Phagro-Gutachten

Skonti und Rabatte: Mehr als 37,80 Euro geht nicht

Berlin - 02.07.2019, 09:00 Uhr

Handelsübliche Skonti? Phagro-Juristen wollen hier nicht über jeden Einzelfall diskutieren: Die Preisuntergrenze für den Großhandel ist aus ihrer Sicht eine Grenze für jede Form von Konditionen. (Foto: Phagro)

Handelsübliche Skonti? Phagro-Juristen wollen hier nicht über jeden Einzelfall diskutieren: Die Preisuntergrenze für den Großhandel ist aus ihrer Sicht eine Grenze für jede Form von Konditionen. (Foto: Phagro)


Im vergangenen Mai ist das Terminservice- und Versorgungsgesetz in Kraft getreten – und damit auch die Neuregelung zu den Großhandelszuschlägen. Klargestellt ist nun: Der Fixzuschlag ist für Rabatte an Apotheken gesperrt. Ob das auch für Skonti gilt, bleibt aber nach wie vor umstritten. Das zeigt auch ein jetzt veröffentlichter Aufsatz, der auf einem Gutachten für den Großhandelsverband Phagro basiert. Demnach sind sowohl Rabatte als auch Skonti nur noch im Rahmen der 3,15 Prozent-Marge zulässig. Ein Gutachten, das zuvor der Großhändler AEP vorgelegt hatte, kam zu einem anderen Ergebnis.

Es bleibt dabei: Die Skonto-Frage hat auch nach den Klarstellungsbemühungen des Gesetzgebers zu den Großhandelszuschlägen das Potenzial, wieder vor Gericht zu landen. Zwar ist jetzt nicht mehr strittig, dass Rabatte an Apotheken sich nur noch im Rahmen des prozentualen Zuschlags von 3,15 Prozent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers bewegen und 37,80 Euro nicht überschreiten dürfen – selbst wenn es sich um echte Hochpreiser handelt. Der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers plus Festzuschlag und Umsatzsteuer ist eine verbindliche Preisuntergrenze.

Nach der Änderung der Arzneimittelpreisverordnung über das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) lautet der Wortlaut der neuen Vorschriften zu den Großhandelszuschlägen:


Bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch den Großhandel an Apotheken oder Tierärzte sind auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ein Festzuschlag von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer zu erheben; zusätzlich darf auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer höchstens ein Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro erhoben werden“.

§ 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisVO


Allerdings hat es der Gesetzgeber unterlassen, eine klare Regelung zu Skonti zu treffen. Nun gibt es diejenigen, die sagen, dass für „echte“ Skonti trotzdem eine Ausnahme gelten muss, also für handelsübliche Skonti, die Apotheken von Großhändlern oder direkt vertreibenden pharmazeutischen Unternehmen für eine vorfristige Zahlung gewährt bekommen. Sie sollen also auch zulässig sein, wenn sie in Kombination mit den Rabatten die 3,15-Prozent-Grenze durchbrechen. Verfechter dieser Auffassung verweisen darauf, dass Rabatte eine „Preiskondition“ seien, die den Preis zum Zeitpunkt der Gewährung verändern. Skonti hingegen seien eine „Zahlungskondition“, die keine Preisänderung nach sich ziehen. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung. Zu diesem Ergebnis kam ein von AEP in Auftrag gegebenes und Ende März publik gewordenes Rechtsgutachten des Rechtsanwalts Bernhard Koch-Heintzeler. 

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Beim Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) sieht man das allerdings anders – und ein juristisches Gutachten, das diese Auffassung untermauert, wurde nun in einen Aufsatz für die juristische Fachzeitschrift „Wettbewerb in Recht und Praxis“ (WRP) gegossen und vergangene Woche veröffentlicht. Verfasst haben es die Rechtsanwälte Dr. Reimar Buchner und Dr. Enno Burk von der Kanzlei Gleiss Lutz (Berlin).

