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Gastbeitrag
„Die Zukunft der Apotheke liegt in den Dienstleistungen“
Zu pharmazeutischen Dienstleistungen gehen die Vorstellungen weit auseinander. Das zeigten auch die Diskussionen beim Deutschen Apothekertag. In der Schweiz ist man schon ein Stück weiter. Hier gehören Dienstleistungen in Apotheken schon zum Versorgungsalltag, teilweise werden sie auch von den Kassen vergütet. Die Schweizer Apothekerin und Bloggerin Pharmama ist der Auffassung, dass die Zukunft der Apotheke in den Dienstleistungen liegt, ohne sie werden sie nicht überleben. In ihrem Gastbeitrag beschreibt sie die aktuelle Lage in der Schweiz.
Das Gesundheitssystem ist im Wandel, in der Schweiz genauso wie in Deutschland. Wir haben eine Bevölkerung, die immer älter wird und zunehmend mit chronischen Krankheiten lebt. Dazu kommen der drohende Hausärztemangel und schon aktuell sehr überlaufene Notaufnahmen. Auf der anderen Seite hat sich auch die Rolle des Patienten verändert: Er wird weniger als passiver Konsument von Gesundheitsdienstleistungen betrachtet, sondern als eigenständiger Akteur, der informiert und eigenverantwortlich zu Gunsten seiner Gesundheit handelt – und sich auch selbst daran beteiligt, zum Beispiel bei kleineren Erkrankungen.
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Apotheken nicht länger nur Hersteller von Arzneimitteln
Dadurch hat sich die Rolle der Apotheken (der Apothekerinnen und Apotheker) in den letzten Jahren grundsätzlich verändert – weg vom ursprünglichen Profil des Herstellers und Anbieters von Heilmitteln, hin zum Anbieter von zusätzlichen Dienstleistungen, Informationen und einer patientenzentrierten Behandlung.
Die Politik in der Schweiz hat dies gesehen und unterstützt – 2011 wurde mit dem Postulat Humbel „Positionierung der Apotheken in der Grundversorgung“ der Bundesrat beauftragt, aufzuzeigen, welche Aufgaben Apotheken wahrnehmen können und wie ihr Tätigkeitsgebiet zur Sicherung der Grundversorgung ausgebaut werden kann. Und welche Auswirkungen das auf die Aus- und Weiterbildung sowie allfällige Vergütungsmodelle hat.
Heute haben wir das neue Heilmittelgesetz (HMG), das diese Änderungen abbildet. Damit haben die Apotheken mehr Kompetenzen erhalten, die den Zugang der Bevölkerung zu Heilmitteln und medizinischen Dienstleistungen erleichtern. Was aktuell noch nicht geregelt ist, ist die Erstattung dieser Leistungen. Die meisten Kosten müssen die Patienten noch selber übernehmen.
Zunehmend schwerer bis unmöglich von der Abgabe der Medikamente auf Rezept zu leben
Es wird zunehmend schwerer bis unmöglich nur von der Abgabe der Medikamente auf Rezept zu leben. Die Entwicklung ist schon länger bekannt – das war mit ein Grund, weshalb die Arbeit der Apotheke (unsere Leistung) bei diesen nicht mehr im Medikamentenpreis enthalten ist, sondern seit 2004 separat als Checks (Pauschale) abgegolten wird. Diese Pauschalen sind im Vertrag mit den Krankenkassen enthalten (der sogenannten Leistungsorientierten Abgabe: LOA) und werden von der Grundversicherung bezahlt:
- Medikamenten-Check: CHF 4,32
- Bezugs-Check: CHF 3,24
- Notfalldienst: CHF 17,28
- Einnahmekontrolle: CHF 10,8
- Abgabe einer fraktionierten Packung zur ambulanten Einnahme: CHF 5,4
- Wochen-Dosiersystem: CHF 21,6
- Substitution: 40 Prozent der Preisdifferenz, maximal CHF 20,6
Guter Ansatz, aber nicht kostendeckend
Heute zeigt sich, dass das zwar ein guter Ansatz ist, der aber weder bei den Hochpreisern noch den sehr günstigen Medikamenten kostendeckend ist. 20 Prozent der Apotheken sind gefährdet. Obwohl die Apotheken die Leistungserbringer sind, die am wenigsten an den steigenden Gesundheitskosten beteiligt sind, sind sie diejenigen, die von den Sparmaßnahmen an den Medikamenten am stärksten betroffen sind.
Die Zukunft der Apotheke, damit sie überleben kann, liegt bei den Dienstleistungen – und mit über 340.000 Patientenkontakten pro Tag und gut ausgebildetem und einfach erreichbarem medizinischen Fachpersonal ist die Apotheke bestens geeignet, neue Aufgaben zu übernehmen: als erste Anlaufstelle für Gesundheitsprobleme, bei der Früherkennung von Risiken und Krankheiten, bei Gesundheitsförderung und Vorsorge, zur Unterstützung bei Therapiestart, Therapiebegleitung und Therapieoptimierung bei Risiken und Komplikationen ....
