DAZ.online-Europawahl-Check (Teil 1)

Was sagen die Parteien zur Subsidiarität und zu den EU-Versendern?

Berlin - 17.05.2019, 17:50 Uhr

Am 26. Mai wird in Deutschland das neue EU-Parlament gewählt. DAZ.online hat alle Parteien nach den apothekenpolitischen Positionen befragt. (Foto: imago images / MiS)

Am 26. Mai wird in Deutschland das neue EU-Parlament gewählt. DAZ.online hat alle Parteien nach den apothekenpolitischen Positionen befragt. (Foto: imago images / MiS)


Am 26. Mai 2019 steht in Deutschland die Europawahl an. Gewählt wird ein neues Europäisches Parlament. Wie wichtig die politischen Entscheidungen auf europäischer Ebene auch für Apotheker sind, hat zum Beispiel das EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen der Rx-Preisbindung gezeigt. DAZ.online hat bei den größten Parteien die wichtigsten Positionen zur Apothekenpolitik erfragt. Im ersten Teil des Wahlchecks geht es um das Subsidiaritätsprinzip und das Geschäftsmodell der EU-Versender.

Die Europawahl findet zwischen dem 23. Und 26. Mai statt. Hierzulande werden die Wahlberechtigten am 26. Mai zur Wahlurne gebeten. Derzeit fasst das EU-Parlament 751 Abgeordnete, 96 davon kommen aus Deutschland. Die größten Fraktionen sind die EVP (Christdemokraten, hierzulande CDU/CSU, 216 Sitze), die S&D (Sozialdemokraten, hierzulande SPD, 185 Sitze), die EKR (Konservative, EU-Skeptiker, 77 Sitze), die ALDE (Liberale, hierzulande FDP, 69 Sitze) sowie die Grünen (hierzulande Grüne, 52 Sitze) und die GUE/NGL (hierzulande Linke, 52 Sitze). Außerdem gibt es noch die EFDD (Rechtspopulisten, EU-Skeptiker, hierzulande AfD, 42 Sitze) sowie die ENF (Rechtsextreme) und fraktionslose Abgeordnete.

Ähnlich wie beim deutschen Gesetzgebungsverfahren muss auch auf EU-Ebene das Parlament alle Gesetze beschließen. Allerdings hat das EU-Parlament kein Initiativrecht – es kann also nicht selbst Anträge einbringen. Nur die EU-Kommission hat dieses Initiativrecht inne. Eine weitere wichtige Aufgabe des Parlamentes ist die Wahl der gesamten EU-Kommission, also auch des Präsidenten. Das zeigt, wie wichtig die Europawahl auch für die Apotheker ist: Man denke nur an das EU-Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission seit Jahren gegen die Bundesrepublik wegen der Rx-Preisbindung betreibt.

EU-Verträge: Staaten können Gesundheitswesen für sich regeln

Eines der wichtigsten Themen für die Apotheker ist das Subsidiaritätsprinzip. In Artikel 168 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU heißt es dazu: „Bei der Tätigkeit der Union wird die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung gewahrt. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten umfasst die Verwaltung des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten Mittel.“ Viele Apotheker hinterfragen, warum sich die EU trotzdem immer wieder in die Regulierung der Freien Berufe und die Arzneimittelpreisgestaltung hierzulande einmischt.

Eine ebenso wichtige Rolle spielt für die Apotheker mit Blick auf die Europawahl das Thema freier Warenverkehr. Die EU-Kommission fordert die Deregulierung der Rx-Preisbindung, indem sie sich auf den EU-Binnenmarkt und den freien Warenverkehr bezieht – der EuGH entsprach in seinem Urteil dieser Sichtweise. Was wiegt nun schwerer? Der freie Binnenmarkt oder die Subsidiarität? DAZ.online hat bei den sechs größten deutschen Parteien zu ihren Positionen dazu und zum Geschäftsmodell der EU-Versender nachgefragt.

CDU/CSU

1) Sollten die Regelungen in den Apothekenmärkten aus Ihrer Sicht weiterhin in den Mitgliedstaaten, also nach dem Subsidiaritätsprinzip, festgelegt werden? Oder wäre eine Vereinheitlichung der Apothekenmärkte angebracht?

