Facebook-live

Spahn: „Mir geht es um die Gleichpreisigkeit“

Berlin - 10.05.2019, 10:15 Uhr

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bekräftigte auf Facebook, dass es ihm um die Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit gehe. (j/ Screenshot: BMG / FB-live)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bekräftigte auf Facebook, dass es ihm um die Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit gehe. (j/ Screenshot: BMG / FB-live)


Apotheker und Rechtsexperten sorgen sich um die Zukunft der Rx-Preisbindung, denn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will das „alte“ Rx-Boni-Verbot aus dem Arzneimittelgesetz streichen. Der Minister selbst sieht das ganze Thema offenbar entspannt: In einer Facebook-Live-Diskussion sagte Spahn, dass es gerade das Ziel des Apotheken-Stärkungsgesetzes sei, die Gleichpreisigkeit wieder herzustellen. Dass mit seinem Plan Privatversicherte aus genau dieser Gleichpreisgkeit entlassen werden, erwähnte Spahn nicht.

Nach wie vor kämpfen die Apotheker um den Erhalt der „alten“ Rx-Preisbindung im Arzneimittelgesetz. Es geht um den Satz im Paragraf 78, den der EuGH in einem Urteil vom Oktober 2016 als rechtswidrig eingestuft hatte. Eigentlich findet er keine Anwendung mehr, denn DocMorris und Co. bieten seit dem Urteil Rx-Boni an. Trotzdem meinen renommierte Rechtsexperten wie Prof. Dr. Hilko Meyer und Dr. Elmar Mand: Fällt dieser Satz im AMG, fällt die gesamte Rx-Preisbindung Die Sorge dreht sich um die Privatversicherten: Denn die Idee des Ministeriums ist es, das Rx-Boni-Verbot im SGB V zu etablieren – PKV-Patienten wären davon nicht betroffen.

Immer weniger Hoffung

Die Hoffnung der Apotheker, den AMG-Satz zur Rx-Preisbindung zu erhalten, wird aber geringer. Denn die Apotheken-Experten der Großen Koalition, Michael Hennrich (CDU) und Edgar Franke (SPD), haben am vergangenen Mittwoch auf dem DAV-Wirtschaftsforum klargestellt, dass sie es sogar für „hochriskant“ halten, den Satz beizubehalten. Und auch das BMG will sich wohl nicht bewegen: Das Ministerium schrieb kürzlich einen Brief an die EU-Kommission, in dem die Streichung des AMG-Boni-Verbots angekündigt wurde. Dazu hieß es aus dem BMG: Man habe kein Verständnis für die Apotheker an dieser Stelle, schließlich werde der Satz seit dem EuGH-Urteil ohnehin nicht mehr angewendet.

Bei einer Facebook-Live-Diskussion wurde Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) von einem Zuschauer auf den aktuellen Stand im Gesetzgebungsverfahren zum Apotheken-Stärkungsgesetz angesprochen. In seinem Statement stellte der Minister klar, dass ihm die Gleichpreisigkeit wichtig sei. Dass die Privatversicherten bei seiner Lösung von der Gleichpreisigkeit ausgeklammert werden, ließ Spahn allerdings aus. Wörtlich sagte er: 


Ich habe vorgeschlagen, die fairen Wettbewerbsbedingungen zwischen Apotheken in Deutschland und Apotheken im europäischen Ausland, etwa in den Niederlanden, die nach Deutschland Arzneimittel versenden, wieder herzustellen. Nach dem EuGH-Urteil ist es ja heute so, dass die ausländischen Versender ihren Kunden einen Bonus geben dürfen. Und dieser Bonus wird dann auch genutzt, um neue Kunden zu gewinnen. Das dürfen und wollen deutsche Apotheken nicht. Das haben wir bewusst jetzt so geregelt, weil Arzneimittel ein besonderes Gut sind, deswegen ja eben auch nur durch die Apotheke abgegeben werden dürfen. Mir geht es darum, um es europarechtlich und auch politisch mehrheitsfähig zu machen, diese Gleichpreisigkeit wieder herzustellen. Das passiert, indem wir es im Sozialrecht regeln, also in einem Bereich, der eben nicht einer ist, wo Europa mitreden kann. Deswegen wollen wir die Gleichpreisigkeit im Sozialrecht zum Schutz der Vor-Ort-Apotheken wieder herstellen. Aber wir wollen eben endlich auch einmal zusätzliche Dienstleistungen in den Apotheken finanzieren. Was weiß ich, die Medikationsanalyse, mögliche Präventionsangebote. Wir wollen Modellprojekte machen für eine Grippeimpfung in den Apotheken, um die Ärzte zu entlasten.“

Minister Jens Spahn (CDU)


Spahn: Rx-Boni für Privatversicherte indirekt verbieten?

