Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

11.08.2019, 08:00 Uhr

"Gleichpreisigkeit" à la Spahn-ABDA oder lieber doch darauf pochen, dass das Rx-Boni-Verbot im Arzneimittelgesetz bleibt? (Foto: Andi Dalferth)

"Gleichpreisigkeit" à la Spahn-ABDA oder lieber doch darauf pochen, dass das Rx-Boni-Verbot im Arzneimittelgesetz bleibt? (Foto: Andi Dalferth)


9. August 2019

Wenn das System Securpharm, das nun auf eine halbjährige Bilanz zurückschauen kann,  „weitgehend stabil“ läuft, dann sorgt das bei den Securpharm-Betreibern und dem Bundesgesundheitsministerium schon für Zufriedenheit. Mein liebes Tagebuch, manche geben sich wohl notgedrungen mit wenig zufrieden. Ein „weitgehend stabiler“ Betrieb für ein Sicherheitssystem, das Arzneimittelfälschungen entdecken soll, ist doch eigentlich ein Armutszeugnis. Wer würde sich in ein Flugzeug setzen, von dem man weiß, dass sein System „weitgehend stabil“ läuft. Das erste halbe Jahr Securpharm zeigt, dass es da noch so einige Fehlerursachen unterschiedlichster Genese gibt. O.k., ist ja auch kompliziert und aufwendig, aber vielleicht hätte man sich erst einmal ein Jahr „Übung“ verordnen sollen, statt es schon offiziell scharf zu schalten – denn sollte eine Apotheke eine Fälschung nicht unverzüglich an die zuständigen Behörden melden, kann dies schon als Ordnungswidrigkeit empfindlich geahndet werden. Derzeit schützt uns davor nur die Tatsache, dass das „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)“, das die Verstöße gegen die Verordnung zum Fälschungsschutz ahndet, aus welchen Gründen auch immer noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, obwohl dies schon längst hätte geschehen sollen. Also, mein liebes Tagebuch, in der Praxis zeigt sich immer wieder, dass es beim Securpharm-System, gelinde gesagt, so ab und an klemmt. Manche sprechen von chaotischen Zuständen: Der Server ist bisweilen nicht erreichbar, manche Apotheken drücken Fehlermeldungen weg oder nutzen weiterhin nur den Strichcode statt des 2D-Codes. Wir gehen mit Spannung ins zweite Halbjahr Securpharm – möge noch keine echte Fälschung auf den Markt kommen. 


Unser ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hat uns in der letzten Woche in seinem Brief ans Volk den Kabinettsentwurf für das Apotheken-Stärkungsgesetz als „inhaltlich gut“ schmackhaft gemacht: Wir bekommen die Gleichpreisigkeit im GKV-Bereich, wir bekommen mehr Geld und dazu noch die pharmazeutischen Dienstleistungen. Und ja, das Rx-Versandverbot bekommen wir zwar nicht, aber das behalten wir uns als Option in der Hinterhand, wenn die Rechnung mit dem Rx-Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch nicht aufgeht. Klaus Michels, Chef des Apothekerverbands Westfalen-Lippe kann diese Euphorie nicht teilen –  im Gegenteil, im Interview auf DAZ.online sagt er warum und dass er „dezidiert anderer Auffassung“ als Schmidt ist. Was dann folgt, ist eine messerscharfe Analyse unserer Situation, die uns erwartet, wenn das Rx-Boni-Verbot vom Arzneimittelgesetz ins Sozialgesetzbuch verschoben wird, wie es Spahn vorsieht und von der ABDA mittlerweile akzeptiert wird. Mein liebes Tagebuch, Michels macht deutlich, warum die Gleichpreisigkeit für alle, also auch für die PKV-Versicherten, das „Fundament ist, auf dem die deutsche Vor-Ort-Apotheke ruht“. Das sollte nicht verhandelbar sein, auch nicht für kurzzeitige Vorteile wie beispielsweise die Honorarverbesserungen. Michels Überzeugung: Wenn wir uns auf den Spahnschen Coup einlassen, wie von Schmidt empfohlen, und den PKV- und Selbstzahler-Bereich aufgeben, ihn von der Gleichpreisigkeit ausnehmen, dann fallen sämtliche Argumente weg, die daran anknüpfen, dass ein Arzneimittel sich von anderen Waren unterscheidet, dann „würde sich das Argumentarium zur Rechtfertigung der Preisbindung entscheidend verschlechtern“. Michels sieht durchaus Chancen, das EuGH-Urteil über ein deutsches Gericht erneut dem EuGH vorzulegen, mit dem Ziel das Urteil zu revidieren. Mein liebes Tagebuch, was Michels hier ausbreitet, sollte dringend öffentlich diskutiert werden – bevor unsere Apothekenlandschaft den Bach runtergeht. 


