Kommentar

Apotheken brauchen mindestens 1 Milliarde nur fürs Personal

Süsel - 26.07.2019, 07:00 Uhr

Apotheker sind gesucht. Öffentliche Apotheken drohen aber den Kampf ums Personal zu verlieren, weil sie beim Gehalt nicht konkurrenzfähig sind, (Foto: DAZ.online)

Apotheker sind gesucht. Öffentliche Apotheken drohen aber den Kampf ums Personal zu verlieren, weil sie beim Gehalt nicht konkurrenzfähig sind, (Foto: DAZ.online)


Das Apothekenstärkungsgesetz hat nun das Kabinett passiert – mit einer sozialrechtlichen Minimalvariante der Gleichpreisigkeit. Die Preisbindung bröckelt. Weil die bisherige Grundregel, vorrangig die Struktur zu erhalten, nun ohnehin  ins Leere läuft, darf jetzt die wichtigste Forderung betont werden: Die Apotheken brauchen sehr viel mehr Geld, unter anderem, um im Kampf um Fachkräfte konkurrenzfähig zu bleiben, meint DAZ-Autor Dr. Thomas Müller-Bohn in seinem aktuellen DAZ-Editorial.

Gesundheitsminister Spahn hat seine sozialrechtliche Minimalvariante der Gleichpreisigkeit durch das Kabinett gebracht und die ABDA-Spitze hat dies akzeptiert. Damit wird die Preisbindung von der einstmals tragenden Säule des Apothekensystems zum bröselnden Unterbau. Der kann von außen durch die EU oder im Inland durch den Wegfall der Preisbindung für Selbstzahler untergraben werden. Bis dahin brauchen wir ein ganz neues Honorarsystem. Darum müssen die Pläne für diese neue Reformrunde jetzt beginnen.

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Wundersame Geldvermehrung

Die bisherige Grundregel, vorrangig die Struktur zu erhalten, läuft nun ins Leere. Darum darf jetzt die wichtigste Forderung betont werden: Die Apotheken brauchen sehr viel mehr Geld! Denn die typische Apotheke ist chronisch unterfinanziert. Das Geld reicht für den laufenden Betrieb, aber nicht für zukunftsorientierte Investitionen und nicht für Gehälter, die junge Apotheker und PTA in die Apotheken locken. Apotheken schließen nicht, weil sie plötzlich unrentabel werden. Sie bleiben erhalten, solange ein Mietvertrag zu erfüllen ist oder der Inhaber auf seine Rente wartet. Doch das Geld für Umbauten oder Sanierungen und erst recht für Investitionen in die Digitalisierung fehlt. Entscheidend wird die Suche nach jungen Inhabern und Mitarbeitern. Christoph Gulde, Vizepräsident des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg, hat in der Mitgliederversammlung des Verbandes deutlich gemacht, dass Erzieherinnen pro Monat gut 700 Euro mehr Einstiegsgehalt erhalten als PTA . Das lässt sich fortsetzen: Studienräte bekommen als Einstieg in vielen Bundesländern 400 bis 600 Euro mehr pro Monat als Apotheker. Um bei den Gehältern zu vergleichbaren Berufen aufzuschließen, brauchen die Apotheken rund eine Milliarde Euro als Nachschlag, für die künftige Konkurrenz um den knappen Nachwuchs noch mehr.

Landapotheken sind nur die Spitze des Eisbergs

Die oft erwähnten Landapotheken sind nur die Spitze des Eisbergs. Die kann man zumindest mittelfristig mit ein paar hundert Millionen Euro pro Jahr erhalten. Doch es geht um das System als Ganzes und damit um Milliarden Euro. Dieses Geld ist da. Denn erst die Apotheken ermöglichen Rabattverträge, mit denen die Krankenkassen jährlich über vier Milliarden Euro sparen. Schon die Hälfte davon böte den Apotheken eine aussichtsreiche Zukunftsperspektive. Bisher haben sie daran aber keinen Anteil, sondern nur viel Mühe mit den Rabattverträgen.

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Wenn sich kein Personal mehr findet, werden sogar die Apotheker den Versand herbeiwünschen

Die herausragenden Apotheken, die mit besonderen Leistungen oder an außergewöhnlichen Standorten wirtschaftlich gut dastehen, können die Versorgung nicht flächendeckend sichern. Diese Ausnahmen trüben den Blick für die Regel: Wenn die typischen Apotheken nicht mehr investieren können und kein Personal mehr finden, wird das Prinzip Apotheke in seinem Kern angegriffen. Wenn keiner mehr da ist, der die Arbeit macht, werden sogar die Apotheker den Versand herbeiwünschen.

Bis dahin bleibt das langsame Sterben der Apotheken für die Politik bequem. Wenn die Folgen offensichtlich werden, ist längst der Nachfolger im Amt und es regiert wahrscheinlich eine andere Partei. Doch dann ist es für Gegenmaßnahmen zu spät. Die sind jetzt nötig. Die Politik muss jetzt beantworten, ob ihr die bewährte persönliche Arzneimittelversorgung vor Ort ein zeitgemäßes Honorar wert ist. Wenn ja, wird sich auch ein zukunftstaugliches Honorarsystem finden lassen. Die nächste Reformrunde ist eröffnet!



