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Monovalente Impfstoffe nicht empfohlen
Masern: Die Impfpflicht kommt – aber kein Einzelimpfstoff in Sicht?
Läuft alles nach Plan, tritt das Masernschutzgesetz, das am 17. Juli 2019 im Kabinett beschlossen wurde, am 1. März 2020 in Kraft. Doch angesichts wiederkehrender Impfstoff-Lieferengpässe fragt sich mancher Apotheker, ob es mit Eintritt der Masern-Impfpflicht überhaupt genügend Masern-Impfstoff geben wird. Hinzu kommt die Frage, wie Patienten beraten werden sollen, die nur ihrer Masern-Impfpflicht nachkommen, aber keine andere Impfung erhalten möchten? Einen Einzelimpfstoff gegen Masern gibt es in Deutschland nämlich nicht – und wird es nach Recherchen von DAZ.online wohl auch in naher Zukunft nicht geben.
Nach Ansicht des Deutschen Ethikrates ist jede Person moralisch dazu verpflichtet, sich selbst (und die eigenen Kinder) gegen Masern impfen zu lassen. Eine staatliche Impfpflicht sieht der Rat dagegen differenzierter.
So schrieb der Ethikrat in einer Stellungnahme vom 27. Juni 2019, dass bereits die „Androhung von Zwang das Vertrauen in Impfungen und die Bereitschaft zur freiwilligen Impfung“ senken könnte. In diesem Zusammenhang sei auch bedeutsam, dass seit 2017 in Deutschland kein Masern-Einzelimpfstoff mehr verfügbar ist.
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Tritt also die Impfpflicht gegen Masern am 1. März 2020 wie geplant in Kraft, muss nach derzeitigem Stand auch eine unfreiwillige „Mitimpfung“ gegen Krankheiten erfolgen, gegen die gar keine Impfpflicht besteht. Das wären im Fall der Dreifachimpfung Mumps und Röteln (MMR), im Fall der Vierfachimpfung kommt noch die Impfung gegen Windpocken (Varizellen, MMRV) hinzu. Rein rechtlich ist der Ethikrat deshalb der Ansicht, dass Masern-Einzelimpfstoffe bei einer Impfpflicht wieder auf den Markt gebracht werden müssten.
Dass Mehrfachimpfungen dabei dennoch sinnvoll sind, zweifelt der Ethikrat übrigens nicht an. Allerdings wäre letztlich „zu befürchten, dass als Kollateralschaden einer robust durchgesetzten“ Impfpflicht gegen Masern (durch das Fehlen eines Einzelimpfstoffs) die gesellschaftliche Akzeptanz für Impfungen generell abnehmen könnte.
Ob es in den nächsten Jahren in Deutschland einen Einzelimpfstoff gegen Masern geben wird, darüber entscheiden vor allem die herstellenden pharmazeutischen Unternehmen. DAZ.online hat dort und auch beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sowie dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nachgefragt.
Hersteller und BMG sehen keinen weiteren Handlungsbedarf
Wie DAZ.online bereits berichtete, ist bis voraussichtlich Oktober 2019 der MMRV-Impfstoff Priorix Tetra® von GSK (gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken) nicht lieferfähig. Das ist allerdings schon seit November 2018 der Fall und bislang gab es genügend Alternativen, sodass der Lieferengpass noch keinen Versorgungsengpass zur Folge hat: Infrage kommen als Alternative entweder der Vierfachimpfstoff Proquad® (von MSD), der wie Priorix Tetra® vor Masern, Mumps, Röteln und Varizellen schützt, oder als Ersatz die MMR-Dreifachimpfstoffe Priorix® (GSK) und M-M-RVAXPRO® (MSD). Letztere können zeitgleich mit einem Monoimpfstoff gegen Varizellen® verabreicht werden: Varilrix® (GSK) oder Varivax® (MSD).
