Abmahngrund: ja oder nein?

OLG Celle: NEM in Kapseln brauchen keine Grundpreisangabe nach Gewicht

Berlin - 22.07.2019, 17:55 Uhr

Brauchen Kapseln mit NEM eine Grundpreisangabe? Die Gerichte sind unterschiedlicher Auffassung. (m / Foto: Romario Ien / stock.adbobe.com)

Brauchen Kapseln mit NEM eine Grundpreisangabe? Die Gerichte sind unterschiedlicher Auffassung. (m / Foto: Romario Ien / stock.adbobe.com)


Anfang des Jahres erhielten einige Apotheken Abmahnungen von einem Anbieter von Vitaminpräparaten und Nahrungsergänzungsmitteln für Sportler. Ihnen wurde vorgeworfen, bei der Werbung für NEM in Kapsel- oder Tablettenform, die Grundpreisangabepflicht verletzt zu haben. Mittlerweile haben einige Gerichte einstweilige Verfügungen erlassen, andere wiesen entsprechende Anträge zurück. Eine einheitliche Linie ist bislang nicht zu erkennen. In den ersten obergerichtlichen Entscheidungen wird die Pflicht zur Grundpreisangabe allerdings verneint.

Jeder Verbraucher dürfte die Pflicht zur Grundpreisangabe, zum Beispiel bei Lebensmitteln, kennen: Im Supermarkt steht am Regal nicht nur der Packungspreis, sondern auch, wie viel 100 Gramm oder 1 Kilogramm der Ware kosten. Beispielsweise bei Nüssen, Reis und Kaffee verschiedener Anbieter ist dies sehr hilfreich für den raschen Preisvergleich.

Auch viele Apotheken sehen sich bei der Werbung für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) beziehungsweise ihrem Angebot im Internet verpflichtet, eine Grundpreisangabe zu machen. Was kostet eine Kapsel aus der 30er-Packung? Aber manch ein spitzfindiger Jurist findet: Selbst das reicht nicht. Es müsse auch ein Grundpreis nach Gewicht genannt werden, so sehe es die Verordnung über Fertigpackungen für Lebensmittel vor.

Tatsächlich mahnte Anfang des Jahres die Kölner Firma Body-Store, die unter anderem Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit der Zielgruppe Bodybuilder vertreibt, mithilfe eines Hamburger Anwalts diverse Apotheken ab, die diese Preisangabe pro Menge nicht angegeben hatten. So sei die Werbung für „Aminosäuren Vital“ von Doppelherz, 30 Kapseln wettbewerbswidrig, weil entgegen § 2 Abs. 1 PAngV (Preisangabenverordnung) nicht in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis der Fertigpackung auch der Grundpreis angegeben sei.

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Viele Apotheker setzten sich zur Wehr. Doch nach Informationen von DAZ.online ging es vor Gericht bislang nicht immer zu ihren Gunsten aus. So wurde etwa von den Landgerichten Bielefeld und Düsseldorf eine Pflicht zur Grundpreisangabe angenommen, während die in Hamburg angerufenen Kammern unterschiedlich entschieden. Dagegen wiesen in Köln sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht die Ansprüche zurück. Und nun hat mit dem Oberlandesgericht Celle erneut ein Obergericht entschieden, die Apotheken treffe die Pflicht zur Grundpreisangabe nicht (Az.: 13 U 31/19) – das Landgericht Lüneburg hatte es noch anders gesehen.  

Was erwartet der Verbraucher?

Die Richter aus Celle gestehen der Vorinstanz zwar noch zu, sie sei zu Recht davon ausgegangen, dass Waren im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV nach Gewicht angeboten werden, wenn eine spezialgesetzliche Pflicht zur Angabe der Füllmenge nach Gewicht besteht. Eine solche Pflicht bestehe im konkreten Fall allerdings nicht. Das ergebe sich aus der EU-Lebensmittel-Informationsverordnung. Danach sei die Angabe der Füllmenge nicht verpflichtend bei Lebensmitteln, die normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden – sofern die Stückzahl von außen leicht zu sehen und einfach zu zählen oder anderenfalls in der Kennzeichnung  angegeben ist. Das sei hier der Fall.

Das Gericht geht auf verschiedene Gesichtspunkte ein. Vor allem aber stellt es klar, dass es nach dem allgemeinen Verbraucherverständnis keinen Vorteil hätte, wenn eine genaue Füllmenge angegeben wäre: „Ein Vergleich  zwischen  unterschiedlichen Präparaten würde dem Verbraucher allenfalls durch die Angabe der Wirkstoffmenge ermöglicht. Die Angabe etwa einer Füll- oder Gesamtmenge ließe hierauf aber schon aufgrund der üblicherweise zugesetzten Füll- und Trennmittel keinen hinreichenden Rückschluss zu“, heißt es im Urteil. Auch im hier streitgegenständlichen Präparat seien verschiedene Hilfsstoffe beigesetzt, etwa Dicalciumphosphat, Gelatine, Magnesiumsalze und Siliciumdioxid.

Aus dem Umstand, dass andere Anbieter besagter Kapseln teilweise einen Grundpreis angeben, lasse sich nicht auf ein abweichendes Verbraucherverständnis schließen. Möglicherweise seien die Angaben allein aus Vorsichtsgründen vorgenommenen worden.

Auch wenn das Oberlandesgericht Celle diese Entscheidung getroffen hat: Sie gilt nur zwischen den beiden Streitparteien. Es muss sich nun zeigen, wie weitere Obergerichte entscheiden und ob sich eine einheitliche Rechtsprechung herausbildet.   



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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