Wenn Medikamente fehlen

Arzneimittel-Lieferengpässe in der Tagesschau

Stuttgart - 29.07.2019, 12:55 Uhr

Arzneimittelengpässe stellen nicht nur ein Ärgernis dar, sie sorgen teilweise auch für Versorgungsnotstand beim Patienten. Wer ist schuld und was kann dagegen getan werden? Jetzt hat sich auch dieTagesschau dem Thema gewidmet. (s / Foto: Screenshot Tagesschau)

Arzneimittelengpässe stellen nicht nur ein Ärgernis dar, sie sorgen teilweise auch für Versorgungsnotstand beim Patienten. Wer ist schuld und was kann dagegen getan werden? Jetzt hat sich auch dieTagesschau dem Thema gewidmet. (s / Foto: Screenshot Tagesschau)


Womit Apotheker tagtäglich kämpfen, hat nun auch die Tagesschau erreicht: Lieferengpässe bei Arzneimitteln. Die Situation verschärft sich in letzter Zeit – in dem Beitrag geht es um die „Schuldigen“. Diskutiert werden die Abschaffung der Rabattverträge, ein Mindestvorrat beim Hersteller und eine nationale Bevorratung. Maßnahmen, die Apotheker seit langem fordern, und vielleicht nun auch in der Politik ankommen. 

Dass Arzneimittel nicht lieferbar sind, ist Alltag in der Apotheke – leider. Auch wenn die Situation altbekannt ist – allein die einzelnen nicht lieferbaren Wirkstoffe wechseln –, so scheint es doch, dass sich die Lage in letzter Zeit verschärft. Apotheker in öffentlichen Apotheken und auch Krankenhausapotheker schlagen seit geraumer Zeit Alarm und halten auch mögliche Lösungen bereit, verbessert hat sich wenig.

Kostendruck bei Produktion

Nun erreicht das Arzneimittel-Lieferproblem auch die breite Bevölkerung. Für einen Beitrag der Tagesschau hat die ARD recherchiert, einen Vertretungsapotheker begleitet, Dr. André Said von der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker interviewt, eine Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums eingeholt und auch den Branchenverband Pro Generika befragt. Es ging um Gründe für die Misere und Lösungsansätze.

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Aus Kostengründen werde die Produktion „immer mehr ins Ausland verlagert und immer weniger Hersteller produzieren einen Wirkstoff“, erklären die Journalisten der ARD. Als Beispiel nennen Sie den kritischen Engpass beim Antibiotikum Piperacillin/Tazobactam, das weltweit nur noch in zwei chinesischen Produktionsstätten hergestellt wird, und das nach einer Werksexplosion 2016 monatelang nicht verfügbar war. Aktuell bereiten unter anderem das Antidepressivum Venlafaxin und die Antibabypille Zoely Probleme. Jüngst war Ibuprofen knapp, „weil ein Werk in Texas ausfällt“, so die Tagesschau. DAZ.online berichtete 2018 ausführlich über die „technischen Fehler“ der BASF-Herstellungsstätte in den USA.

Das Bundesgesundheitsministerium erklärte gegenüber der Tagesschau, dass „globale Lieferketten mit einer Konzentration auf wenige Herstellungsstätten für Arzneimittel und Wirkstoffe“ ein Grund für Lieferengpässe sein können, aber zum Beispiel auch „Qualitätsmängel bei der Herstellung, Produktions- und Lieferverzögerungen bei Rohstoffen oder Produktionseinstellungen bei Arzneimitteln oder Marktrücknahmen aus verschiedenen Gründen."

Engpässe: „Arbeiten die Pharmafirmen unprofessionell?“ 

Warum sind Arzneimittel knapp – schließlich gibt es im Lebensmittelbereich auch Konzentrierungen auf große Hersteller, dennoch sind die Supermarktregale prall gefüllt. „Arbeiten die Pharmafirmen unprofessionell?“, diese Frage stellt die Tagesschau Dr. André Said, Apotheker und Leiter der Geschäftsstelle der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Die Antwort scheint nicht einfach. Das Problem sei vielschichtig, sagt Said. Man agiere in einem globalen System, und viele Märkte seien für die internationalen Hersteller attraktiv geworden. „Hier gilt es für den deutschen Markt auf politischer Ebene gegenzusteuern“, meint Said, und „Anreize zu schaffen, dass Deutschland weiterhin als Markt letztlich wieder adäquat beliefert wird“.

Müssen Arzneimittel teurer werden?