Bei Varivax® ist allerdings voraussichtlich bis September 2019 nur die 1er-Packung verfügbar, wie MSD DAZ.online mitteilte. Zudem scheint seit Kurzem (25.07.2019) auch die 10er-Packung von M-M-RVAXPRO® (MSD) bis Oktober 2019 nicht mehr lieferbar zu sein.
Neben diesen Original-Herstellern sind in der Liste des
Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) auch noch einige Parallelimporteure genannt, die
über eine Zulassung der jeweiligen Impfstoffe verfügen. Wobei diese nur liefern
können, wenn der Originalhersteller produziert. Darunter auch die EurimPharm
Arzneimittel GmbH, die zudem noch über eine Zulassung des Mono-Masern-Impfstoffs
„Masern-Impfstoff Mérieux“ verfügt, welcher allerdings nicht mehr vermarktet
wird.
Niemand will den Masern-Einzelimpfstoff produzieren
Bereits im Juli 2019 schrieb GSK auf Anfrage an DAZ.online, dass der aktuelle Engpass von Priorix Tetra® letztlich dafür sorgen soll, dass zukünftigen Engpässen vorgebeugt wird: „Aufgrund der weltweit steigenden Nachfrage nach unseren Impfstoffen ist GSK derzeit dabei, weitere Produktionskapazitäten aufzubauen […].“ Man investiere in hohem Maße in neue Produktionsanlagen. „GSK nimmt an, dass die zusätzlichen Produktionsstätten in den nächsten Jahren einsatzbereit sein werden, jedoch nicht vor Ende 2020.“ MSD wiederum konnte den Engpass von GSK, nach eigenen Angaben, bislang nur durch eine Umverteilung ursprünglich anders verplanter Chargen abfangen.
Trotz der aktuellen Liefersituation und der kommenden Impfpflicht scheint auf verantworlticher Seite niemand die Versorgung mit Masern-Impfstoff in Deutschland in Gefahr zu sehen:
Laut des vom Bundeskabinett am 17.07.2019 beschlossenen Masernschutzgesetzes rechnet das Bundesministerium für Gesundheit für 2020 mit einem über den üblichen Bedarf hinausgehenden Mehrbedarf von zusätzlichen 1,57 Millionen Dosen an Masernimpfstoff. Wir gehen davon aus, dass durch Produktionsanpassungen dieser Mehrbedarf gedeckt werden wird“
Man stehe auch im Austausch mit der Politik, heißt es bei GSK. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) schrieb an DAZ.online, dass der Zeitplan für das Gesetz unverändert steht: „Wir gehen davon aus, dass mit dem Inkrafttreten des Gesetzes ausreichend Impfstoffe zur Verfügung stehen.“
Ganz konkret schrieb GSK außerdem an DAZ.online: „GSK wird keinen Mono-Impfstoff produzieren.“ Auch kein anderer der bekannten Impfstoffhersteller schien gegenüber DAZ.online erpicht darauf zu sein, einen Mono-Masern-Impfstoff herzustellen. Zum einen würde es jahrelang dauern, eine solche Produktion aufzubauen. Ein MSD-Sprecher verwies zudem darauf, dass es sich um eine globale Unternehmensentscheidung handele, die sicherlich nicht von einem deutschen Gesetz abhängig gemacht werde.
Impfpflicht, aber keine Zwangsimpfung
Der ursprünglich in Deutschland verfügbare (und weiter oben erwähnte) „Masern-Impfstoff Mérieux“ stammte aus dem gemeinsamen Impfstoffgeschäfte von Sanofi Pasteur und MSD, das allerdings 2017 endete. Da der Originalhersteller den Mono-Impfstoff also nicht mehr produziert, kann auch der Parallelimporteur EurimPharm ihn nicht mehr auf den Markt bringen. Das bestätigte auch das PEI gegenüber DAZ.online.
