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Als Nahrungsergänzungsmittel deklariert
Landratsamt warnt vor Defekturen aus schwäbischer Apotheke
Die Wirkstoffe – eine Einordnung
Ein Blick in die „Arzneimittelverschreibungsverordnung – AMVV“ verrät allerdings, dass Procain sehr wohl unter die Verschreibungspflicht fällt, wenn es oral eingenommen wird. Mancher Apotheker wundert sich wahrscheinlich ohnehin, warum man Procain überhaupt oral einnehmen sollte. Eine Suche in der Lauer-Taxe ergibt keine oralen Darreichungsformen. Die orale Einnahme erscheint bei einem Lokalanästhetikum auch nicht sinnvoll.
Procainamid wird hingegen als Antiarrhythmikum der Klasse IA eingesetzt, laut Lauer-Taxe ist es aber nur noch in Ampullen in Spanien im Handel. Gegenüber der Augsburger Allgemeinen gab der beschuldigte Apotheker an, Procain sei früher als Mittel zum Einsatz gekommen, das den Kreislauf anregen soll. 1979 titelte hingegen der Spiegel zu vermeintlichen Geriatrika mit dem Wirkstoff Procain: „Saft ohne Kraft“.
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„Roter Reis“ (Rotschimmelreis) sollte Apothekern hingegen noch präsenter sein als Procain. 2016 warnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vor „Red Rice-Nahrungsergänzungsmitteln“: Produkte ab einer Tagesdosis von 5 mg Monakolin K seien als Arzneimittel einzustufen, hieß es damals. Monakolin K ist identisch mit dem Wirkstoff Lovastatin, der in zugelassenen und verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln zur Senkung des Cholesterinspiegels enthalten ist. Daher können Zubereitungen mit Rotem Reis die gleiche Wirkung entfalten wie Arzneimittel mit Lovastatin.
Allerdings wird im konkreten Fall nicht ganz klar benannt, um welche Art Roten Reis es sich handelt: Wie in der DAZ 45/2018 zu lesen war, darf Rotschimmelreis nicht mit rotschaligem Reis (sog. „Carmargue-Reis“) verwechselt werden, bei dem es sich um eine relativ neue Züchtung aus einer wilden Reissorte handelt. Rotschimmelreis dagegen entsteht, indem handelsüblicher weißer Reis (Oryza sativa) mit Schimmelpilzen der Gattung Monascus „beimpft“ wird. Bei der einsetzenden Fermentation entsteht neben rotem Farbstoff auch Monakolin K.
Der beschuldigte Apotheker sagte der Augsburger Allgemeinen, aus den Schalen des Roten Reises seien Wirkstoffe extrahiert worden, die einen positiven Einfluss auf den Fettstoffwechsel haben können.
Ein Problem, dass sich bei Nahrungergänzungsmitteln grundsätzlich ergibt, wird in dem Text aus der DAZ 45/2018 ebenso dargestellt: Für die Marktrücknahme von Nahrungsergänzungsmitteln sind nicht Bundesbehörden wie BVL und BfArM zuständig sind, sondern die Lebensmittelüberwachungsbehörden der einzelnen Bundesländer. „Damit diese eingreifen können, müssen die im Markt befindlichen Monakolin-K-haltigen Rotschimmelreis-Präparate zunächst von der Arzneimittelüberwachungsbehörde des Bundeslandes, in dem der jeweilige Hersteller bzw. Vertreiber seinen Sitz hat, im Rahmen einer Einzelfallentscheidung als Arzneimittel eingestuft werden. Bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts können die Präparate weiter vertrieben werden. Diese Situation zeigt ein erhebliches regulatorisches Defizit, das zu gut dokumentierten Gesundheitsrisiken in der Bevölkerung führt.“
2 Kommentare
Kapseln aus der St. Martins-Apotheke
von Stephanie Bor am 25.09.2019 um 14:48 Uhr
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Schwäbische Defekturen
von Roland Mückschel am 04.09.2019 um 17:01 Uhr
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