CDU und CSU halten daran fest, dass in der Europäischen Union die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung den Mitgliedstaaten obliegen. Dazu gehören auch Regelungen zur Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch Apotheken.

2) Sollten die EU-Mitgliedstaaten aus Ihrer Sicht die Arzneimittelpreise und die Apothekenvergütung selbst regeln dürfen oder nicht?

CDU und CSU wollen mit dem geplanten Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken die flächendeckende Arzneimittelversorgung insbesondere durch wohnortnahe Apotheken sicherstellen und die Bewahrung der Grundprinzipien des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung auch weiterhin gewährleisten. Um dies zu erreichen, wollen wir, dass die Einhaltung der Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung verpflichtender Bestandteil der Regelungen des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V wird. Auf diese Weise wird ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleistet. Die Ausgestaltung des nationalen Sozialversicherungssystems obliegt gemäß den europäischen Verträgen der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Durch die geplante Regelung in § 129 Absatz 2 SGB V wird von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht.

3) Die EU-Versender aus den Niederlanden versorgen fast ausschließlich deutsche Patienten. Deutsche Behörden haben keine Möglichkeit, die Unternehmen zu kontrollieren, um beispielsweise zu überprüfen, ob die Anforderungen zur Arzneimittelversorgung eingehalten werden. Sollte die Kontrolle und Überwachung von EU-Versandkonzernen in der Arzneimittelversorgung ggf. reformiert werden?

Die Kontrolle von Apotheken anderer EU-Mitgliedstaaten ist Sache der dortigen Behörden. In den Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes verbrachte Arzneimittel unterliegen der Überwachung durch die hiesigen Landesbehörden. Eine verbesserte Kooperation der zuständigen Behörden ist grundsätzlich wünschenswert.

4) Die großen EU-Versender verdienen ihr Geld fast ausschließlich in Deutschland. Sie zahlen hierzulande keine Unternehmenssteuer. Wie beurteilen Sie die Steuersituation großer Internet- und Versandkonzerne?

CDU und CSU setzen sich für eine faire Unternehmensbesteuerung ein. Es kann beispielsweise nicht sein, dass sich globale Konzerne durch geschickte Strategien um Steuerzahlungen drücken. Wir brauchen eine faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft. Dabei setzen wir uns in der EU und international weiterhin für abgestimmte Lösungen auf Basis einer virtuellen Betriebsstätte ein. Auch brauchen wir eine gemein- same Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, damit Unternehmen in Europa möglichst nach gleichen Regeln besteuert werden. Dabei müssen die Besonderheiten der deutschen Unternehmenslandschaft und -besteuerung angemessen berücksichtigt werden, um Wettbewerbsnachteile deutscher Unternehmen zu vermeiden. Wir wollen auch den Umsatzsteuerbetrug weiter eindämmen und Steuerschlupflöcher schließen.

SPD

1) Sollten die Regelungen in den Apothekenmärkten aus Ihrer Sicht weiterhin in den Mitgliedstaaten, also nach dem Subsidiaritätsprinzip, festgelegt werden? Oder wäre eine Vereinheitlichung der Apothekenmärkte angebracht?

Derzeitig ist eine Vereinheitlichung der Apothekermärkte in weiter Ferne, da gemäß Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Politik der Union lediglich die der Mitgliedstaaten ergänzt. Wir Sozialdemokraten setzten uns dennoch für hohe Standards in der Gesundheitspolitik und ein transparentes System ein, in dem die Bürgerinnen und Bürger so gut wie möglich informiert und versorgt werden. Wir wollen, dass auf lange Sicht alle europäischen Bürgerinnen und Bürger den gleichen Zugang zu qualitativ hochwertigen und bezahlbaren Gesundheitsleistungen haben.

2) Sollten die EU-Mitgliedstaaten aus Ihrer Sicht die Arzneimittelpreise und die Apothekenvergütung selbst regeln dürfen oder nicht?

