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Bottroper Zyto-Skandal
Staatsanwaltschaft zieht Revision gegen Apotheker Peter S. zurück
Überraschung im Strafverfahren gegen den früheren Zyto-Apotheker Peter S.: Wie DAZ.online erfuhr, hat die Staatsanwaltschaft nach Absprache mit der Generalstaatsanwaltschaft ihre Revision zum Bundesgerichtshof zurückgenommen. Revisionsanträge der Verteidigung sowie der Nebenkläger sind jedoch noch anhängig.
Nachdem das Landgericht Essen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. im Juli 2018 zu zwölf Jahren Haft und einem lebenslangen Berufsverbot verurteilt hatte, haben die Staatsanwaltschaft Essen, die Verteidigung und Nebenkläger Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. Das Urteil ist daher nach wie vor nicht rechtskräftig, Peter S. sitzt weiterhin in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hatte insbesondere die Höhe des eingezogenen Wertersatzes angegriffen: Ihrer Ansicht nach waren rund 62.000 Rezepturen schon aufgrund von Hygiene- und Dokumentationsmängeln als mangelhaft anzusehen, so dass sie deren Abrechnung bei den Krankenkassen als Betrug gewertet hatte. Das Landgericht hatte nur 14.000 Rezepturen als fehlerhaft angesehen und den Schaden auf 17 Millionen Euro geschätzt, sowie die Einziehung eines entsprechenden Wertersatzbetrags erkannt, während die Staatsanwaltschaft von gut 56 Millionen Euro Schaden ausging. Außerdem hatte sie ein öffentliches Interesse für eine Verurteilung wegen Körperverletzungsdelikten vorgebracht, während das Gericht den Apotheker in dieser Sache freigesprochen hatte.
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Generalstaatsanwaltschaft: Revision hätte keine Aussicht auf Erfolg
Anfang September hat die Staatsanwaltschaft nach Informationen von DAZ.online die Revision jedoch zurückgenommen. „Die Entscheidung dazu ist nach behördeninterner Beratung getroffen worden“, bestätigt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Sie gibt sich zugeknöpft. „Details werden wir nicht nach außen kommunizieren“, sagt die Sprecherin.
Auskunftsfreudiger gibt sich die Generalstaatsanwaltschaft Hamm, welcher die Revisionsbegründung seit Anfang April dieses Jahres zur Prüfung vorlag. „Diese Prüfung hat ergeben, dass die Revision keine Aussicht auf Erfolg bietet“, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage. Selbst wenn die Aussicht bestehe, dass das Revisionsgericht ein Urteil aufhebt, sei eine Revision nur durchzuführen, wenn mit ihr ein „endgültiger Erfolg“ erreicht werden könnte. „Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall“, sagt der Sprecher.
„Zum einen erscheinen Strafmaß und Höhe der Einziehung von Vermögen im Ergebnis nicht erfolgreich anfechtbar.“ Zum anderen wäre auch für den Fall der Festsetzung eines höheren Einziehungsbetrages in einem zweiten – „erneut umfangreichen“ – Tatsachen-Verfahren eine tatsächlich höhere Abschöpfung von Vermögen mit Blick auf die Vermögenswerte, die von der Staatsanwaltschaft gesichert werden konnten, nicht zu erwarten, erklärt der Sprecher. Sprich: Vom Apotheker ist nicht mehr viel zu holen, ein Insolvenzverfahren gegen ihn wurde dieses Jahr eröffnet. „Die Staatsanwaltschaft Essen hat sich dem Ergebnis der Prüfung angeschlossen und die Revision daher, wie von dort mitgeteilt, zwischenzeitlich zurückgenommen“, erklärt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Das Verfahren wurde zwischenzeitlich dem Bundesgeneralanwalt beim Bundesgerichtshof zugeleitet.
Verteidiger von Peter S. zeigt sich überrascht
Er sei über die Rücknahme der Revision „ein Stück weit überrascht“, erklärt Peter Strüwe, der Verteidiger des Apothekers . So habe nach Bejahung des öffentlichen Interesses im Raum gestanden, ob auch wegen Körperverletzung verurteilt werden soll – daher verstehe er die Rücknahme nicht. „Im Übrigen wundert mich, dass die Entscheidung so viel Zeit gebraucht hat“, sagt er. Sorgen vor der staatsanwaltschaftlichen Revision habe er jedoch ohnehin nicht gehabt.
„Diese Entscheidung ist vertretbar – ob sie richtig ist, ist eine andere Frage“, sagt Nebenklagevertreter Andreas Schulz. „Aus Sicht der Opfer ganz sicher nicht.“ Am Ende des Tages sei dies eine Ressourcenfrage – „es geht nicht nur um materielle Gerechtigkeit“. Solche Entscheidungen seien für die Opfer sehr unbefriedigend, sagt Schulz – aber sie seien rechtlich vertretbar. „Der Fall ist damit nicht zu Ende.“
Die Verteidigung hatte beim Verfahren am Landgericht Essen auf Freispruch plädiert und griff das Urteil in mehreren Punkten an, weshalb es ihrer Ansicht nach vom Bundesgerichtshof aufgehoben werden sollte – allein schon wegen der Schöffenbesetzung, welche nach Ansicht der Verteidiger nicht ordnungsgemäß lief. Nebenklagevertreter wie Schulz fordern im Rahmen der Revision eine Verurteilung des Apothekers wegen Morddelikten. Die Revision der Staatsanwaltschaft habe jedoch ein anderes Gewicht, sagt Schulz. „Deshalb fühlen die Betroffenen sich im Stich gelassen.“
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