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9. August 2019
Wenn das System Securpharm, das nun auf eine halbjährige Bilanz zurückschauen kann, „weitgehend stabil“ läuft, dann sorgt das bei den Securpharm-Betreibern und dem Bundesgesundheitsministerium schon für Zufriedenheit. Mein liebes Tagebuch, manche geben sich wohl notgedrungen mit wenig zufrieden. Ein „weitgehend stabiler“ Betrieb für ein Sicherheitssystem, das Arzneimittelfälschungen entdecken soll, ist doch eigentlich ein Armutszeugnis. Wer würde sich in ein Flugzeug setzen, von dem man weiß, dass sein System „weitgehend stabil“ läuft. Das erste halbe Jahr Securpharm zeigt, dass es da noch so einige Fehlerursachen unterschiedlichster Genese gibt. O.k., ist ja auch kompliziert und aufwendig, aber vielleicht hätte man sich erst einmal ein Jahr „Übung“ verordnen sollen, statt es schon offiziell scharf zu schalten – denn sollte eine Apotheke eine Fälschung nicht unverzüglich an die zuständigen Behörden melden, kann dies schon als Ordnungswidrigkeit empfindlich geahndet werden. Derzeit schützt uns davor nur die Tatsache, dass das „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)“, das die Verstöße gegen die Verordnung zum Fälschungsschutz ahndet, aus welchen Gründen auch immer noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, obwohl dies schon längst hätte geschehen sollen. Also, mein liebes Tagebuch, in der Praxis zeigt sich immer wieder, dass es beim Securpharm-System, gelinde gesagt, so ab und an klemmt. Manche sprechen von chaotischen Zuständen: Der Server ist bisweilen nicht erreichbar, manche Apotheken drücken Fehlermeldungen weg oder nutzen weiterhin nur den Strichcode statt des 2D-Codes. Wir gehen mit Spannung ins zweite Halbjahr Securpharm – möge noch keine echte Fälschung auf den Markt kommen.
Unser ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hat uns in der letzten Woche in seinem Brief ans Volk den Kabinettsentwurf für das Apotheken-Stärkungsgesetz als „inhaltlich gut“ schmackhaft gemacht: Wir bekommen die Gleichpreisigkeit im GKV-Bereich, wir bekommen mehr Geld und dazu noch die pharmazeutischen Dienstleistungen. Und ja, das Rx-Versandverbot bekommen wir zwar nicht, aber das behalten wir uns als Option in der Hinterhand, wenn die Rechnung mit dem Rx-Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch nicht aufgeht. Klaus Michels, Chef des Apothekerverbands Westfalen-Lippe kann diese Euphorie nicht teilen – im Gegenteil, im Interview auf DAZ.online sagt er warum und dass er „dezidiert anderer Auffassung“ als Schmidt ist. Was dann folgt, ist eine messerscharfe Analyse unserer Situation, die uns erwartet, wenn das Rx-Boni-Verbot vom Arzneimittelgesetz ins Sozialgesetzbuch verschoben wird, wie es Spahn vorsieht und von der ABDA mittlerweile akzeptiert wird. Mein liebes Tagebuch, Michels macht deutlich, warum die Gleichpreisigkeit für alle, also auch für die PKV-Versicherten, das „Fundament ist, auf dem die deutsche Vor-Ort-Apotheke ruht“. Das sollte nicht verhandelbar sein, auch nicht für kurzzeitige Vorteile wie beispielsweise die Honorarverbesserungen. Michels Überzeugung: Wenn wir uns auf den Spahnschen Coup einlassen, wie von Schmidt empfohlen, und den PKV- und Selbstzahler-Bereich aufgeben, ihn von der Gleichpreisigkeit ausnehmen, dann fallen sämtliche Argumente weg, die daran anknüpfen, dass ein Arzneimittel sich von anderen Waren unterscheidet, dann „würde sich das Argumentarium zur Rechtfertigung der Preisbindung entscheidend verschlechtern“. Michels sieht durchaus Chancen, das EuGH-Urteil über ein deutsches Gericht erneut dem EuGH vorzulegen, mit dem Ziel das Urteil zu revidieren. Mein liebes Tagebuch, was Michels hier ausbreitet, sollte dringend öffentlich diskutiert werden – bevor unsere Apothekenlandschaft den Bach runtergeht.
Auch das gab’s in dieser Woche: Gerüchte, nach denen womöglich eine Übernahme des ARZ Darmstadt durch den Noventi-Konzern ansteht. Mein liebes Tagebuch, wie es Gerüchte so an sich haben: Nichts Genaues weiß man nicht. Es gibt Spekulationen, die darauf hindeuten. Und dann entstünde da ein neues großes Rezeptabrechnungszentrum, bei dem dann mehr als 40 Prozent aller Apotheken in Deutschland ihre Rezepte abrechnen würden. Und nicht zu vergessen: Zu Noventi gehört auch das Apotheken-Softwarehaus Awinta. Man kann sich vorstellen, dass eine Fusion sinnvoll wäre, auch mit Blick auf elektronische Rezeptsammelstellen und das E-Rezept.
Und dann hätten wir da noch den Apotheker Redemann aus Haltern am See, der zum Islam konvertierte und seitdem alle Menschen von seiner Religion überzeugen will. Mein liebes Tagebuch, als Apotheker hat er Sorge, dass seine Kunden in die Hölle kommen (sic!), wenn sie sich nicht zum Islam bekennen. Seinen Glauben will er der Kundschaft zwar nicht aufdrängen, aber wenn sie ihn auf die Islam-Symbole in seiner Apotheke und die Schriftzeichen auf seinem T-Shirt ansprächen, „dann komme ich mit ihnen über den Islam ins Gespräch“. Mein liebes Tagebuch, Gott, Allah, Brahma, der große Buddha oder wer auch immer bewahre uns vor Apothekern, die ihre Offizin zu religiösen Orten machen wollen. Ich möchte in einer Apotheke weder über den Islam noch über die katholische Kirche noch über eine andere Religion diskutieren. Mir reicht es, wenn unsere Apothekers die Arzneimitteltherapiesicherheit im Fokus haben und das Himmel-Hölle-Spiel anderen überlassen.
7 Kommentare
Dr. Michels - ist das nicht der Kollege ....
von Gunnar Müller, Detmold am 11.08.2019 um 16:25 Uhr
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AW: Dr. Michels - ist das nicht der Kollege
von Georg Dribusch am 11.08.2019 um 19:38 Uhr
Zuviel unbezahlt
von Reinhard Rodiger am 11.08.2019 um 13:39 Uhr
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Zeit für eine APO ... nein nicht die ... für die Apotheken?
von Christian Timme am 11.08.2019 um 13:34 Uhr
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So kann man es auch sehen
von Karl Friedrich Müller am 11.08.2019 um 13:30 Uhr
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Dr.Michels
von Dr.Diefenbach am 11.08.2019 um 12:36 Uhr
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AW: Dr.Michels ... und wie geht es weiter?
von Ulrich Ströh am 11.08.2019 um 13:57 Uhr
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