Für die Gleichpreisigkeit von verschreibungspflichtigen Arzneimittel ist die Bundesebene zuständig. Mit Blick auf die aktuellen Diskussionen, besonders in Bezug auf Versandapotheken, ist zu betonen, dass die SPD-Bundestagsfraktion bspw. ein Verbot des Versandhandels ablehnt. Ein Verbot ist keine Lösung für die Herausforderungen der Gesundheitsversorgung sowohl in Ballungsgebieten als auch auf dem Land. Wir brauchen beides: Lebens- und leistungsfähige Apotheken ebenso wie einen Versandhandel für diejenigen Patientinnen und Patienten, die einen langen oder zu beschwerlichen Weg bis zur nächsten Apotheke haben oder die auf Rezepturen durch Spezialversender angewiesen sind. Beides ist aus unserer Sicht miteinander in Einklang zu bringen. In der AMPreisV ist geregelt, dass es eine bundeseinheitliche Preisbindung für Medikament, die vom Arzt verschrieben werden, gibt. Einheitliche Preise für Leistungen sind ebenfalls im Grundprinzip der Gesetzlichen Krankenkassen verankert. Hieraus ergeben sich Vorteile sowohl für die Patientinnen und Patienten. Jeder kann sich sicher sein, für sein Medikament den gleichen Preis zu zahlen. Eine Anpassung der Arzneimittelpreise auf europäischer Ebene widerspricht derzeitig Artikel 168 AEUV. Auf langer Sicht sind einheitliche Preise innerhalb des Binnenmarktes wünschenswert. So wird allen Bürgerinnen und Bürgern der gleiche Zugang zu Medikamenten gewährt.

3) Die EU-Versender aus den Niederlanden versorgen fast ausschließlich deutsche Patienten. Deutsche Behörden haben keine Möglichkeit, die Unternehmen zu kontrollieren, um beispielsweise zu überprüfen, ob die Anforderungen zur Arzneimittelversorgung eingehalten werden. Sollte die Kontrolle und Überwachung von EU-Versandkonzernen in der Arzneimittelversorgung ggf. reformiert werden?

Das System zur Regulierung von Arzneimitteln in Europa ist weltweit einzigartig. Es basiert auf einem eng koordinierten Regulierungsnetzwerk der zuständigen nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), dass mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und der Europäischen Kommission zusammenarbeitet. So hat die Sicherheit von Arzneimitteln für die EMA, die Europäische Kommission und das Netzwerk der zuständigen nationalen Behörden immer höchste Priorität. Durch die enge Zusammenarbeit stellt dieses Netzwerk sicher, dass sichere, wirksame und qualitativ hochwertige Arzneimittel in der gesamten EU zugelassen werden und dass Patientinnen und Patienten, Angehörige der Gesundheitsberufe und Bürgerinnern und Bürger angemessene und konsistente Informationen über Arzneimittel erhalten. Bereits seit 2015 ist ein einheitliches Logo für Online-Apotheken innerhalb der EU Pflicht. Arzneimittel, die auf dem europäischen Markt vertrieben werden, werden streng überprüft. Klinische Studien werden durchgeführt, um Arzneimittel auf Sicherheit und Wirksamkeit beim Menschen zu testen. Diese werden von den Arzneimittelentwicklern durchgeführt und unterliegen den spezifischen EU-Rechtsvorschriften für klinische Prüfungen und internationalen Standards. Da innerhalb der EU die gleichen Standards gelten, sehen wir zum derzeitigen auf europäischer Ebene keinen Handlungsbedarf. Selbstverständlich muss die Sicherheit und Qualität von Arzneimitteln einer ständigen Überprüfung unterliegen.

4) Die großen EU-Versender verdienen ihr Geld fast ausschließlich in Deutschland. Sie zahlen hierzulande keine Unternehmenssteuer. Wie beurteilen Sie die Steuersituation großer Internet- und Versandkonzerne?

Es ist ein gesellschaftspolitischer Skandal, dass sich vor allem die Internetgiganten noch immer einer gerechten Besteuerung weitgehend entziehen. Auch die digitalen Unternehmen müssen ihren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Diese sind weltweit aktiv und verschieben ihre Gewinne häufig in Niedrigsteuerländer. Das wollen wir beenden und bis Ende 2020 eine globale Mindestbesteuerung einführen. Gleichzeitig treiben wir eine europäische Lösung voran – für den Fall, dass die internationale Lösung nicht zu erreichen ist. Den gemeinsamen deutsch-französischen Vorschlag für eine Besteuerung der digitalen Wirtschaft ab dem 1. Januar 2021 wollen wir zügig in Europa umsetzen.