Das PEI verweist außerdem auf die „Fragen und Antworten zum Masernschutzgesetz auf den Seiten des BMG“: Dort scheint man den Einfach-Impfstoff gegen Masern noch nicht gänzlich aufgegeben zu haben. Denn eine Zulassung in diesem Bereich sei möglich, allerdings hängt das „davon ab, ob und wann ein Hersteller sie beantragt“. Ob es also in Zukunft einen Einzelimpfstoff gegen Masern geben wird, liegt auch laut dem PEI gänzlich in der Hand der Pharmaunternehmen.
Dennoch gilt laut den Seiten des BMG: „Wer nach dem Gesetzentwurf zu einer der verpflichteten Personengruppen gehört, muss sich auch dann gegen Masern impfen lassen, wenn hierfür nur Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen.“ Das Masernschutzgesetz stellt das ansgesichts der bestehenden Situation ausdrücklich klar. Eine Zwangsimpfung werde es zwar definitiv nicht geben, jedoch können Zwangsgelder drohen.
Ist der Import aus der Schweiz eine Lösung?
Die Lauer-Taxe verrät und das PEI bestätigt, dass in der Schweiz gegen Masern „ein von Swissmedic für das Unternehmen PaxVax Berna zugelassener monovalenter Impfstoff in geringer Dosenzahl zum Einsatz“ kommt. Die Fachinformation dazu findet man online unter dem Namen Measles Vaccine (live). Produzieren soll den Impfstoff das Serum Institute of India.
Ein Import wäre als Einzelimport nach § 73 Abs. 3 AMG aus der Schweiz also möglich, allerdings ist fraglich, ob nach Eintritt der deutschen Impfpflicht in der Schweiz ausreichend Impfstoff für den Export vorhanden wäre.
Warum Mono-Impfstoffe zunehmend vom Markt gehen
Warum scheinen weder Politik noch Pharmaindustrie einen Mono-Impfstoff gegen Masern anzustreben? Und warum scheinen grundsätzlich immer weniger Einzelimpfstoffe auf dem Markt zu sein? GSK begründet das mit der Empfehlung der STIKO (Ständige Impfkommission), anstelle monovalenter Impfstoffe möglichst kombiniert zu impfen. „Die Bereitstellung der entsprechenden Impfstoffe durch die Hersteller, aber eben auch die Einstellung des Vertriebs nicht mehr geeigneter Impfstoffe“, könne das Ziel der Erreichung eines „bedarfsgerechten und vollständigen Impfschutzes“ unterstützen, erläutert GSK sein Vorgehen.
Die Hersteller nehmen keinen Impfstoff vom Markt, für den es einen medizinischen und epidemiologischen Bedarf gibt.“
Warum die Hersteller anlässlich einer Masern-Impfpflicht nicht einfach wieder damit beginnen können Monoimpfstoffe parallel zu Kombinationsimpfstoffen herzustellen, erklärt das PEI so: „Auf einer Produktionsanlage können Sie pro Zeiteinheit nur einen Impfstoff produzieren, Mono oder Kombi. Sie können nicht einfach bei der Produktion des Kombi-Impfstoffs einen Teil als Mono-Impfstoff abzweigen.“
Letztlich bleibt also abzuwarten, welche Handlungsempfehlungen herausgegeben werden, sollte die Masern-Impfpflicht in Kraft treten und kein Einzelimpfstoff in Deutschland verfügbar sein.
Aktuell lautet die Empfehlung auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts auf die Frage „Soll gegen Masern oder Röteln monovalent oder mit Kombinationsimpfstoffen geimpft werden?“ jedenfalls, dass mit Kombinationsimpfstoffen geimpft werden sollte, „um die Anzahl der Injektionen bei Kindern gering zu halten“. Der Kombinationsimpfstoff sei dabei grundsätzlich nicht schlechter verträglich als ein Einzelimpfstoff, „reduziert jedoch Impfungen und die damit verbundenen möglichen Nebenwirkungen (z.B. Infektionen)“.
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