Sollten also Arzneimittel wieder teurer werden, damit es sich für die Hersteller in Deutschland wieder besser lohnt? Auf diese Frage des Tagesschau-Sprechers antwortet Said, dass es „hauptsächlich darum geht, die Anbietervielfalt im Arzneimittelmarkt zu erweitern“. Habe man in den letzten Jahren eine „Marktkonzentrierung erlebt“, sollte es nun der Anspruch seitens der Politik sein, dieser Marktkonzentrierung wieder entgegenzuwirken. Das sei allerdings kein rein deutsches Problem, sondern müsse europäisch oder global angegangen werden.

Nationale Arzneimittelreserve

Das sieht auch die Präsidentin der Gesundheitsministerkonferenz, Barbara Klepsch (CDU), so. „Der Bund muss dieses Thema auf europäischer Ebene platzieren. Dort müssen die Regularien getroffen werden", so Klepsch. Sie spricht auch das Thema „Mindestkapazitäten“ an und, dass man „bei Medikamentenengpässen über eine gewisse nationale Bevorratung nachdenken" sollte. Eine Arzneimittelreserve „für relevante Medikamente“ forderte jüngst auch der neue Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt.

Hersteller, Behörden und Krankenkassen schieben sich gegenseitig die Schuld zu

Mindestvorräte bei den Herstellern könnten das Problem ebenfalls entschärfen – dafür kämpfen unter anderem seit Jahren die Krankenhausapotheker. Die ADKA (Bundesverband der Deutschen Krankenhausapotheker) wird nicht müde, diese Forderung zu stellen. Bislang konnte mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz jedoch nur eine unverzügliche Informationspflicht seitens der Hersteller erreicht werden – und eine Erleichterung für die Apotheker, das sie bei Nichtlieferbarkeit wenigstens § 73 AMG-Importe in angemessenem Umfang an Lager halten dürfen.

Ende der Rabattverträge?

Die Hersteller wollen ein Ende der Rabattverträge, mit denen die Krankenversicherungen einzelne Produzenten an sich binden, um Kosten zu sparen, erklärt die Tagesschau. In diesem Zusammenhang lässt sie Bork Bretthauer, Geschäftsführer des Interessenverbands der Pro Generika, zu Wort kommen. Bretthauer fordert zumindest mehrere Rabattvertragspartner für die Wirkstoffe: „Wir brauchen eine Öffnung dieser Ausschreibungen für mehrere Unternehmen", dann könne man die Versorgung auf mehrere Schultern verteilen.

Alle beteiligt und keiner schuld

Das Problem der Lieferengpässe ist komplex, DAZ.online widmete sich bereits 2016 in einem Themen-Special der Knappheit bei Arzneimittel. Zu Wort kamen Hersteller, Krankenkassen, Apotheker aus öffentlichen und Krankenhausapotheken, Großhändler, Behörden und das BMG. Wer ist schuld an den Engpässen? Die Frage wurde äußerst unterschiedlich beantwortet. DAZ.online hat dies damals in einer Grafik aufgearbeitet. Das Fazit in der Tagesschau: „Hersteller, Behörden und Krankenkassen schieben sich gegenseitig die Schuld an der Misere zu“



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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12 Kommentare

Medikamentennotstand

von Tina Bojkowski am 14.11.2019 um 12:37 Uhr

Da ich Ausfälle, Bewusstseinsstörungen hatte, brauche auch Medikamente gegen Epilepsie.
Mich ärgert es das mein Medikament Levetiracetam fast gar nicht mehr lieferbar ist. Hatte es vom Hersteller Puren und durfte laut Ärzte nur dieses nehmen, musste nun wechseln und jetzt gibt es das von Heumann auch nicht mehr. Nun muss ich wieder wechseln und riskiere, nach endlich einem Jahr Ausfallfrei, so wieder einen Ausfall. Das heißt, dass ich wieder kein Auto fahren kann und auf Hilfe angewiesen bin..
Das ist doch nicht wahr, das es sowas in Deutschland gibt und es die Politik nicht interessiert. Bin echt sauer und traurig.

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AW: Medikamentennotstand

von Thomas am 24.12.2019 um 9:52 Uhr

Auch ich brauche dieses Medikament und die nette Apothekerin hat mir gerade mitgeteilt, dass es nicht lieferbar ist.
Ich habe lediglich eine kleine Packung bekommen um über die Feiertage zu kommen.
Und danach???
Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass ich auf ein anderes Medikament eingestellt werde.
Was das für einen Epilepsiepatient bedeutet, brauche ich nicht zu schreiben oder?
Katastrophe diese Situation!

keine Medikamente

von Seidel Sylvia am 12.11.2019 um 11:19 Uhr

Am 02.11.19 reichte ich ein Rezept in der Löwenzahn Apotheke in Berlin ein. Das Medikament IRBESARTAN 1A war nicht vorrätig. Nach einer Woche Vertröstung wurde uns heute 12.11.19 mitgeteilt das das Medikament frühestens Mitte Dezember lieferbar sei. Das sind unhaltbare Zustände wenn lebenswichtige Medikamente nicht lieferbar sind. Wir bitten um Lösung des Problem.