Klarer Wortlaut, unstimmige Begründung

Die Anwälte knöpfen sich die Argumente des AEP-Gutachtens vor und prüfen klassisch juristisch, ob die Preisuntergrenze auch für Skonti gelten kann: Was sagt der Wortlaut, was die Gesetzesmaterialien und wie steht es um Sinn und Zweck der Neuregelung? Und: Ist die Preisuntergrenze überhaupt verfassungskonform? Auch dies hatte Koch-Heintzeler nämlich infrage gestellt. Ihr Ergebnis: „Der Wortlaut ist eindeutig und steht einer weitergehenden Differenzierung zwischen Rabatten einerseits und sogenannten echten Skonti andererseits, die als Zahlungskondition für die vorfristige Zahlung gewährt werden, entgegen. Sowohl Rabatte als auch Skonti sind nur noch im Rahmen des variablen prozentualen Zuschlags von 3,15 Prozent, höchstens 37,80 Euro, erlaubt“.  

Etwas umfangreicher fallen in ihrem Gutachten die Ausführungen zu den Gesetzesmaterialien aus. Denn über die Begründung hatte sich im Gesetzgebungsverfahren schon manch einer gewundert. Hier werden Skonti zwar erwähnt – allerdings in einer kaum nachvollziehbaren Weise: „Rabatte und die im Handel allgemein üblichen Skonti können nur auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und Rabatte nur im Rahmen des prozentualen Zuschlags gewährt werden“. Wieso sollen nun Rabatte und Skonti auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers gewährt werden können? Der neue Wortlaut sagt doch gerade, dass der Festzuschlag auf den (vollen) Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zu erheben ist. Die Phagro-Anwälte vermuten hier ein „redaktionelles Versehen“. Zudem: Wieso sollen im Rahmen des prozentualen Zuschlags keine Skonti möglich sein? So lange die 3,15 Prozent-Grenze nicht überschritten wird, sind Rabatte und Skonti frei kombinierbar.

Hinzu kommt: Die SPD legte bei der Verabschiedung des TSVG Wert auf eine bestimmte Feststellung, die als „Fraktionsmeinung“ in die Beschlussempfehlung eingeflossen ist: „Und nicht zuletzt sei wichtig, dass […] rechtssicher festgehalten werde, dass der Mindestpreis aus Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, Festzuschlag von 70 Cent und Umsatzsteuer besteht. Auf diese Preisbestandteile dürfe der Großhandel weder Rabatte noch Skonti gewähren.“   

Wortlaut mit Vorrang

Burk und Buchner schließen daraus: Die Begründung ist sowohl in sich widersprüchlich als auch konträr zum eigentlichen Ziel, die Konditionen zu deckeln. Ohnehin: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in seinem Urteil zu den Großhandelszuschlägen streng auf den Wortlaut der Arzneimittelpreisverordnung abhob und damit überhaupt die Gesetzesänderung über das TSVG initiierte, sei eben dieser Wortlaut auch jetzt vorrangig zu berücksichtigen.

Weiterhin führen die Berliner Anwälte aus, dass es schwierig ist, im Einzelfall zu beurteilen, ob Skonti tatsächlich handelsüblich sind und ob sie wirklich für eine vorfristige oder vielleicht doch nur für eine rechtzeitige Zahlung gewährt werden. Hier biete es ganz praktische Vorteile, eine wirklich strikte Preisuntergrenze zu ziehen, von der nicht abgewichen werden dürfe. Letztlich hegen Buchner und Burk auch keine verfassungsrechtliche Bedenken: Die Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit durch eine Beschränkung der Konditionen sei gerechtfertigt, ein milderes Mittel nicht ersichtlich.

Nun muss sich also zeigen, ob es nochmals einen Kläger geben wird, wenn ein Großhändler klar nachvollziehbar weitergehende Konditionen anbietet.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Gutachten

von Conny am 02.07.2019 um 9:24 Uhr

Wessen Brot ich es, dessen Lied ich sing

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