Als Nahrungsergänzungsmittel deklariert

Landratsamt warnt vor Defekturen aus schwäbischer Apotheke

Stuttgart - 04.09.2019, 16:14 Uhr

Vor selbst hergestellten Präparaten in blauen Plastikdosen mit Etiketten wie dem abgebildeten warnt derzeit das Landratsamt Günzburg. (Foto: Landratsamt Günzburg)

Vor selbst hergestellten Präparaten in blauen Plastikdosen mit Etiketten wie dem abgebildeten warnt derzeit das Landratsamt Günzburg. (Foto: Landratsamt Günzburg)


Die Wirkstoffe – eine Einordnung

Ein Blick in die „Arzneimittelverschreibungsverordnung – AMVV“ verrät allerdings, dass Procain sehr wohl unter die Verschreibungspflicht fällt, wenn es oral eingenommen wird. Mancher Apotheker wundert sich wahrscheinlich ohnehin, warum man Procain überhaupt oral einnehmen sollte. Eine Suche in der Lauer-Taxe ergibt keine oralen Darreichungsformen. Die orale Einnahme erscheint bei einem Lokalanästhetikum auch nicht sinnvoll. 

Procainamid wird hingegen als Antiarrhythmikum der Klasse IA eingesetzt, laut Lauer-Taxe ist es aber nur noch in Ampullen in Spanien im Handel. Gegenüber der Augsburger Allgemeinen gab der beschuldigte Apotheker an, Procain sei früher als Mittel zum Einsatz gekommen, das den Kreislauf anregen soll. 1979 titelte hingegen der Spiegel zu vermeintlichen Geriatrika mit dem Wirkstoff Procain: „Saft ohne Kraft“.

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„Roter Reis“ (Rotschimmelreis) sollte Apothekern hingegen noch präsenter sein als Procain. 2016 warnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vor „Red Rice-Nahrungsergänzungsmitteln“: Produkte ab einer Tagesdosis von 5 mg Monakolin K seien als Arzneimittel einzustufen, hieß es damals. Monakolin K ist identisch mit dem Wirkstoff Lovastatin, der in zugelassenen und verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln zur Senkung des Cholesterinspiegels enthalten ist. Daher können Zubereitungen mit Rotem Reis die gleiche Wirkung entfalten wie Arzneimittel mit Lovastatin. 

Allerdings wird im konkreten Fall nicht ganz klar benannt, um welche Art Roten Reis es sich handelt: Wie in der DAZ 45/2018 zu lesen war, darf Rotschimmelreis nicht mit rotschaligem Reis (sog. „Carmargue-Reis“) verwechselt werden, bei dem es sich um eine relativ neue Züchtung aus einer wilden Reissorte handelt. Rotschimmelreis dagegen entsteht, indem handels­üblicher weißer Reis (Oryza sativa) mit Schimmelpilzen der Gattung Monascus „beimpft“ wird. Bei der einsetzenden Fermentation entsteht neben rotem Farbstoff auch Monakolin K. 

Der beschuldigte Apotheker sagte der Augsburger Allgemeinen, aus den Schalen des Roten Reises seien Wirkstoffe extrahiert worden, die einen positiven Einfluss auf den Fettstoffwechsel haben können.

Ein Problem, dass sich bei Nahrungergänzungsmitteln grundsätzlich ergibt, wird in dem Text aus der DAZ 45/2018 ebenso dargestellt: Für die Marktrücknahme von Nahrungsergänzungsmitteln sind nicht Bundesbehörden wie BVL und BfArM zuständig sind, sondern die Lebensmittelüberwachungsbehörden der einzelnen Bundesländer. „Damit diese eingreifen können, müssen die im Markt befindlichen Monakolin-K-haltigen Rotschimmelreis-Präparate zunächst von der Arzneimittelüberwachungsbehörde des Bundeslandes, in dem der jeweilige Hersteller bzw. Vertreiber seinen Sitz hat, im Rahmen einer Einzelfallentscheidung als Arzneimittel eingestuft werden. Bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts können die Präparate weiter vertrieben werden. Diese Situation zeigt ein erhebliches regulatorisches Defizit, das zu gut dokumentierten Gesundheitsrisiken in der Bevölkerung führt.“



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Kapseln aus der St. Martins-Apotheke

von Stephanie Bor am 25.09.2019 um 14:48 Uhr

Frage:
hat es mit diesem Produkt aus der Apotheke schon wem geschadet, falls ja, was waren oder sind die negativen Auswirkungen von diesem Produkt?
Hat es evtl. auch positive Auswirkungen gegeben?
Was sind die Gründe?

Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass ein Apotheker/Apothekerin mit diesen Kapseln den Menschen etwas böses wollte...
Der Bestandteil Procain (ist nicht Verschreibungspflichtig)
Roter Reisschalenextrakt/Kapseln kann man doch beim Rossmann kaufen und wird auch in der Produktion bei Ringana (soweit ich weis) mitverarbeitet..
Das sind doch beides Nahrungsergänzungsmittel...?... und da weiß man ja mittlerweile auch nicht was genau an Zusatzstoffen drinnen ist .... oder bin ich falsch an?
Die Pharmakonzerne sind mittlerweile so abgeschottet das wir sowieso keine Chance haben Einblicke zu bekommen. Wir alle müssen uns ja auch darauf verlassen das SIE uns nicht was falsches auftischen...

Wie gesagt: Ein Apotheker (ein kleiner Betrieb) der Naturmedizin herstellt und dabei mehreren Menschen wahrscheinlich sehr damit geholfen hat finde ich klasse.
Es gibt so viele Fehldiagnosen wo Patienten dann auch noch die falschen Medikamente verschrieben bekommen, die wahrscheinlich kein Arzt zugeben würde (oder nur wenige..) wird aber keine Rücksprache gehalten oder Verbote über die Presse ausgesprochen. .. was ist mit solchen Fällen..?..

Hat man dem Apotheker evtl. auch Hilfe angeboten oder wurde von den großen Pharmaindustrien von vornhinein ein Riegel vorgeschoben?

Ich finde die Naturmedizin im allgemeinen sehr wichtig.

Man könnte doch das alles sehr gut mit der Schulmedizin verbinden.?.

Ich bitte Sie meine Meinung zu respektieren und nicht als naiv oder dergleichen zu bezeichnen.
Bitte nicht falsch verstehen, ich möchte das hier nur hinterfragen als Ottonormalverbraucher.

Liebe Grüße aus Österreich
Steffie

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Schwäbische Defekturen

von Roland Mückschel am 04.09.2019 um 17:01 Uhr

Ja das Böse schläft nie.
Vom Ausland lernen heisst straffrei bleiben.

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