Kabinettsvorlage Apotheken-Stärkungsgesetz

BMG will geplantes Rx-Boni-Verbot auch mit Solidaritätsprinzip begründen

Berlin - 15.07.2019, 17:30 Uhr

Da geht's lang! Das Ministerium von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat nochmals an der Begründung des geplanten Rx-Boni-Verbots im SGB V gefeilt. (c / Foto: imago images / Günther Ortmann)

Da geht's lang! Das Ministerium von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat nochmals an der Begründung des geplanten Rx-Boni-Verbots im SGB V gefeilt. (c / Foto: imago images / Günther Ortmann)


Das Bundesgesundheitsministerium hat nochmals am Entwurf für das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken gefeilt, bevor ihn das Kabinett am kommenden Mittwoch beschließen soll. Auch die Regelung, mit der die Einhaltung der einheitlichen Apothekenabgabepreise ins Sozialrecht überführt werden soll, wurde ein wenig umformuliert. Zudem wird zur Begründung der Neuregelung nun nicht mehr nur auf das Sachleistungs-, sondern auch auf das Solidaritätsprinzip als eines der tragenden Strukturprinzipien des GKV-Systems verwiesen.

Nach Informationen von DAZ.online soll sich das Bundeskabinett am Mittwoch dieser Woche mit dem geplanten Apothekenstärkungsgesetz befassen. Bis zuletzt hatte es diesbezüglich noch Gespräche zwischen dem BMG und den Ministerien für Justiz und Wirtschaft gegeben – nach Informationen von DAZ.online, um den Gesetzestext möglichst europarechtskonform zu gestalten. Eine Vorab-Abstimmung auf EU-Ebene, wie von anderen Medien berichtet, soll es dem Vernehmen nach aber nicht gegeben haben. Schließlich habe das BMG auch schon frühzeitig ein EU-Notifizierungsverfahren ausgeschlossen, heißt es aus Koalitionskreisen. Beschließt das Kabinett das Vorhaben, kann das Gesetz nach der Sommerpause im Parlament besprochen werden. 

Für das Gesetz liegt DAZ.online nun ein neuer Entwurf vor. Zur Erinnerung: Die letztbekannte Kabinettsvorlage stammte vom 13. Juni. Ob die neue Entwurfsversion in dieser Fassung ins Kabinett kommt, ist aufgrund eines fehlenden Datums unklar. Kurzfristige Änderungen sind noch denkbar. Allerdings ist in dieser neuen Version erneut an der Vorschrift nachgebessert worden, die dafür sorgen soll, dass Apotheken im Rahmen der GKV-Versorgung verschreibungspflichtige Arzneimittel nur zum einheitlichen Abgabepreis abgeben dürfen. Demnach sollen an § 129 Absatz 3 SGB V folgende Sätze angefügt werden:


Apotheken dürfen verordnete Arzneimittel an Versicherte als Sachleistungen nur abgeben und können unmittelbar mit den Krankenkassen nur abrechnen, wenn der Rahmenvertrag für sie Rechtswirkung hat. Bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte als Sachleistungen sind Apotheken, für die der Rahmenvertrag Rechtswirkungen hat, zur Einhaltung der in der nach § 78 des Arzneimittelgesetzes erlassenen Rechtsverordnung festgesetzten Preisspannen und Preise verpflichtet und dürfen Versicherten keine Zuwendungen gewähren.“

Neue Version Gesetzentwurf für ein Apotheken-Stärkungsgesetz


BMG feilte an Begründung des Rx-Boni-Verbotes

Es bleibt also grundsätzlich dabei: Apotheken dürfen zulasten der GKV verordnete Arzneimittel im Wege der Sachleistungen nur abgeben und mit den Krankenkassen abrechnen, wenn der Rahmenvertrag für sie Rechtswirkung hat. Und Apotheken, für die der Rahmenvertrag Rechtswirkungen hat, müssen in diesem Fall die in der nach § 78 AMG erlassenen Rechtsverordnung (AMPreisVO) festgesetzten Preisspannen und Preise einhalten und dürfen Versicherten keine Zuwendungen gewähren. In der vorherigen Fassung war § 78 AMG nicht explizit in § 129 SGB V genannt, in der Begründung allerdings schon. Unverändert ist in der neuen Fassung auch vorgesehen, die derzeit noch in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG vorgesehene Preisbindung für EU-Versender wieder zu streichen.