Vielleicht geht das BMG aber auch davon aus, dass das Rx-Boni-Verbot indirekt auch für den PKV-Bereich gelten kann. Bei einer Fragestunde im Bundestag verwies Spahn auf ein erstinstanzliches Urteil, das kürzlich ergangen ist. Wörtlich sagte der Minister dazu Anfang April:


Es liegt in der Natur der Sache, dass  eine sozialrechtliche Regelung, die wir im Sozialgesetzbuch verankern, nur gesetzlich Versicherte betrifft. Durch eine höchstrichterliche Entscheidung ist aber jüngst festgelegt worden (…) dass, wenn Privatversicherte von ihrer Apotheke einen Bonus erhalten, dieser bei der Erstattung durch die Privatversicherung abgezogen werden muss und nicht erstattet werden kann. Der Bonus muss ausdrücklich genannt und abgezogen werden, weil im Versicherungsvertrag mit dem privaten  Versicherungsunternehmen festgelegt ist, dass nur die tatsächlich entstandenen Kosten zu erstatten sind. So ist indirekt auch dieser Bereich geregelt.“

Minister Jens Spahn (CDU) im April im Bundestag


Welches Urteil der Minister meint, bleibt allerdings unklar. Wahrscheinlich ist, dass er sich auf eine (erstinstanzliche und nicht rechtskräftige) Entscheidung des Landgerichtes Stendal bezog, wonach DocMorris Privatpatienten keine Quittungen zur Vorlage bei ihrer Krankenversicherung ausstellen darf, sofern diese gewährte Boni verschweigen. Die Urteilsgründe stellen klar, dass der Versicherungsschutz der privaten Kasse sich nur auf die vom Versicherungsnehmer tatsächlich erbrachten Aufwendungen erstreckt. Die Versicherten müssen Boni also durchreichen – sie selbst dürfen sie nicht behalten. Das Urteil legt auch dar, dass DocMorris seine Kunden mit solchen Quittungen sogar zum Betrug ihrer Versicherung anstiften könnte – allerdings kam es im besagten Fall gar nicht zu einem Betrug, weil der Beleg nicht bei der Versicherung eingereicht wurde. Und eine versuchte Anstiftung zum Betrug ist nicht strafbar. Eine „höchstrichterliche“ Entscheidung, wie Spahn es darstellt, ist dieses Urteil jedenfalls nicht.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


4 Kommentare

Schutzheiliger der Auslandsversender und derer Finanzmogule

von Heiko Barz am 11.05.2019 um 11:59 Uhr

Die Sentenz aus Spahns Argumentationsreihe ist ganz einfach zu verstehen:
Das europarechtskonforme und juristisch einwandfreie
RxVV!!
Alle lang diskutierten und permanent überflüssig in die Länge gezogenen Beratungsrunden sind mit dem RxVV erledigt. Dieser gesundheitspolitische Grundsatz wurde von vornherein in 21 EURO-Ländern ohne jeden juristischen Belang der EURO „Granden“ festgelegt.
Aber das gummiartige in die Länge ziehen dieser eindeutigen Sachlage muß doch einen Grund haben.
Fakten zu schaffen (Lex DOMO) genauso wie die Verzögerung bei der Installierung des e-Rezept ( siehe: Oberhänsli ) ist doch sehr vordergründig und durchsichtig.
Diejenigen, die neben uns noch eindeutiger zu leiden haben ist die große Gemeinschaft der „unmündigen“ Patienten.
Dieser Zustand hat sich seit 2004 und der Einführung dieser unsäglichen Rabattverträge kontinuierlich verschlechtert und gipfelt nun erstmalig deutlich, auch medial hinterfragt, im Valsartan-Debakel. Da erwarten wir noch ganz andere Katastrophen aus hinterasiatischen Waschküchen.
Wir waren einmal deutlich an der Spitze der weltweiten Pharmazie. Na ja, das hat sich wohl auf Dauer erledigt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Profite sind wichtiger

von Jochen Ebel am 11.05.2019 um 7:52 Uhr

Spahn sind die Profite seines docMorris Freundes Müller eben wichtiger als das wirtschaftliche Überleben von 19.000 mittelständischen Unternehmen in Deutschland mit 160.000 Mitarbeitern. Wohnortnahe Arzneimittelversorgung, die überwacht wird, kommt in seiner abgehobenen Gedankenwelt nicht vor. Wer die noch wählt hat selber schuld.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

J€ns $pahns Gleichpreisigkeit ...

von Christian Timme am 11.05.2019 um 0:14 Uhr

Danke an CR31...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Spahn will

von Karl Friedrich Müller am 10.05.2019 um 17:20 Uhr

den Versand mit allem Mitteln fördern.
Politikersprech verfängt nicht. Alles schon widerlegt.
Spahn ist als Politiker nicht tragbar.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.