MS bei Kindern

G-BA bestätigt Zusatznutzen für Fingolimod

Bonn / Stuttgart - 03.07.2019, 12:45 Uhr

Kinder mit hochaktiver oder schwer und rasch verlaufender remittierend schubförmiger MS können von Fingolimod im Vergleich zu Interferon profitieren. (m / Foto: ustas / stock.adobe.com)

Kinder mit hochaktiver oder schwer und rasch verlaufender remittierend schubförmiger MS können von Fingolimod im Vergleich zu Interferon profitieren. (m / Foto: ustas / stock.adobe.com)


Schwere RRMS: Fingolimod reduziert jährliche Schubrate im Vergleich zu Interferon bei Therapienaiven

Bei der Patientengruppe b1 – rasch fortschreitende, schwere RRMS (definiert durch zwei oder mehr Schübe mit Behinderungsprogression in einem Jahr und mit einem oder mehr Gadolinium-anreichernden Läsionen im MRT des Gehirns oder mit einer signifikanten Erhöhung der T2-Läsionen im Vergleich zu einer kürzlich durchgeführten MRT), therapienaiv – anerkennt der G-BA ebenfalls einen „Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen“. In diesem Punkt geht der G-BA sogar über die Einschätzung des IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) hinaus.

Im Unterschied zur Subpopulation a2 (hochaktive RRMS) zeigen die Kinder der Subpopulation b1 (rasch fortschreitende schwere RRMS) eine Behinderungsprogression, auch hatten sie bislang keine therapiemodifizierenden Arzneimittel bekommen. Für den Studieneinschluss waren mindestens zwei Schübe in den letzten zwölf Monaten und mindestens eine Gd-Läsion Bedingung. Auch eine Verschlechterung des EDSS-Wertes (Expanded Disability Status Scale) um mindestens 1 wurde gefordert, jedoch konnten nicht genau Rückschlüsse gezogen werden, in welchem Zeitraum die Behinderungsprogression auftrat. 29 Patienten entsprachen in der PARADIGMS diesen Anforderungen.

Was ist der EDSS?

Der EDSS (Expanded Disability Status Scale) bewertet den Schweregrad der Behinderung bei Patienten mit multipler Sklerose. Die Skala reicht von null bis zehn (in 0,5er Schritten) und bewertet Störungen in unterschiedlichen Funktionellen Systeme (FS) des Körpers:

  • Pyramidenbahn, zum Beispiel Lähmungen
  • Kleinhirn, zum Beispiel Störungen des Bewegungsablaufs, Tremor
  • Hirnstamm, zum Beispiel Sprach- und/oder Schluckstörungen
  • Sensorium, zum Beispiel verminderter Berührungssinn
  • Blasen- und Mastdarmfunktion, zum Beispiel Harn- und/oder Stuhlinkontinenz
  • Sehfunktion, zum Beispiel eingeschränktes Gesichtsfeld
  • Zerebrale Funktionen, zum Beispiel Wesensveränderung, Demenz

Je nach Anzahl der betroffenen Funktionsbereiche und dem Ausmaß der Einschränkung erfolgt die Abstufung von EDSS null (keine Symptome, kein Funktionsbereich betroffen) bis EDSS zehn (Tod durch MS).

Kein Unterschied in der Behinderungsprogression, aber Verbesserung der Behinderung

Laut G-BA gab es einen statistisch signifikanten Vorteil von Fingolimod im Vergleich zu Interferon beta-1a in der „jährlichen Rate bestätigter Schübe“. Es zeigte sich kein Unterschied in der Behinderungsprogression, jedoch in der „Verbesserung der Behinderung“. Das Fazit des G-BA: „Vor dem Hintergrund, dass nicht mit ausreichender Sicherheit belegt ist, dass die Behinderungsprogression bei den eingeschlossenen Kindern und Jugendlichen innerhalb der vorangegangenen zwölf Monate aufgetreten ist und diese damit der Zielpopulation vollumfänglich entsprechen, bestehen Unsicherheiten in dem Ausmaß, dass die Vorteile in den Endpunkten „jährliche Schubrate“ und „Verbesserung der Behinderung“ nicht abschließend beurteilt werden können. Das Ausmaß des Zusatznutzens ist somit für die relevante Zielpopulation nicht quantifizierbar.“

Keine Studien für Alemtuzumab & Co bei Kindern

Für zwei weitere Subpopulationen konnte der G-BA keinen Zusatznutzen von Fingolimod verglichen mit der etablierten Vergleichstherapie feststellen – und zwar, wenn bei RRMS-Kindern mit hochaktiver oder rasch fortschreitender schwerer Form, die Basistherapeutika nicht ausreichen und eine Eskalation der Therapie angezeigt ist. Diese Patienten waren in der PARADIGMS-Studie nicht abgebildet.

Grundsätzlich besteht eine Diskrepanz zwischen in der Indikation zugelassenen und in der Versorgung verwendeten und in den Leitlinien empfohlenen Arzneimitteln. Tatsächlich dürfen Alemtuzumab (Lemtrada®), Natalizumab (Tysabri®), Ocrelizumab (Ocrevus®) ausschließlich bei erwachsenen Patienten eingesetzt werden. Ebenso Cladribin (Mavenclad®), Dimethylfumarat (Tecfidera®) und Teriflunomid in Aubagio®.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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