Kostenerstattung

Minister Lucha und Ärzte-Verband kämpfen für Homöopathie-Erstattung

Berlin - 15.07.2019, 11:15 Uhr

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) will die Kostenerstattung für Homöopathie erhalten und sogar ausbauen. (m / Foto: imago images / Objektiv)

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) will die Kostenerstattung für Homöopathie erhalten und sogar ausbauen. (m / Foto: imago images / Objektiv)


Die Debatte um die Kostenerstattung der Homöopathie nimmt an Fahrt auf. In der vergangenen Woche hatten sich mehrere Gesundheitspolitiker und die Kassenärztliche Bundesvereinigung dafür ausgesprochen, dass Krankenkassen keine Homöopathika mehr erstatten sollen. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) sieht das ganz anders: Sein Land sei ein wichtiger „Standort für homöopathische Medizin“. Auch der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte ist aufgebracht.

Die Entscheidung von Frankreichs Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, die Teilerstattung der nationalen Krankenversicherung für Homöopathika ab 2021 zu streichen, hat in Deutschland zu einer heftigen Debatte über die (teilweise) Kostenerstattung durch Krankenkassen geführt. Zur Erinnerung: Die oberste französische Gesundheitsbehörde hatte hunderte Studien zur Homöopathie ausgewertet und war dann zu dem Schluss gekommen, dass eine Wirksamkeit nicht belegt ist. Die Behörde hatte Buzyn empfohlen, die Homöopathika aus der Teil-Erstattung durch die Krankenversicherung zu nehmen – Buzyn folgte diesem Rat.

Hierzulande können Ärzte homöopathische Präparate nur Kindern auf GKV-Rezept verordnen. Allerdings können die Kassen im Rahmen ihrer Satzungsleistungen Programme anbieten, in denen Homöopathika teilweise oder ganz erstattet werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte sich in der vergangenen Woche gegen den Erhalt dieser Regelung ausgesprochen. Auch mehrere namhafte Gesundheitspolitiker folgten dieser Empfehlung: darunter die SPD-Politiker Karl Lauterbach und Sabine Dittmar sowie der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Erwin Rüddel (CDU).

Die Pharmaverbände Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) hatten davor gewarnt, die Entscheidung Frankreichs auf Deutschland zu übertragen. Jetzt äußert sich ein weiterer prominenter Befürworter der Homöopathie: Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) erinnert daran, dass in seinem Bundesland gleich mehrere große Homöopathie-Hersteller ihren Sitz haben. Alleine die Unternehmen Weleda, Heel sowie Willmar Schwabe GmbH und die Deutsche Homöopathische Union (DHU) beschäftigen in Baden-Württemberg rein rechnerisch mehr als 6000 Menschen.

Lucha sagte wörtlich:


Die Erforschung und Lehre komplementärmedizinischer Methoden sind ein wichtiger Baustein zur Erhöhung der Patientensicherheit sowie zur festen Verankerung entsprechender Therapieangebote in der Versorgung der Patientinnen und Patienten. Baden-Württemberg ist ein traditions- und erfolgreicher, anerkannter Standort für hochwertige Naturheilkunde-Verfahren und homöopathische Medizin. Ein breites Therapieangebot, das auch Naturheilkunde und Komplementärmedizin umfasst, ist den Menschen im Land sehr wichtig. Deshalb begrüßen wir es sehr, dass an der Uni Tübingen derzeit ein Lehrstuhl für Komplementär-Medizin aufgebaut wird. Und deshalb müssen diese Leistungen auch weiterhin von den gesetzlichen Krankenkassen vergütet werden dürfen. Wir sollten den Nutzen von gemeinsamen Therapien aus Naturheilkunde und Schulmedizin weiter erforschen - zum Wohle der Patientinnen und Patienten im Land.“

Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne)


Es ist nicht das erste Mal, dass sich Lucha so vehement für die Homöopathie einsetzt. Bei einer Anhörung zu dem Thema im Stuttgarter Landtag machte Lucha den Herstellern im vergangenen Jahr sogar Hoffnung auf eine Ausweitung der Erstattungsregelungen: „Wir wollen langfristig die alternativen Arzneimittel in der Regelversorgung integrieren und in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufnehmen.“