Auch das gab’s in dieser Woche: Gerüchte, nach denen womöglich eine Übernahme des ARZ Darmstadt durch den Noventi-Konzern ansteht. Mein liebes Tagebuch, wie es Gerüchte so an sich haben: Nichts Genaues weiß man nicht. Es gibt Spekulationen, die darauf hindeuten. Und dann entstünde da ein neues großes Rezeptabrechnungszentrum, bei dem dann mehr als 40 Prozent aller Apotheken in Deutschland ihre Rezepte abrechnen würden. Und nicht zu vergessen: Zu Noventi gehört auch das Apotheken-Softwarehaus Awinta. Man kann sich vorstellen, dass eine Fusion sinnvoll wäre, auch mit Blick auf elektronische Rezeptsammelstellen und das E-Rezept. 


Und dann hätten wir da noch den Apotheker Redemann aus Haltern am See, der zum Islam konvertierte und seitdem alle Menschen von seiner Religion überzeugen will. Mein liebes Tagebuch, als Apotheker hat er Sorge, dass seine Kunden in die Hölle kommen (sic!), wenn sie sich nicht zum Islam bekennen. Seinen Glauben will er der Kundschaft zwar nicht aufdrängen, aber wenn sie ihn auf die Islam-Symbole in seiner Apotheke und die Schriftzeichen auf seinem T-Shirt ansprächen, „dann komme ich mit ihnen über den Islam ins Gespräch“. Mein liebes Tagebuch, Gott, Allah, Brahma, der große Buddha oder wer auch immer bewahre uns vor Apothekern, die ihre Offizin zu religiösen Orten machen wollen. Ich möchte in einer Apotheke weder über den Islam noch über die katholische Kirche noch über eine andere Religion diskutieren. Mir reicht es, wenn unsere Apothekers die Arzneimitteltherapiesicherheit im Fokus haben und das Himmel-Hölle-Spiel anderen überlassen. 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


7 Kommentare

Dr. Michels - ist das nicht der Kollege ....

von Gunnar Müller, Detmold am 11.08.2019 um 16:25 Uhr

... der seit bald 12 Jahren in Berlin mit am Tisch sitzt, ab und zu mit ein paar kritischen Anmerkungen in die Presse kommt und in 3 Monaten im November diesen Jahres als Verbandschef wiedergewählt werden möchte…??
Ein Schelm, der Böses dabei denkt ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Dr. Michels - ist das nicht der Kollege

von Georg Dribusch am 11.08.2019 um 19:38 Uhr

Und als Kollegoide die notdiensthabenden Kollegen in Paderborn zum dasitzen verbannt, weil seine Apo an der Notfall Ambulanz bis 22 Uhr geöffnet ist. Raten Sie mal wann die Ambulanz schließt

Zuviel unbezahlt

von Reinhard Rodiger am 11.08.2019 um 13:39 Uhr

"Wir" lassen uns über jede Grenze schubsen.Es wird zuviel gemacht, was nicht bezahlt wird oder gewollt defizitär bleibt.
Wer spricht vom Ärger und Mehraufwand bei Lieferengpässen? Gibt es Ärger nur in Bayern? Wo bleiben die Mehrkosten?
Wer zeigt auf die Verursacher? Wer bringt die Öffentlichkeit in Fahrt? Keiner da!
Sehr eng verbunden damit ist die Missbrauchsmacht der KK, den allgemeinverständlichen Schikanen.Keine bezahlen, wenn einer vor dem 15. stirbt! Ein kleines Beispiel für sofortige Titelzeile in Bild. Pars pro toto.Öffentlichkeitsarbeit? Fehlanzeige.
Wer nennt das Tranzparenzproblem beim Namen? Wer erinnert an unerfüllte Führungsaufgaben? Diesmal Kollege Dr.Michels dankenswerterweise.Nur ein bisschen spät.
Besser als gar keiner.

Statt Antworten gibt es Besänftigung und Ablenkung von Führungsseite.Wieder zuwenig.Vielleicht macht Kollege Michels hier Beine.