Grüne

1) Sollten die Regelungen in den Apothekenmärkten aus Ihrer Sicht weiterhin in den Mitgliedstaaten, also nach dem Subsidiaritätsprinzip, festgelegt werden? Oder wäre eine Vereinheitlichung der Apothekenmärkte angebracht?

Die Gesundheitssysteme in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind sowohl was die Finanzierung als auch was die Strukturen betrifft, sehr unterschiedlich. Vor diesem Hintergrund halten wir daran fest, dass die Mitgliedstaaten selbst über die Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung entscheiden. Wir meinen, dass alle Menschen in der Europäischen Union Zugang zu guter Versorgung haben müssen. Der Artikel 168 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährt den Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung. Davon unberührt bleibt, dass die europäischen Grundfreiheiten, wie beispielsweise der freie Warenverkehr innerhalb der EU, in allen Lebenswelten und Politikfeldern garantiert sind. Der Artikel 168 ist nicht dazu da, einzelnen Teilnehmern auf dem Apothekenmarkt einen Vorteil zu verschaffen oder in Deutschland seit Jahren etablierte und aus Sicht der Patient*innen nützliche Versorgungsstrukturen wie den Versandhandel wieder zu verdrängen.

2) Sollten die EU-Mitgliedstaaten aus Ihrer Sicht die Arzneimittelpreise und die Apothekenvergütung selbst regeln dürfen oder nicht?

Die Mitgliedstaaten bestimmen schon heute aus gesundheitspolitischer Perspektive über die Höhe der von den nationalen Gesundheitssystemen erstatteten Arzneimittelkosten. Das ist angesichts unterschiedlicher Finanzierungssysteme für die Gesundheitsversorgung auch richtig. Auch die Höhe der an die Apotheken gezahlten Vergütungen wird durch die Mitgliedstaaten festgelegt. Daran wollen wir festhalten. Der EuGH hat entschieden, dass durch die Preisbindung und dem damit bestehenden Wettbewerbsverbot zwischen Apotheken, ausländische Versandapotheken gegenüber inländischen Filialapotheken ungerechtfertigt benachteiligt werden. In der Beziehung zwischen Apotheken und Kund*innen dürfen ausländische Versandapotheken seit dem von inländischen Preisvorgaben abweichen. Der EuGH begründet dies mit dem Grundrecht der Warenverkehrsfreiheit. Dies ist zu akzeptieren. Aus unserer Sicht kommt es nun darauf an, den Preiswettbewerb auf ein vertretbares Maß zu begrenzen und auf diese Weise auch einen mit Nachteilen für die Apotheken sowie die Patient*innen verbundenen unbegrenzten Preiswettbewerb zu verhindern. Wichtig erscheint uns, den pharmazeutischen Beruf insgesamt zu stärken und aufzuwerten. Gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels wird die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung wachsen. Wir sprechen uns daher auf nationaler Ebene für eine Reform der Apothekenvergütung mit dem Ziel eines eigenständigen Honorarsystems aus. Dabei wollen wir den Stellenwert der pharmakologischen Beratung stärken.

3) Die EU-Versender aus den Niederlanden versorgen fast ausschließlich deutsche Patienten. Deutsche Behörden haben keine Möglichkeit, die Unternehmen zu kontrollieren, um beispielsweise zu überprüfen, ob die Anforderungen zur Arzneimittelversorgung eingehalten werden. Sollte die Kontrolle und Überwachung von EU-Versandkonzernen in der Arzneimittelversorgung ggf. reformiert werden?

Es dürfen nur diejenigen Versandapotheken legal nach Deutschland liefern, deren nationale Regelungen mindestens denen in Deutschland gleichen. Für welche europäischen Mitgliedstaaten dies zutrifft, prüft das Bundesgesundheitsministerium. Auf Grundlage dieser jeweiligen durch das Bundesgesundheitsministerium geprüften nationalen Regelungen, die beispielsweise bei der Transparenz mitunter sogar über das deutsche Niveau hinausgehen, überwachen die jeweiligen nationalen Behörden den Markt.

4) Die großen EU-Versender verdienen ihr Geld fast ausschließlich in Deutschland. Sie zahlen hierzulande keine Unternehmenssteuer. Wie beurteilen Sie die Steuersituation großer Internet- und Versandkonzerne?

