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Wie die WHO (World Health Organization) vor kurzem bekannt gab, empfiehlt sie für die Behandlung von HIV neuerdings den Integrase-Inhibitor Dolutegravir als bevorzugte Erst- und Zweitlinientherapie – und zwar für alle Bevölkerungsgruppen, einschließlich Schwangerer und Frauen im gebärfähigen Alter. Erste Studien hatten eigentlich auf einen Zusammenhang zwischen Dolutegravir und Neuralrohrdefekten hingewiesen. Diese Gefahr ist wohl nun geringer als zunächst befürchtet, dafür scheint eine ausgeprägte Gewichtszunahme unter DTG eine neue unerwartete Nebenwirkung zu sein.
Auf der Grundlage vorläufiger Studienergebnisse rieten viele Länder in der Vergangenheit der WHO zufolge, – statt Dolutegravir (DTG) – Efavirenz (EFV) in der Therapie von an HIV erkrankten schwangeren Frauen einzusetzen, einen NNRTI (Nicht nukleosidischer Reverse Transkriptase Inhibitor). Hintergrund war ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Neuralrohrdefekte. Neuere Daten von zwei großen klinischen Studien in Afrika, die die Wirksamkeit und Sicherheit von DTG und EFV verglichen, erweitern die Evidenz laut WHO aber nun: Und so kommt die WHO zu dem Schluss, dass das Risiko für Neuralrohrdefekte unter Dolutegravir deutlich geringer ist als zunächst anzunehmen war. Allerdings betont die WHO die Notwendigkeit, das Risiko von Neuralrohrdefekten im Zusammenhang mit DTG weiterhin kontinuierlich zu überwachen. Denn ein leicht erhöhtes Risiko bleibt bestehen.
Doch es gibt weitere Gründe, warum sich die WHO für die Bevorzugung von DTG ausspricht: DTG sei effektiver, einfacher einzunehmen und habe weniger Nebenwirkungen als die alternativen Arzneimittel, die zurzeit gegen HIV eingesetzt werden. Außerdem sei eine Resistenzentwicklung unter DTG weniger wahrscheinlich, was angesichts zunehmender Resistenzen gegen EFV und Nevirapin wichtig sei.
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Ist es also „legitim und ethisch vertretbar, seltene schwerwiegende, irreversible Schäden bei Neugeborenen in die Nutzen-Risiko-Bewertung aufzunehmen“? Dieser Frage und den Hintergründen zur Studie spürt Prof. Dr. Ralf Stahlmann in der aktuellen Ausgabe der DAZ 31/2019 nach.
Adipositas durch Dolutegravir?
Über einen ganz anderen Nachteil einer Dolutegravir-Therapie berichtete vergangenen Freitag außerdem das Ärzteblatt. Dieser Nachteil hat sich in zwei weiteren kürzlich veröffentlichten Studien zu Dolutegravir gezeigt: Eine Dolutegravir-basierte Therapie soll das Körpergewicht deutlich erhöhen. So soll sich DTG in den Studien zwar als effektiv und gut verträglich erwiesen haben, allerdings kam es je nach Kombination der HIV-Therapeutika unter DTG zu Gewichtszunahmen zwischen 3,2 kg und 6,4 kg (im Vergleich zu 1,7 kg unter früherer Standardbehandlung). Gerade bei Frauen soll die Gewichtszunahme ausgeprägt gewesen sein – je nach Kombination wurde sogar bei 11 bis 20 Prozent eine (stammbetonte) Adipositas neu diagnostiziert (9 Prozent bei früherer Standardbehandlung).
Ist Dolutegravir also wirklich für alle Bevölkerungsgruppen zu empfehlen? Was war bislang in den deutschen Leitlinien zu Dolutegravir nachzulesen?
Besser Raltegravir und Nevirapin? Es gibt nicht „die eine“ Therapie
In der Deutsch-Österreichischen Leitlinie zur „HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen“ (Stand: März 2017) wurde in der Schwangerschaft nur Raltegravir als möglicher Integraseinhibitor genannt, zu Dolutegravir und Elvitegravir seien die Daten in der Schwangerschaft (2017) nicht ausreichend. Statt Efavirenz wird in der Leitlinie außerdem Nevirapin als NNRTI empfohlen. Dort schien die Datenlage 2017 noch besser als bei Efavirenz zu sein. Zudem wird in der Leitlinie die Gabe von Efavirenz im ersten Trimenon nicht empfohlen.
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Ganz grundsätzlich bilden in der HIV-(Initial-)Therapie – auch bei nicht Schwangeren – zwei NRTI das „Rückgrat“. Sie werden im Allgemeinen entweder mit einem Integrase-Inhibitor (INI), einem geboosterten Protease-Inhibitor (PI) oder einem NNRTI kombiniert. Häufig werden im Laufe einer HIV-Behandlung Substanzwechsel notwendig. Es gibt also nicht „die eine“ HIV-Therapie nach Leitlinie – und so steht es auch in der Leitlinie.
Fixkombinationen kaum für Schwangere geeignet
Grundsätzlich werden (initial) aber Fixkombinationen empfohlen, um die Adhärenz zu stärken. Dazu zählen in den allgemeinen Leitlinien (nicht explizit für Schwangere, Stand November 2017) beispielsweise: Tenofovir-Alafenamid/Emtricitabin (TAF/FTC, Descovy®), das es in Fixkombination mit Elvitegravir/Cobicistat (Genvoya®), Rilpivirin (Odefsey®) oder Darunavir/Cobicistat gibt (Symtuza®). Auch empfohlen wird in den allgemeinen Leitlinien die Kombination aus Tenofovir-Disoproxil/Emtricitabin (TDF/FTC) – in Kombination mit einem PI, NNRTI oder INI. Auch hier gibt es Kombinationspräparate mit Efavirenz (EFV) wie in Atripla®, mit Rilpivirin (RPV) wie in Eviplera® oder Elvitegravir/Cobicistat (EVG/c) wie in Stribild®.
Allerdings scheinen gerade die Fixkombinationen (außer Atripla®) für schwangere Frauen wenig geeignet zu sein. Denn während TAF/FTC in der allgemeinen Leitlinie gegenüber TDF/FTC bevorzugt wird, wird TAF in der Schwangerschaft und während einer Tuberkulose-Therapie nicht empfohlen: TDF wird in der Schwangerschaft bevorzugt.
Welche Wirkstoffe in der Schwangerschaft empfohlen werden
Zudem war erst im März ein Rote-Hand-Brief erschienen, in dem vor einem Therapieversagen in der Schwangerschaft der drei HIV-Arzneimittel Genvoya®, Stribild® und Tybost® gewarnt wird. Grund sollen erniedrigte Plasmaspiegel des Wirkstoffs Elvitegravir und des Boosters Cobicistat gewesen sein.
In der Deutsch-Österreichischen Leitlinie zur „HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen“ (Stand: März 2017) ist schließlich zu lesen, dass TDF/FTC in der Schwangerschaft in Kombination mit Nevirapin (NNRTI) oder den Protease-Inhibitoren Atazanavir/r, Darunavir/r oder Lopinavir/r empfohlen werden. Dann aber nicht mit dem Booster Cobicistat (c) sondern Ritonavir (r). Alle PI sind in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir oder Cobicistat stärker wirksam als ohne Booster und werden deshalb nur in dieser Kombination empfohlen.
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