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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7 Kommentare

Apotheken

von Charles Taxlor am 31.07.2019 um 22:57 Uhr

Apotheken sind Teil der Staatlich geförderte Pharma Abzocke im ganz großen Stil!

ABZOCKER!!!!

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Weiter so...??

von Gunnar Müller, Detmold am 28.07.2019 um 10:56 Uhr

Na, dann warten wir doch einmal ab, wie der heilige Geist der Erkenntnis und der Vernunft nach und nach Einzug hält bei unserer von Individualität und Singularität dominierten Berufsgruppe und es dann irgendwann auch der letzte ABDA-Repräsentant kapiert hat, dass es SO nicht weitergehen KANN.

Wann meinen Sie folgt Ihr nächstes Editorial?

Solange erinnern wir an unseren im Januar vorgestellten „Plan C“ ...
Die unterschiedliche Honorierung von traditionellen Apotheken gegenüber der von Versendern. Samt Memorandum zur Frage des Bringedienstes resp. des Versands als Regelleistung.

Bis dahin beste Grüße von den BasisApothekern

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ewiger Begleiter und Freund ... der Sensemann ...

von Christian Timme am 26.07.2019 um 14:15 Uhr

Insgesamt scheint der Wissensstand noch nicht hoch genug zu sein ... sprechen hier Kollegen über Kollegen oder "Schwimmer über Nichtschwimmer" ... oder ist diskutieren einfach nur bequemer und ungefährlicher als "mal gezielt Sand im Getriebe" zu spielen?

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Analyse und Konsequenzen

von Ulrich Ströh am 26.07.2019 um 9:19 Uhr

Alles richtig analysiert, Herr Müller-Bohn.

Apotheker sind Deutscher Meister in der
Analyse ihres Zustandes.

Was schlagen Sie aber als Konsequenz für zukünftiges gemeinsames
Handeln vor?

Das wäre für alle interessant zu erfahren.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Analyse und Konsequenzen

von Uwe Hansmann am 26.07.2019 um 10:07 Uhr

Es hängt seit Jahren an der fehlenden Anpassung der Honorierung - insofern ist die Tatsache in der Tat nicht neu.
Über die inkonsequente Haltung der ABDA in Sachen RX-Versandverbot ist auch schon viel geschrieben worden, was aber nichts an der Haltung geändert hat.
Und eigentlich, Herr Müller-Bohn, steht doch alles im SGB. Die Honorierung der Apotheken ist danach durch das BMG im Benehmen mit dem BMWI entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung der Apotheken anzupassen. Man will nur nicht in Berlin. Automatisch wird dann wieder der Protestreflex bemüht - hatten wir aber schon einmal probiert. Ich erinnere an die seinerzeitigen Kollegoiden, denen z.B. in Hamburg, bei der Demo auf dem Hachmannplatz, nichts besseres einfiel, als in die Schaufenster ihrer Apotheken "Wir bedienen Sie gerne, trotz Demostration" zu kleben.

Was wir brauchen ist solidarisches, gemeinsames Auftreten !

AW: Analyse und Konsequenzen

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 26.07.2019 um 10:37 Uhr

Hallo Herr Ströh, gehen wir das Schritt für Schritt an. Mein Editorial soll zeigen, dass es jetzt wirklich gar keine Ausflüchte mehr gibt. Es muss mehr Geld her und es geht dabei um das System, es betrifft also alle. Dieses Bewusstsein ist die Voraussetzung für das gemeinsame Handeln, das Sie ansprechen.

.

von Anita Peter am 26.07.2019 um 8:58 Uhr

1. Solange sich Politik und ABDA einig sind, dass zur Versorgung 10-15 TSD Apotheken ausreichend sind, muss erstmal der Umsatz der im Sterben liegenden nach oben umverteilt werden.( Zeitfenster 3-7 Jahre ) Vorher wird es keine nennenswerte Honorarreform geben.
2. Und wie ich es schon oft erwähnt habe, wird auch nichts passieren solange von unserer Seite kein massiver Druck aufgebaut wird. ( Wir haben die Möglichkeiten dazu, Stichwort Lieferveträge, NN usw usw ) Da sich aber die ABDA mit Punkt 1. pudelwohl fühlt, wird diesbezüglich nichts passieren. Mal ein Karabinerplakat hier, mal eine Postkarte dort, das wars dann auch schon. Die ABDA vertritt nicht die komplette Apotherkerschaft. Nur Beiträge zahlen dürfen alle.

Der Versand wird sich weiterhin massiv die Rosinen rauspicken und dank Verlagerung ins EU Ausland muss er sich an keinerlei Regeln und Gesetze halten ( Stichwort FBV usw usw ). Uns bleiben die defiziäteren Arbeiten, die kostenlose Beratung und der Kontrahierungszwang.

Und ich verbitte mir jegliche Kommentare bzgl ich wäre irgendeiner Lebenslüge aufgesessen. Ich bin Heilberufler und Akademiker. Wenn ich einen Patienten 15 Minuten kostenlos ohne Verkauf und Honorierung berate, dann muss dies zwingend durch RX quer finanziert werden. Ebenso müssen die nicht kostendeckenden Aufgaben querfinanziert werden. Das ist KEINE Lebenslüge sondern Realität.
Ebenso ist das hilflose Geschreie der Bürgermeister Realität, wenn die Apotheke in der Gemeinde schliesst.

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