Wir sind unabhängig von der Frage, ob die ausländischen Versandapotheken tatsächlich Steuervorteile genießen oder nicht der Auffassung, dass der Kampf gegen Steuerdumping und aggressive Steuervermeidung in Europa entschiedener als bisher fortgeführt werden muss. Umfassende Transparenzpflichten, insbesondere eine öffentliche länderbezogene Offenlegungspflicht für multinationale Unternehmen, sind dabei von zentraler Bedeutung. Zudem wollen wir eine einheitliche, verbindliche Mindestbesteuerung von Unternehmen in der EU. Unser langfristiges Ziel ist eine echte EU-weite Unternehmenssteuer, die in den EU-Haushalt fließt.

Linke

1) Sollten die Regelungen in den Apothekenmärkten aus Ihrer Sicht weiterhin in den Mitgliedstaaten, also nach dem Subsidiaritätsprinzip, festgelegt werden? Oder wäre eine Vereinheitlichung der Apothekenmärkte angebracht?

In vielen Staaten, die den Weg der Deregulierung gegangen sind, lassen sich negative Auswirkungen für die Qualität und die Sicherheit der Versorgung beobachten. Von der EU-Kommission wäre zu erwarten, dass sie einen solchen Weg für die ganze EU vorschlägt, sodass wir auch bei dem konkreten Thema eine klare Absage erteilen.

2) Sollten die EU-Mitgliedstaaten aus Ihrer Sicht die Arzneimittelpreise und die Apothekenvergütung selbst regeln dürfen oder nicht?

Pharmakonzerne verkaufen Medikamente zu willkürlich festgelegten Preisen, die sich je nach Land stark unterscheiden – die Patient*innen sind dem ausgeliefert. Wir wollen Medikamentenpreise regulieren und die Möglichkeit zum Gebrauch von Generika erweitern: Wir brauchen eine europaweite Preisbindung und eine EU-Notstandsverordnung für Generika.

Die Regulierung des Arzneimittelmarktes, insbesondere der Zulassung, liegt momentan bei der EU. Das zeigt, dass hier bereits der wirtschaftspolitische Blick dominiert. So verwundert es nicht, dass es Bestrebungen gibt, die Zulassungskriterien für bestimmte Arzneimittel aufzuweichen („adaptive pathways“). In der Praxis wurden zum Beispiel für Krebsarzneimittel die Zulassungshürden bereits erheblich abgesenkt. Hier tritt Die Linke klar für einen gesundheitspolitische Gewichtung ein: Die Patientensicherheit muss oberste Priorität haben.

Die Gestaltung der Arzneimittelpreise ist zuvorderst ein Thema der sozialen Sicherung, denn die explodierenden Preise von neuen Arzneimitteln stellen für alle Versicherungssysteme eine große Belastungsprobe dar. Der solidarisch finanzierte Zugang zur Gesundheitsversorgung hängt auch davon ab, ob es gelingt, für faire Arzneimittelpreise zu sorgen. Wir sehen daher auch hier die Zuständigkeit klar bei den Mitgliedstaaten. Nicht umsonst hat Die Linke das Anliegen der EU-Kommission, die Nutzenbewertung EU-weit zu vereinheitlichen, entschieden abgelehnt.

3) Die EU-Versender aus den Niederlanden versorgen fast ausschließlich deutsche Patienten. Deutsche Behörden haben keine Möglichkeit, die Unternehmen zu kontrollieren, um beispielsweise zu überprüfen, ob die Anforderungen zur Arzneimittelversorgung eingehalten werden. Sollte die Kontrolle und Überwachung von EU-Versandkonzernen in der Arzneimittelversorgung ggf. reformiert werden?

Die Linke hat den Versandhandel mit rezeptpflichtigen (RX-) Arzneimittel immer abgelehnt. Diese Ablehnung fußt nicht nur auf dem Schutz der wohnartnahen Präsenz-Apotheken, sondern auch in der nach unserer Ansicht systembedingt schlechteren Versorgungsqualität. Wir kämpfen weiter für das Verbot des RX-Versandhandels und haben erneut einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Sollte die große Koalition aber weiterhin den Versandhandel zulassen, müssen zumindest „gleichlange Spieße“ gewährleistet werden, zum Beispiel gleiche Rechte und Pflichten auch in der Aufsicht. Entsprechende Regelungen sollten zum Beispiel in der Prüfung, aus welchen Ländern nach Deutschland versendet werden darf, berücksichtigt werden. Wenn ein direkter Zugriff schwierig ist, müssen die Versender zumindest bei der Belieferung von rezeptpflichtigen Arzneimitteln auf Einhaltung der in Deutschland festgelegten Regeln verpflichtet werden.