Warum ist es nicht möglich, eine Grenze zu definieren und dafür zu kämpfen? Eine solche Grenze wäre : keinen unbezahlten Mehraufwand für KK-verursachte Engpässe.
Vorbild UK : Dort gibt es 5,35 pro bearbeitetem Engpassartikel. Dazu muss man sagen, dass dort das Problem schon verschärft auftritt.Zumindest ist das Stoff, die Erpressungsfunktion der KK namhaft zu machen.

Das sin für sich genommen eher Kleinigkeiten, die durch ihre Nichtbearbeitung an Bedeutung stetig zunehmen.

Hilft da wirklich nur das Warten auf das Verschwinden der lästigen Hälfte wegen Zahlungsausfall ?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Zeit für eine APO ... nein nicht die ... für die Apotheken?

von Christian Timme am 11.08.2019 um 13:34 Uhr

Wie „beauftragt“ man fähige Personen aus der Apothekerschaft und gibt diesen Personen gleichzeitig den notwendigen politischen „Rückhalt“ ... ohne die Standesorganisationen zu „belästigen“? Wer bekommt das hin?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

So kann man es auch sehen

von Karl Friedrich Müller am 11.08.2019 um 13:30 Uhr

Eigentlich sind die Apotheken nicht gemeint in dem Tweet von @BeiAnja. Es trifft die Lage dennoch gut:
„Ich bin gegen das System.“

„Welches System?“

„Na, Merkel und so.“

„Die hat ein System?“

„Ja, die fährt Deutschland vor die Wand.“

„Welche Wand?“

„Na, mit den Ausländern.“

„Welche Ausländer?“

„Die jetzt alle kommen.“

„Aus Holland?“

Ich liebe es, den Nachbarn zu reizen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Dr.Michels

von Dr.Diefenbach am 11.08.2019 um 12:36 Uhr

...heute ich vor Herrn Ströh?Wie kann das sein?-Ich sehe an den Fakten,die Kollege Michels geschildert hat,WIE WICHTIG es gewesen wäre,wenn sich UNSERE Juristen einmal die Mühe gemacht hätten,die komplizierte Sachlage in transparentem Deutsch ALLEN zu erläutern.So kommt bei Vielen eben ein Teil der Fakten an,begleitet von-verständlicher-Angst um die Zukunft und begleitet vom Zorn über fehlende Infos im INNENMARKETING.DAS.ich wiederhole es,hatte der Präsident versprochen.Nur sehe sehr wenig davon.Ich wünsche mir,dass der Kollege Michels,dem ich für seine Ausführungen danke,alle seine Beiträge auch gewinnbringend (!) in der ABDA-MV vortragen wird.Und kann.
Und zum Islam-Akteur.Ich frage auch hier nochmals,WER überhaupt auf die Idee kam,dieses Forum als Plattform für derartige Erscheinungen zur Verfügung zu stellen.DAZU ist DAZ online viel zu seriös.Denn es öffnet einem inakzeptablen "Marketing" ggf. Tür und Tor.-Und dann zum zugesagten (....) Geld.DIESE Beträge schmelzen ja offenbar dahin wie das Eis in der Sonne.WO ist denn jetzt der Endpunkt? Und noch was:Dass unsere "PR" sich dem ja nun endlich in einer breiten Öffentlichkeit angekommenen Thema Lieferengpässe NICHT widmet:Eine Schande !Man könnte die vielen Gründe gut plastisch .auch als ABDA INFO,in den Medien plazieren.Mit dem Hinweis,dass dies nun ins bald zehnte Jahr geht.Und dass die Klinikskollegen bedrohliche Engpässe bereits 2o14/15 meldeten,ohne dass man grösser Notiz davon nahm-hier verspielt der Berufsstand leider Reputation,denn es bleibt so viel Kritik AN der Apotheke hängen.Und genau dies ist unfair und muss aktiv(!!!!!) korrigiert werden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Dr.Michels ... und wie geht es weiter?

von Ulrich Ströh am 11.08.2019 um 13:57 Uhr

Tja lieber Kollege Diefenbach, ist halt Ferienzeit!

In einem wichtigen Punkt stimme ich Ihnen zu:
Kollege Michels muss jetzt seine Ideen und Anmerkungen im Interview weiterverfolgen.

Nur den Stein ins Wasser werfen , reicht nicht !

Man muss dann auch dahingehen , wo es im Wasser ungemütlich wird...

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.