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Arzneimittel zur Substitution im Überblick

Stuttgart - 31.07.2019, 14:45 Uhr

(Mehr als die Hälfte aller Patienten erhalten zur Substitution Methadon. (Foto: imago images / bonn-sequenz)

(Mehr als die Hälfte aller Patienten erhalten zur Substitution Methadon. (Foto: imago images / bonn-sequenz)


Für die Substitutionstherapie ist vor allem die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung maßgeblich. Unter anderem finden sich dort Vorgaben, welche Arzneimittel beziehungsweise Wirkstoffe überhaupt für eine Substitutionstherapie verschrieben werden können. In der Praxis stehen sowohl Rezepturen als auch Fertigarzneimittel zur Verfügung, hier ein aktueller Überblick. 

Methadon und Levomethadon

Mehr als die Hälfte aller Patienten erhält zur Substitution Methadon, ein vollsynthetisch hergestelltes Opioid mit starker schmerzstillender Wirkung, welches den μ-Opioid-Rezeptor als Agonist besetzt. Levomethadon ist der wirksame Anteil des racemischen Methadons und daher etwa doppelt so stark wirksam. Die Dosis des Methadons legt der behandelnde Arzt fest. Der Vorteil von Methadon gegenüber Heroin (Diamorphin) liegt in seiner langen Wirkdauer. Im Gegensatz zu einer Heroindosis hält die Wirkung von Methadon und Levomethadon etwa 24 Stunden an. Allerdings flutet der Wirkstoff nicht so schnell an, sondern die Wirkung setzt erst nach circa 30 Minuten ein. Der „Kick“ – wie beim Heroinkonsum – bleibt aus. In der Regel werden Methadon und Levomethadon einmal täglich verabreicht. Das Abhängigkeitspotenzial von Methadon ist allerdings vergleichbar mit dem von Heroin. Ein Patient, der seine Substitutionsbehandlung abrupt abbrechen würde, hätte einen ebenso starken körperlichen Entzug zu befürchten wie beim Heroinentzug (unerträgliche Gelenkschmerzen, Schüttelfrost, Zittern, Krämpfe und Herz-Kreislauf-Probleme). Methadon und Levomethadon werden meist als Lösung zur oralen Applikation abgegeben. Inzwischen gibt es aber auch Tabletten mit 5, 10 und 40 mg Methadon (z. B. Methaddict®). Als Fertigarzneimittel mit Levomethadon ist L-Polamidon® Lösung zur Substitution im Handel. Im Neuen Rezeptur Formularium (NRF) finden sich für die Zubereitung von Levomethadon und Methadon zwei Rezepturempfehlungen: . Levomethadonhydrochlorid-Lösung (L-Polamidonlösung) 0,25 Prozent (m/V), NRF 29.4. . Methadonhydrochlorid-Lösung 0,5 Prozent oder 1 Prozent, NRF 29.1. Außerdem gibt es eine weitere bewährte Rezepturempfehlung des ZL mit Himbeersirup und Aqua conservans. Methadonlösungen sind außerdem als Fertigarzneimittel verfügbar (z. B. Methalique).

Buprenorphin 

Buprenorphin wird halbsynthetisch aus dem Opium-Alkaloid Thebain gewonnen und vermittelt seine Effekte als Partialagonist am µ-Rezeptor und als Antagonist am kappa-Rezeptor. Aufgrund seiner extremen Rezeptorkinetik kann Buprenorphin Heroin und andere Opiate vom Rezeptor verdrängen und ihn dann selbst besetzen. Es wirkt zudem länger und hat eine erheblich größere therapeutische Breite als Methadon. Außerdem erzeugt es im Vergleich zu Vollagonisten eine deutlich schwächere Euphorie, kann Depressionen lindern und Patienten haben eine nahezu ungestörte Vigilanz.

Buprenorphin ist als Sublingualtablette im Handel (Subutex®, Buprenaddict®), da der Wirkstoff so am besten resorbiert werden kann. Die Tablette wird vom Patienten unter Aufsicht unter die Zunge gelegt und der Wirkstoff ist nach etwa fünf Minuten im Wesentlichen aufgenommen. Hierbei wird besonders beobachtet, dass die Tablette von den Patienten nicht wieder ausgespuckt und mitgenommen wird. Buprenorphin ist auch in fixer Kombination mit dem Opioid-Rezeptor-Antagonisten Naloxon (Suboxone) erhältlich, das soll Missbrauch verhindern. 

Mittlerweile gibt es auch Depotformulierungen von Buprenorphin (Buvidal®), die eine nur wöchentliche oder monatliche Gabe von Buprenorphin ermöglichen. Buvidal® enthält Buprenorphin auf Basis einer Fluid-Crystal®-Technologie, die Verabreichung erfolgt ausschließlich ärztlich als subkutane Injektion. Außerdem ist seit Anfang Juli das Buprenorphin-Implantat Sixmo in der EU zugelassen, das über sechs Monate lang geringe Opioidmengen freisetzt. Bei sachgerechter sublingualer Anwendung wird der Opiatantagonist Naloxon nicht resorbiert. Erst wenn der Anwender sein Arzneimittel als Pulver schnupft oder aufgelöst spritzt, setzt die Wirkung des Opiatantagonisten Naloxon und so der Entzug ein.


Codein, Dihydrocodein und Diamorphin 

Neben Methadon, Levomethadon und Buprenorphin sind auch Codein, Dihydrocodein und Diamorphin zugelassene Substitutionsmittel. Allerdings werden sie nur in seltenen Ausnahmefällen eingesetzt. Die Vorschrift für Dihydrocodeintartrat-Lösung 1,5 Prozent (m/V) (entfallene NRF 29.2.) wurde 2007 gestrichen. Der Grund war mangelnde Praxisrelevanz als Substitutionsmittel. Codein ist als Substitutionsmittel nur eingeschränkt geeignet, da es Heroinbeikonsum verschleiert. Im Urin-Streifen-Schnelltest kann Codein nämlich nicht von Straßenheroin unterschieden werden. Beide Substanzen werden zu Morphin verstoffwechselt und liefern demnach ein positives Ergebnis für Morphin.

Diapmorphin wird beispielsweise in Ballungsräumen bei speziell ausgestatteten Einrichtungen an Schwerstabhängige ausgegeben. Diese können sich das Diamorphin dort selbst verabreichen. Allerdings ist diese Therapieoption nur für Menschen vorgesehen, bei denen alle anderen Therapien nicht angeschlagen haben. Seit April 2015 ist mit Substitol® auch ein retardiertes orales Morphin-Präparat zur Substitution verfügbar. Bei Morphin stellt sich allerdings das gleiche Problem wie bei Codein. Eine Unterscheidung von Straßenheroin ist im Schnelltest nicht möglich, da Substitol®, Straßenheroin und Codein gleichermaßen ein positives Ergebnis für Morphin liefern. Selbst ein spezieller Streifen-Test auf 6-Monoacetylmorphin (6-MAM) als Heroinmarker war bei hohen Morphin-Mengen meistens falsch positiv. Eine Unterscheidung ist nur mit einer Laboruntersuchung von Urin oder Speichel möglich.



Cornelia Neth, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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