4) Die großen EU-Versender verdienen ihr Geld fast ausschließlich in Deutschland. Sie zahlen hierzulande keine Unternehmenssteuer. Wie beurteilen Sie die Steuersituation großer Internet- und Versandkonzerne?

Die Linke tritt für eine europaweit höhere Besteuerung von Konzernen ein, was abhängig von der Unternehmensgröße auch Versandapotheken betreffen kann. Wir wollen klare Regeln gegen Steuervermeidung und gegen die Umgehung nationalen Steuerrechts. Wer die EU als Union ernst nimmt, muss Steueroasen trocken legen. Um Steuertricks von Konzernen – wie die konzerninterne Verschiebung von Gewinnen und Verlusten – zu unter-binden müssen die Steuern gegebenenfalls direkt „an der Quelle“ erhoben werden. Wir fordern einen EU-weiten Mindeststeuersatz für Unternehmen mit breiten und einheitlichen Bemessungsgrundlagen. Für mehr Transparenz wollen wir eine öffentliche länderspezifische Berichterstattung von Konzernen über wichtige Kennziffern wie Gewinn, bezahlte Steuern, Umsätze und Beschäftigte auf EU-Ebene. 

AfD

1) Sollten die Regelungen in den Apothekenmärkten aus Ihrer Sicht weiterhin in den Mitgliedstaaten, also nach dem Subsidiaritätsprinzip, festgelegt werden? Oder wäre eine Vereinheitlichung der Apothekenmärkte angebracht?

Die Alternative für Deutschland (AfD) setzt sich in der Gesundheitspolitik für das Prinzip der Subsidiarität ein. Wir fordern in unserem Europawahlprogramm eine gesetzgeberische Klarstellung, dass die Gesundheitspolitik ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der nationalen Gesetzgebung fällt. Hierzu gehören, neben der Bewahrung der Rechtsstellung der freien Berufe, selbstverständlich auch die Regelungen in den Apothekenmärkten. Jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union soll diesbezüglich eigene Festlegungen treffen. Die AfD lehnt eine Vereinheitlichung der Apothekenmärkte klar ab.

2) Sollten die EU-Mitgliedstaaten aus Ihrer Sicht die Arzneimittelpreise und die Apothekenvergütung selbst regeln dürfen oder nicht?

Für die AfD sind Arzneimittel Waren der besonderen Art. Der Handel mit Arzneimitteln erfordert Sachkunde und die Abgabe an den Patienten darf nur mit der erforderlichen Beratung erfolgen. Die Regulierung der Arzneimittelpreise sollte den einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben. Wir setzen uns für einheitliche Abgabepreise in Deutschland ein und befürworten somit die Beibehaltung der Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Die Vergütung der Leistungen der Apotheken sollen die Mitgliedstaaten weiterhin eigenständig regeln. Die Arzneimittelpreise sollten gesundheitspolitisch betrachtet werden, jedoch dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit folgen.

3) Die EU-Versender aus den Niederlanden versorgen fast ausschließlich deutsche Patienten. Deutsche Behörden haben keine Möglichkeit, die Unternehmen zu kontrollieren, um beispielsweise zu überprüfen, ob die Anforderungen zur Arzneimittelversorgung eingehalten werden. Sollte die Kontrolle und Überwachung von EU-Versandkonzernen in der Arzneimittelversorgung ggf. reformiert werden?

