebes Tagebuch. Unsere Apothekerkollegen in den USA, Kanada, UK, Schweiz und Frankreich und wer weiß wo noch impfen schon lange erfolgreich gegen Grippe – mit dem Ergebnis, dass die Durchimpfung der Bevölkerung enorm gestiegen ist. Unsere Ärzte haben Angst, durch nichtärztliche Berufe substituiert zu werden. Kann man zunächst verstehen, aber diese Angst ist doch unbegründet, mein liebes Tagebuch. Unsere Ärzte sollten lieber froh sein, dass sie von diesen Bagatelltätigkeiten entlastet werden und sich Zeit für die wirklich wichtigen Diagnosen nehmen können. Aber vorerst sollten sie sich keine Sorgen machen, unsere ABDA ist da hasenfüßig, sie fürchtet den Konflikt und lässt sich durch Dispensierrechtforderungen einschüchtern. Die sollte man, mein liebes Tagebuch, wirklich gelassen sehen: Welcher Arzt möchte sich im Ernst mit der Arzneimittel-Beschaffungs-Lagerungs-Abgabe- und Dokumentations-Bürokratie samt Rabattverträgen und Retaxationen befassen!
Der Rechtsstreit um Gutscheine für Ofenkrusti, Wasserwecken und 1-Euro-Gutscheine ist immer noch nicht abgeschlossen. In der jüngsten Verhandlung ließ der Vorsitzende Richter des ersten Zivilsenats des Bundesgerichtshof (so weit nach oben ist dieser Zugabenstreit schon gekommen) durchblicken, dass sein Gericht wohl solche Gutscheine verbieten werde. Denn das widerspreche dem einheitlichen Apothekenabgabepreis. So weit so richtig, so weit so gut. Denn wie sieht es draußen aus, wenn wir für die Gleichpreisigkeit, für den Erhalt des einheitlichen Rx-Abgabepreises kämpfen wie eine Löwin für ihre Jungen, und dann einige Apothekers mit Gutscheinen für Wecken und sonst was diesen Kampf ins Lächerliche ziehen. Mein liebes Tagebuch, ganz so schwarz-weiß ist das aber alles nicht. Denn Apothekenzeitschriften, Kalender oder die Erstattung von Park- und Fahrtkosten für Patienten sind bekanntlich geduldet, was auch der Richter betonte – und das hat in der Regel einen höheren Wert als ein Gutschein für ein 30-Cent-Ofenkrusti. Letztlich gehe es wohl auch um die „Spürbarkeit“ von Zuwendungen. Mein liebes Tagebuch, ist schon alles irgendwie verquer. Das Schrägste hinter allem: Dass wir Apothekers überhaupt solche Zugaben machen. Hat schon mal jemand nach einer ärztlichen Sprechstunde vom Arzt einen Gutschein für ein Ofenkrusti bekommen? Bin gespannt, wie das Gericht letztendlich entscheiden wird.
Es ist deutlich zu spüren: Der Widerstand einiger Kammern und Verbände gegen die Apothekenreform-Pläne des Bundesgesundheitsministers nimmt zu. Sie wollen nicht, dass, wie von Spahn vorgesehen, das bisherige Boni-Verbot aus dem Arzneimittelgesetz gestrichen wird. Sie kritisieren auch, dass Privatversicherte von der Spahnschen Regelung gar nicht erfasst werden. Und überhaupt, so argumentieren einige ABDA-Mitglieder, habe man im Januar beschlossen, das man am Rx-Versandverbot festhalten wolle, wenn die Politik keine Maßnahmen ergreife, die aus Apothekersicht ausreichten, die Gleichpreisigkeit zu erhalten. Der bayerische Kammerpräsident Thomas Benkert beschwert sich in einem Brief an seine Mitglieder über den Umgang der ABDA mit dem Spahnschen Plan. Er fordert die Rückkehr zum Rx-Versandverbot ebenso wie Klaus Michels, der Chef des Apothekerverbands Westfalen-Lippe. Er geht nicht davon aus, dass ein Rx-Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch und im Rahmenvertrag eine ausreichend starke Wirkung habe. Denn schon heute könnten die Kassen DocMorris sanktionieren, aber sie tun es nicht, so Michels. Mein liebes Tagebuch, es sind Bedenken, die sehr ernst genommen werden müssen. Doch auf der Sitzung des ABDA-Gesamtvorstands konnten sich die Gegner nicht recht durchsetzen. Die Spitzen der 34 Kammern und Verbände einigten sich nun darauf: Wir gehen nicht auf Konfrontationskurs zu Spahn. Das heißt, die ABDA fordert nicht erneut das Rx-Versandverbot, aber erhebt durchaus neue Forderungen und Verbesserungsvorschläge. So soll die Formulierung des Rx-Boni-Verbots nachgebessert werden. Außerdem ist die ABDA mit den Plänen zum Botendienst nicht einverstanden und, ganz klar, die geplante Honorar-Umstellung fällt zu gering aus. Mein liebes Tagebuch, das sieht alles nicht nach easy going aus.
6 Kommentare
Die Meinung der Anderen
von Christian Giese am 01.04.2019 um 14:57 Uhr
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Und dennoch:
von Michael Mischer am 01.04.2019 um 9:51 Uhr
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Rücktritt
von Conny am 31.03.2019 um 12:20 Uhr
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AW: Rücktritt ...
von Christian Timme am 31.03.2019 um 15:40 Uhr
Bühler will “sehen“ ...
von Christian Timme am 31.03.2019 um 10:54 Uhr
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Ofenkrusti und Generationswechsel
von Ulrich Ströh am 31.03.2019 um 9:13 Uhr
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