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Lieferengpässe

von strubel am 21.10.2019 um 7:09 Uhr

Ich bin Epileptikee und mein Mann braucht gegen horn BlutdruckTabletten
Für uns ist das ganze dramatisch.
Ich als Epilpeptiker wenn ich meine Medikamente
Nicht bekomme. Hatte letztends Lieferengpass
So kann es ja nicht gehen

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Arzeneiengpass

von A Kühnlenz am 18.10.2019 um 14:26 Uhr

Ich finde es traurig, wenn man das mit den lieferengpass der lebenserhaltenden Arzeneien liest.
Kann man zu dem Schluss kommen,brauchen wir da noch Pflegekräfte.
Ist da nicht der Gesundheitsminister gefordert?

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Lodotra

von D. Teixeira am 31.07.2019 um 11:39 Uhr

Ich war anfangs der Jahr im Krankenhaus, und habe der Medikamente Lodotra aufgeschrieben, dise Medikamente werd beim Rheumatischen Erkrankung angewendet.
Nach dem ich aus der Krankenhaus raus bin, habe ich die Rezepte von Hausarzt bekommen und in die Apotheken abgegeben, der Medikamente war fast 4 Wochen nicht lieferbar...
Danke and die Politiker, dafür das sie nichts machen.. Hauptsache dicke Geld und Rente und Steuern bezahlen sie auch nicht..
Wozu braucht man die faulenzen??

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AW: Lodotra

von B. Stange am 01.08.2019 um 0:46 Uhr

Dieses Medikament ist kein Einzelfall, aber nur den Politikern die Schuld in die Schuhe zu schieben ist dann doch zu einfach. Das Hauptproblem ist wohl die Gewinnmaximierung der Chemieriesen und die Kostenminimierung der Krankenkassen. Und noch
was am Rande: Politiker zahlen sehr wohl Steuern!

Preisanker

von Monika Prinz am 30.07.2019 um 19:43 Uhr

die Sondernummern sind ausführlicher und man trifft auch nach dem Studiums der Texte etwas Passendes.
Aber wenn man dennoch trotz Sonderkennzeichen beim Arzt ( verodnet nur das Günstigste oder alphabetisch Oberste) nachfragen soll, ob es auch etwas teurer sein darf, geht dies auf die Nerven aller Beteiligten.
Wo / Wer sind wir denn?

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Folgen einer wenig voraus schauenden Politik

von Jochen Ebel am 30.07.2019 um 7:27 Uhr

Pharmazeutische Unternehmen müssen wirtschaftlich denken und zuerst den Markt beliefern, in dem sie ausreichende Erlöse für ihre Produkte erzielen. Warum soll ich einen Markt versorgen, bei dem ich nur zum Zuge komme, wenn der Rabattvertragspartner der GKVs ausfällt?

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Lieferfähigkeit

von Christmas am 30.07.2019 um 7:24 Uhr

Die Lieferverträge trifft da m. E. nicht die Alleinschuld. Wenn ich mir Valsartan zum Beispiel ansehe, dann habe ich zwar scheinbar viele Hersteller. Diese beziehen ihren Ausgangsstoff aber von wenigen Wirkstoffherstellern.

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Lieferengpässe

von Hermann Vogel am 29.07.2019 um 18:25 Uhr

Gratulation: genau 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung haben wir im Arzneimittelbereich wieder „echte“ DDR –Verhältnisse: Mangelwirtschaft und schlechte Qualität (siehe Valsartan).
Das Nachfrage-Monopol der gesetzlichen Krankenkassen (10 Jahre Rabattverträge) haben jeglichen fairen bzw. für die Versicherten sinnvollen Wettbewerb zerstört!
Dr. Christopher Hermann, AOK-Chef aus Baden-Württemberg sollte für diese Leistung der Karl-Marx-Orden verliehen werden!
Nicht 10€ Gutscheine pro Rezept, sondern „Garantie-Bezugsscheine“ für Blutdrucksenker werden in naher Zukunft zum wichtigsten Marketinginstrument bzw.
nicht der Preiswettbewerb im Rx-Bereich, sondern die „Nicht-Verfügbarkeit“ wichtiger Arzneimittel bedroht die Zukunft der Apotheke vor Ort!
Wehret den Anfängen!

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Lieferfähigkeiten

von Metzner am 29.07.2019 um 13:49 Uhr

Das ist der neue Liefervertrag mit weiterer Konzentrierung auf wenige Hersteller ja sehr hilfsreich

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