Wir als Alternative für Deutschland setzen uns für den Erhalt der inhabergeführten Apotheke und die Sicherstellung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung ein. Als einen wesentlichen Baustein von vielen haben wir in unserem Europawahlprogramm festgeschrieben: „Der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten ist auch in Deutschland, wie in den meisten EU-Ländern, nicht mehr zu gestatten.“ Wir halten es für geboten, aus Gründen der Erhaltung der Arzneimittelsicherheit und zum Schutz der deutschen Bürger, deutschen Behörden die Überwachung von EU-Versandapotheken zu ermöglichen. Deutschen Aufsichtsbehörden muss es möglich sein, ohne Vorankündigung gemeinsam mit ihren dortigen Kollegen, Kontrollen dieser Versandapotheken durchzuführen und dort die Einhaltung der betreffenden Gesetze (hinsichtlich Räumlichkeiten, Personal, Beratungsleistung etc.) zu überprüfen.

4) Die großen EU-Versender verdienen ihr Geld fast ausschließlich in Deutschland. Sie zahlen hierzulande keine Unternehmenssteuer. Wie beurteilen Sie die Steuersituation großer Internet- und Versandkonzerne?

Die AfD sieht diese Steuervorteile ausländischer Internetkonzerne generell, in diesem Fall hinsichtlich Versandapotheken sehr kritisch. Hier muss sich dringend etwas ändern. Deutschen Apotheken entstehen ohnehin schon massive Wettbewerbsnachteile. Sie tragen die hohen Kosten für Not- und Nachtdienste, die Herstellung individueller Rezepturen und die gesetzliche Pflicht, ein umfangreiches Vorratslager zu unterhalten. Hinzu kommen Kosten durch die Pflichtmitgliedschaft in IHK und Apothekerkammern etc. 

FDP

1) Sollten die Regelungen in den Apothekenmärkten aus Ihrer Sicht weiterhin in den Mitgliedstaaten, also nach dem Subsidiaritätsprinzip, festgelegt werden? Oder wäre eine Vereinheitlichung der Apothekenmärkte angebracht?

Die Gesundheitspolitik in Europa soll unserer Ansicht nach weiterhin Angelegenheit der Mitgliedstaaten sein.

2) Sollten die EU-Mitgliedstaaten aus Ihrer Sicht die Arzneimittelpreise und die Apothekenvergütung selbst regeln dürfen oder nicht?

Wir stellen das EuGH-Urteil nicht in Frage und wir bekennen uns zum freien Warenverkehr innerhalb der EU. Wenn wir den Rx-Versandhandel innerhalb Deutschlands erlauben – und auch dazu stehen wir – muss er auch im europäischen Markt möglich sein.

3) Die EU-Versender aus den Niederlanden versorgen fast ausschließlich deutsche Patienten. Deutsche Behörden haben keine Möglichkeit, die Unternehmen zu kontrollieren, um beispielsweise zu überprüfen, ob die Anforderungen zur Arzneimittelversorgung eingehalten werden. Sollte die Kontrolle und Überwachung von EU-Versandkonzernen in der Arzneimittelversorgung ggf. reformiert werden?

Die Prüfung und Überwachung erfolgt in dem Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen sitzt. Dabei soll es unserer Ansicht nach auch bleiben.

4) Die großen EU-Versender verdienen ihr Geld fast ausschließlich in Deutschland. Sie zahlen hierzulande keine Unternehmenssteuer. Wie beurteilen Sie die Steuersituation großer Internet- und Versandkonzerne?

Unternehmen sollten unserer Ansicht nach dort, wo sie Geld erwirtschaften, auch Steuern zahlen. Im Bereich der Unternehmensbesteuerung befürworten wir eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer. Hingegen lehnen wir die Festsetzung von Mindeststeuersätzen innerhalb der EU ebenso ab wie die Zulässigkeit sogenannter Tax-Deals, mit denen große Unternehmen die Höhe ihrer eigenen Besteuerung mit den Behörden eines Mitgliedstaats individuell aushandeln können.

Anmerkung der Redaktion: Die Antworten der FDP sind anscheinend verloren gegangen und haben uns nicht erreicht. Die Partei hat sie nun nachgeliefert. Wir bitten dies zu entschuldigen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

"Grüne" Eu-Gesundheitspolitik

von es-war-einmal-ein-wähler am 22.05.2019 um 11:44 Uhr

"Grüne" Position: "Der Artikel 168 ist nicht dazu da, einzelnen Teilnehmern auf dem Apothekenmarkt einen Vorteil zu verschaffen"....- Paradoxerweise profitiert von dieser Haltung einer rundum digital agierende Apotheke. Sie existiert auf dem Bildschirm mit scheinbar uneingeschränkten Angeboten. Vorteil: Sie ernährt viele Paketausfahrer. Mindestbestellbeträge sichern Kunden Preisvorteile. Lieferqualität kommt vor! Frage: Sichert ausreichend Fachpersonal die Kundenanfragen- und kontakte/Tag? Sind Normen, die bedingt kontrolliert werden können, vertrauenswürdiger, wenn der Preis stimmt und es der online-Händler versichert?

