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24. April 2019
Und überhaupt, die Versender sehen sich schon jetzt als Hauptprofiteure des E-Rezepts. Die mit dem Bundesverband der Versandapotheker „befreundete“ Marketingagentur Dr. Kaske hat schon mal eine Umfrage und Studie lanciert, mit der Pflöcke eingerammt werden sollen: Schaut her, so sehen die Auswirkungen der digitalen Verordnungen auf den Apothekenmarkt aus. Im schlimmsten Fall könnte die Apothekenzahl bis 2020 auf unter 12.000 sinken, u. a. deswegen, weil immer mehr Versicherte ihr E-Rezept direkt an Versender schicken (lassen). Das sieht die Marketingagentur übrigens als „vollen Erfolg“, wenn die Ärzte E-Rezepte „direkt an DocMorris, Shop Apotheke oder Amazon“ senden. Außerdem würden die digitalen „Vor-Ort-Konzepte“ nicht zünden, weil sich die Apotheker in „Grabenkämpfen“ verlieren, meint die Dr. Kaske-Agentur. Mein liebes Tagebuch, da wird mit Wunschvorstellungen Stimmung gemacht. Denn es ist und es soll verboten bleiben, dass Ärzte das E-Rezept direkt an eine Apotheke versenden. Und das soll so bleiben. Punkt.
Gegen Grippe impfende Apotheker – Spahn kann sie sich vorstellen, die Ärzte poltern dagegen, die ABDA hadert damit. Doch konkrete Prognosezahlen des Gesundheitsökonomen Professor May zeigen, dass es ökonomisch und für die Volksgesundheit sinnvoll sein könnte, wenn Apotheker die Grippeschutzimpfung setzen. Nach seinen Berechnungen erspart es der Volkswirtschaft Kosten in Höhe von rund 800 Mio. Euro, es gibt 900.000 weniger grippebedingte Krankheitsfälle und rund 40 Tote weniger. Belege für den Nutzen findet der Gesundheitsökonom in Ländern, in denen Apotheker bereits impfen dürfen, beispielsweise in England, Irland, Kanada, in der Schweiz. May ist überzeugt, die Menschen würden das Angebot der Apotheker annehmen, da es einen niedrigschwelligen Zugang für die Patienten bietet. Mein liebes Tagebuch, und mal jenseits aller Emotionen für und gegen das Impfen: Die Zahlen zeigen die immensen Vorteile. Lustig: mittlerweile haben sich sogar die Zahnärzte zu Wort gemeldet und meinen, wenn schon andere impfen dürften, dann wohl am ehesten sie. Ah ja, da haben sie wohl den fehlenden niedrigschwelligen Zugang zur Impfung vergessen…
Spahn will, so der Entwurf seines Apothekenreformgesetzes, das Rx-Boni-Verbot aus dem Arzneimittelgesetz streichen. Noch steht es im Arzneimittelgesetz: Der § 78 (Abs. 1, Satz 4) überträgt die Rx-Preisbindung auf die Versender und ist somit der EU ein Dorn im Auge ist. Denn das EuGH-Urteil besagt: EU-Versender müssen Rx-Boni anbieten dürfen. Der Paragraph 78 ist daher nicht mit EU-Recht kompatibel. Mit der Streichung dieses Paragraphs wäre das EU-Werk vollendet. Doch davon raten etliche Kammern und Verbänden ab, wie z. B. die Landesapothekerkammer Hessen. In einer Stellungnahme dazu warnt diese Kammer ausdrücklich davor, § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG zu streichen, zumal dazu auch noch vor dem Oberlandesgericht (OLG) München ein Verfahren anhängig ist. Dieses Verfahren könnte letztlich dazu führen, dass die vom EuGH vermissten Belege für ein neuerliches Verfahren in Luxemburg nachgereicht werden können, Belege, die deutlich machen, dass der einheitliche Apothekenabgabepreis für ausländische Versandapotheken geeignet und erforderlich ist, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Rx-Arzneimitteln sicherzustellen. Würde aber die Regelung im AMG gestrichen, hätte sich das Verfahren vor dem OLG erledigt. Und damit wäre eine große Chance vertan. Hinzukommt, auch darauf weist die hessische Kammer hin, dass die vom BMG geplante Alternative eines Boni-Verbots im SGB V nicht für Privatversicherte gelte. Also, mein liebes Tagebuch, demnach gibt es keine Alternative: § 78 muss bleiben – worauf wartet die ABDA?
7 Kommentare
UNgereimtheiten
von Dr.Diefenbach am 28.04.2019 um 23:07 Uhr
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Existenzgefährdung
von Reinhard Rodiger am 28.04.2019 um 13:56 Uhr
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ABDA gegen die eigenen Leute
von Karl Friedrich Müller am 28.04.2019 um 13:31 Uhr
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Gesamtsituation
von Conny am 28.04.2019 um 9:17 Uhr
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Pharmazeutische Dienstleistungen
von Anita Peter am 28.04.2019 um 9:04 Uhr
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Zweige aus Unna
von Ulrich Ströh am 28.04.2019 um 8:47 Uhr
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„Demokratie beinhaltet die Notwendigkeit, sich gelegentlich den Ansichten anderer Leute nicht zu beugen.“
von Christian Timme am 28.04.2019 um 8:30 Uhr
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