Homöopathische Ärzte: KBV agiert widersprüchlich

Unterstützung erhält Lucha von der Vorsitzenden des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ), Dr. Michaela Geiger:


Ein Verbot der Erstattung homöopathischer Leistungen wäre ein Schritt hin zu einer ‚Monokultur‘ in der Medizin. Wir benötigen aufgrund der medizinischen Herausforderungen in Deutschland (chronisch Kranke, multimorbide Patienten, Antibiotikaresistenzen etc.) dagegen eine pluralistische Medizin. Wir wünschen uns eine Versorgung nach dem Vorbild des Schweizer Modells. Hier werden Leistungen der Homöopathie, Naturheilkunde und weiterer Therapiemethoden seit 2017 von der Grundversicherung voll erstattet. In diesem Zusammenhang wurde die Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit mithilfe eines Health Technology Assessments (HTA) geprüft. In Frankreich gab es dagegen keine wissenschaftliche Prüfung der Homöopathie durch ein HTA.“

Dr. Michaela Geiger (DZVhÄ)


Geiger: KBV schließt selbst Homöopathie-Verträge ab

Geiger weist auf eine aktuelle (April 2019) und für Deutschland repräsentative Befragung hin: Darin gaben 79 Prozent der Befragten an, dass sie das Schweizer Modell inklusive der Homöopathie für Deutschland befürworten. 11 Prozent begrüßen es nicht. 10 Prozent trauten sich kein Urteil zu. Das Meinungsforschungsinstitut forsa hatte diese Umfrage für den DZVhÄ durchgeführt.

Geiger weist auch darauf hin, dass die Äußerungen von KBV-Chef Gassen aus ihrer Sicht widersprüchlich sind: „Zwar spricht sich Herr Gassen gelegentlich gegen die Homöopathie aus. Dennoch schließen KVn selbst Homöopathie-Verträge (Selektivverträge) mit Krankenkassen ab.“ Außerdem habe sich der Deutsche Ärztetag im letzten Jahr explizit für die ärztliche Homöopathie ausgesprochen. Sie ist in der Weiterbildung für Ärzte (MWBO) bestätigt worden. Die Anforderungen für das Führen einer „Zusatzbezeichnung Homöopathie“ seien in diesem Kontext sogar erhöht worden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wollte sich auf Nachfrage von DAZ.online in der BMG-Pressestelle nicht zu dem Thema äußern.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Naturheilkunde ist nicht Homöopathie

von Michael Butscher am 18.07.2019 um 5:13 Uhr

Ist schon seltsam, wie der Minister mehrmals die Naturheilkunde mit erwähnt.

Bei dieser gibt es durchaus Studien oder zumindest plausible Erklärungen für einen Wirkmechanismus. Nichts davon trifft auf Homöopathie zu.

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Also bitte!

von Stefan Haydn am 16.07.2019 um 17:40 Uhr

Liebe Kritiker ihr könnt das doch nicht ernst meinen? Wenn er gegen Homöopathie wäre, würde er doch seine ureigenste kerngrüne Wählerschaft vor den Kopf stoßen!

Das geht nun wirklich nicht!

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Homöopathie-Evidenz

von Josef H. am 16.07.2019 um 10:32 Uhr

Endlich wieder vernünftige Stimmen im von Trollen und Skeptikern(weltweit) forcierten Kampf gegen Globuli.

Wenn nur mehr Medien sich die nüchternen Fakten ansehen und nicht auf immer wiederholte Plattitüden hereinfallen würden.

Zur Erinnerung:
2017 wurden laut Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) 10,6 Mio. € mit rezeptierten Homöopathika zu Lasten der GKV umgesetzt. [6] Dies entspricht 0,03 % der medikamentenassoziierten Gesamtausgaben.

Seriöse Quellen gibt es glücklicherweise noch bei der Carstens-Stifttung:

https://www.naturundmedizin.de/faktencheck.html

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BW hat auch einen Kulturschamanen

von ratatosk am 15.07.2019 um 18:28 Uhr

Hier sieht man wie weit wir Frankreich hinterherhinken. Dort klare Verhältnisse für belegte Therapie, hier jeder esotherische Ansatz heilig. Man kann auch hier den Denkrahmen der Grünen erkennen, leider setzt sich so was auch in der Energiewende, etc fort. Wenn wir in D mal aufwachen, wird es wohl zu spät sein.

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