Auch die neue Begründung ist im Vergleich zum ersten Kabinettsentwurf vom 13. Juni etwas ausgefeilter. Zunächst wird wie schon zuvor erklärt, dass die Neuregelung aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Oktober 2016 erforderlich war. „Die durch die Regelung erzielte verpflichtende kollektivvertragliche Einheitlichkeit der Apothekenabgabepreise bei der Abgabe verordneter Arzneimittel von Apotheken an Versicherte in der GKV als Sachleistungen ist sozial- und gesundheitspolitisch notwendig, um das Abrechnungsverfahren zwischen Apotheken und gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen des Sachleistungsprinzips durchzuführen und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung dauerhaft zu gewährleisten“. Nach wie vor verweist die Begründung darauf, dass die Ausgestaltung der Krankenversicherung Sache der Mitgliedstaaten ist, die zwar die Grundfreiheiten beachten müssen, diese aber durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses einschränken können. Laut EuGH-Rechtsprechung könnten solche zwingende Gründe im finanziellen Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherung oder der Intaktheit des nationalen Gesundheitswesens liegen.

Sanktionen gegen EU-Versender bei „gröblichen“ Verstößen

Und im Rahmen des in der GKV vorrangigen Sachleistungsprinzips sei für die Arzneimittelversorgung ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zur Intaktheit des nationalen Gesundheitswesens erforderlich, heißt es sodann in der nachjustierten Begründung. Dem Verfahren liege der Gedanke zugrunde, dass den GKV-Versicherten im Krankheitsfall nicht zugemutet werden könne, sich die wirtschaftlichste Leistung erst suchen zu müssen, um diese in Anspruch nehmen zu können. Dies sichere den Zugang zu Arzneimitteln und trage damit zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung bei.

Doch neben dem Sachleistungsprinzip tritt jetzt auch das Solidaritätsprinzip „als eines der tragenden Strukturprinzipien des GKV-Systems“ aufs Tapet: Auch dieses würde durch eine Aufgabe einheitlicher Apothekenabgabepreise infrage gestellt – und mit ihm insgesamt die Intaktheit des Gesundheitswesens. Durch direkte Rabatte und Boni von Apotheken, die bei gesetzlichen Versicherten verbleiben, würde das Solidaritätsprinzip unterwandert, da diese – im Gegensatz zu beispielsweise Rabattverträgen der Krankenkassen mit pharmazeutischen Unternehmern – nicht mehr der Solidargemeinschaft zugutekämen. „Zur Aufrechterhaltung des Solidaritätsprinzips in der GKV soll daher kein Preiswettbewerb zwischen Apotheken um gesetzlich Versicherte bei der Abgabe von Arzneimitteln im Wege der Sachleistung stattfinden“.

Gleichpreisigkeit für finanzielles Gleichgewicht in der GKV wichtig

Zudem hebt die Begründung hervor, dass der einheitliche Apothekenabgabepreis auch aus zwingenden Gründen des finanziellen Gleichgewichts des GKV-Systems erforderlich sei. Denn es gibt schließlich einige Steuerungsinstrumente, die die Ausgaben für Arzneimittel im Zaum halten sollen. Und diese knüpfen regelmäßig direkt oder indirekt an einen einheitlichen Apothekenabgabepreis an. So ist der einheitliche Apothekenabgabepreis beispielsweise relevant für den Apothekenabschlag (§ 130 SGB V), die Abgabe von preisgünstigen Arzneimitteln (§ 129 Absatz 1 SGB V) und für die Berechnung von Festbeträgen (§ 35 SGB V) sowie im Rahmen von Erstattungsbetragsverhandlungen und für die Vergabe von Rabattverträgen erforderlich. Auf diese Verwobenheit zwischen Preisrecht und Sozialrecht hatte zuletzt auch der Apothekenrechtsexperte Dr. Hilko Meyer wiederholt hingewiesen. 