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Verträge ?! - nichts wert

von ratatosk am 20.05.2019 um 10:18 Uhr

Leider sind EU Verträge nicht die teuren Füller wert mit denen unterschrieben wird. Man sollte über Parteiprogramme und EU Verträge keinen Gedanken verlieren, sobald die Interessen von Großindustrie oder Finanz anderes wollen, sind diese nichts wert, wir sehen es ja in unserem Bereich überdeutlich.
Das tragische daran ist die Vernichtung der Demokratie auf lange Sicht, was unsere Politik nicht stört, solange die Anschlußverwendung gesichert ist.
Würde auch jeden Kabarettisten oder Komiker vom Fach dien völiig kompetenzbefreiten Figuren vorziehen.

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Wahlaussagen von Parteien

von Rita Längert am 18.05.2019 um 10:56 Uhr

vor einer Wahl ernstzunehmen,wer tut das denn noch?
Da wir anscheinend nur noch von schlechten Komikern ( siehe "Apothekenstärkungsgesetz") regiert werden, gibt mir die Europawahl wenigstens die Möglichkeit, echte Komiker ins Parlament zu wählen. Die richten sicherlich keinen größeren Schaden an als die bis zum Lebensende überversorgten Berufspolitiker. Schöne Grüße an Jens,Kalle &Co.

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EuGH entscheidet, BRD „wendet nicht mehr an“ ?

von Christian Timme am 17.05.2019 um 20:54 Uhr

Gibt es noch Fragen? Über meine Gesundheit ... entscheide ich und der Arzt und Apotheker meines Vertrauens und sonst niemand.

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Kaleidoskop der Parteien zur Gesundheit

von Heiko Barz am 17.05.2019 um 18:54 Uhr

Außer der „Linken“ und der AFD eiern alle um die Fragen herum und geben fast identische Antworten „stereotyp“! Alles im Unverfänglichen wie man das von der“Politik“ kennt. Um Gotteswillen nur keine justitiablen Argumente, wie bei der Koalitionsabsprache deutlich erkennbar war beim RxVV ..... wir werden uns kümmern......solche Aussagen werden heute schon von Sextanern als wertlos beschrieben!
Die Aussagen zur Steuergerechtigkeit habende Parteien wohl voneinander abgeschrieben. Einkommen-Lohn- Umsatz-Mehrwertsteuer, Solidaritätszuschlag und so weiter....wurden differenziert überhaupt nicht angezeigt. Das sollte im „Steuergeilen“ Deutschland doch verwundern.
Es muß konstatiert werden, dass die AFD einzig konkrete Aussagen zur Deutschen Apothekensituation tätigte, mit Abstrichen auch die „LInke“. Es regt sich leider der Zweifel einer Konstanz dieser Wertungen.

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AW: Kaleidoskop der Parteien zur Gesundheit

von Bernd Blum am 20.05.2019 um 18:44 Uhr

Was den diffenzierten Beitrag der Alternative für Deutschland angeht, spricht sehr viel dafür, dass die Gesundheitspolitik dieser Partei sowohl durchdacht als auch mit grosser Konstanz zu bewerten ist. Sicher liegt das daran, dass in dieser Volkspartei wesentlich mehr Experten aus dem Gesundheitswesen engagiert sind, als in jeder anderen in Deutschland.
Sie können jetzt also weiter an das Bild der AFD glauben, das Ihnen die staatlichen Medien vermitteln oder sich Ihr eigenes Bild vom Parteiprogramm der AFD machen.

Vollkommen egal

von Karl Friedrich Müller am 17.05.2019 um 18:08 Uhr

Lieber betrachten, was sie schon getan und unterlassen haben.
Ich glaube, ich wähle „Die Partei“
Da weiß ich gleich, was ich zu erwarten habe.

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