Etwas nachgebessert wurde auch bei den Sanktionen: Waren diese zuvor für einen „schwerwiegenden“ oder bei „wiederholtem Verstoß“ gegen die oben genannte neue Pflicht in § 129 SGB V vorgesehen, drohen sie nun bei einem „gröblichen“ oder „wiederholtem Verstoß“. Was darunter genau zu verstehen ist, wird allerdings nicht erläutert. Zudem soll dann nur noch die Vertragsstrafe möglich sein – die Sanktions-Alternative „oder für bis zu zwei Jahren von der Versorgung ausgeschlossen (zu) werden“, gibt es nicht mehr. Doch der Versorgungsausschluss kann nach wie vor zur Durchsetzung der Vertragsstrafen genutzt werden: Bis diese Strafe vollständig beglichen ist, kann die betroffene Apotheke von der Versorgung ausgeschlossen werden. „Dies ist insbesondere von Bedeutung für Apotheken, die ihren Sitz nicht im Geltungsbereich des SGB V haben“, heißt es hierzu nach wie vor in der Begründung.

Was steht in der angekündigten Sammelverordnung?

Spannend bleibt die Frage, welche Inhalte die vom BMG geplante Sammelverordnung enthalten wird. Hierzu sind bislang noch keine Entwürfe bekannt geworden. Zur Erinnerung: In einer Änderung der Arzneimittelpreisverordnung will das BMG die Notdienstpauschale auf etwa 350 Euro pro Dienst und die BtM-Vergütung auf 4,26 Euro pro Abgabe erhöhen. Zuvor hatten diese beiden Punkte auch im Entwurf zum Apotheken-Stärkungsgesetz gestanden.

Außerdem hatte das BMG auch einige Neuregelungen in der Apothekenbetriebsordnung aus dem Gesetzentwurf genommen. Konkret sollen die neuen Verpflichtungen für Versender bei der Temperaturkontrolle und die Neudefinition des Botendienstes per Verordnung geregelt werden. Nach Informationen von DAZ.online soll auch per Verordnung festgehalten werden, dass die Apotheker künftig für die Bearbeitung von E-Medikationsplänen vergütet werden. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Und die Kassenbeiträge, die ins Ausland fließen?

von Apotheken-Rosi am 16.07.2019 um 9:44 Uhr

Solidaritätsprinzip gut und schön ...

Wie verhält es sich mit der Tatsache, dass Millionen an Krankenkassenbeiträgen aus der Solidargemeinschaft ins Ausland fließen, speziell zu den holländischen Versendern, gefördert durch die deutsche(?) Politik?

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Spahn

von Conny am 15.07.2019 um 20:54 Uhr

Sollte Spahn wirklich Verteidigungsminister werden, sollte man unserer Standesvertretung (unserer?) und manchen Kammerpräsidenten noch nachträglich in den Hintern treten für ihr unsägliches dummes Gequatsche .

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Nur mal so

von Karl Friedrich Müller am 15.07.2019 um 20:27 Uhr

Damit kann man auch das RxVV begründen

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Gesundheits-Clown verkennt den Ernst der Gesamtlage ...

von Christian Timme am 15.07.2019 um 19:01 Uhr

... im deutschen Gesundheitswesen. Spahn bleibt Spa(h)n ... die Show prägt seine Auftritte, „Kosmetik“ sorgt für den kümmerlichen Rest. Hier ein bisschen „Solidarität“ dazu und dort schon wieder im „Rückwärtsschnellgang“ ... heute so ... morgen so...so. Die EuGH-Richter werden „beeindruckt“ sein ... die Apotheker ... auch.

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