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Therapietreue spart Kosten
Auf lange Sicht besteht hier viel Sparpotenzial. Laut Studien verursachen therapietreue Patienten vier Mal weniger Kosten als Patienten, die ihre Therapie nicht optimal umsetzen können. Dienstleistungen in der Apotheke können die Therapietreue fördern. Das Problem ist jedoch der Nachweis der Wirtschaftlichkeit. Dies ist jedoch Bedingung ist, damit die Krankenkassen das übernehmen. So wurde dieses Jahr (deswegen) leider der Polymedikationscheck vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen. Er wurde mit Patienten, die im Rahmen ihrer Therapie mehr als vier Medikamente einnehmen, durchgeführt, mit dem Ziel, ihr Wissen über die Medikamente und die Adhärenz zu erhöhen.
Günstigere Versicherungsmodelle bei Erstabklärung in der Apotheke
Besser sieht es im Bereich integrierter Versorgungsmodelle wie Netcare oder auch Telemedizin aus. Hier gibt es neue, einzelne, günstigere Versicherungsmodelle, die Patienten wählen können und in deren Rahmen sie für die Erstabklärung nicht zum Arzt gehen, sondern in die Apotheke. Es muss allerdings eine Apotheke sein, die dem Versicherungsmodell angeschlossen ist – und das sind aktuell nur Kettenapotheken mit Nachweis der Ausbildung dafür. Das Ziel wird sein, dass diese Dienstleitungen im Bereich der Anamnese und Triage (erste Beurteilung der Schwere des Falles) für weitere Apotheken (mit Ausbildungs-Nachweis) in Zukunft auch von den Kassen übernommen wird – und dass mehr Krankenkassen die Kosten übernehmen.
Die Patienten erhalten dabei ohne Voranmeldung medizinische Beratung und Hilfe bei Krankheiten sowie kleinen Verletzungen. Der Apotheker übernimmt die Anamnese und Triage, also die Erstabklärung anhand eines wissenschaftlich fundierten Ablaufs (Algorithmen), und entscheidet, ob er direkt ein Medikament abgibt, einen Telemediziner hinzuzieht oder den Patienten an eine andere Fachperson überweist (zum Beispiel Notfall, Arzt).
Was kann die Apotheke verlangen?
Die Qualifikation dafür ist umfangreich und teuer. Der (neue) „Fachapothekertitel FPH Anamnese in der Apotheke“ ist der aktuell nötige Nachweis der Kompetenz. Die Weiterbildungen mit mehreren Tagen Kontaktstudium und Online-Lektionen beinhalten Themenbereiche und damit verbundene Dienstleistungen wie:
- Allergie und Atemwege: Asthma-Check, Lungenkapazitätsmessung, Peak-Flow-Messung;
- Dermatologie: Triage Ekzeme und andere Hautausschläge, Wundversorgung;
- Hals-Nase-Mund-Rachen: Triage Halsschmerzen, Rachenabstrich für Strep-Test, Triage Ohrenschmerzen, Otoskopie;
- Augenprobleme: Triage Augeninfektionen, Fluoreszin-Test;
- Harnwegsinfektionen: Triage, Urinstatus;
- CPR Messung (Entzündungswert);
- pädiatrische Triage, Fieber messen, ...
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Was jetzt schon geht
Aber auch wenn man diese Ausbildungen nicht absolviert hat, können die meisten Apotheken schon folgende Dienstleistungen anbieten:
- Darmkrebsvorsorge (Anamnese, Stuhltest mitgeben und instruieren, Ergebnis interpretieren)
- Messen von Blutdruck, Blutzucker (Risikotest Diabetes), Cholesterin, ...
- „Pille danach“ Beratung und Abgabe, HIV-Test
- Vermietung von Milchpumpen, Krücken, Inhalationsgeräten et cetera
- Anmessen von Kompressionsstrümpfen und Stützverbänden,
- Beratung zu Raucherentwöhnung, Inkontinenz, Hörberatung, ...
Ebenso steht uns schon die Möglichkeit zur Verfügung, rezeptpflichtige Medikamente in Ausnahmefällen ohne Rezept abzugeben. Dafür braucht es Abklärung, Beratung und gute Dokumentation – und die Krankenkasse übernimmt das nicht.
Was kosten diese Dienstleistungen?
Der Apothekerverband und auch die Ausbildungsanbieter dürfen keine Vorgaben machen, was die Abgeltung betrifft – das wäre eine illegale Preisabsprache. So lange eine Dienstleistung von den Krankenkassen nicht vergütet wird – dann wird es im Tarifvertrag festgehalten –, muss jede Apotheke, die eine Dienstleistung anbietet, selbst festlegen, wie viel sie dafür verlangen will. Dahinein müssen natürlich Überlegungen fließen wie der dafür benötigte Aufwand, also die Zeit, die der Apotheker (der dafür ausgebildet sein muss) mit dem Patient verbringt, Materialverbrauch et cetera.
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Interview mit der Schweizer Apothekerin Pharmama
Impfen in der Apotheke: Erfahrungen aus der Schweiz
Beispiel: Impfungen, die Apotheker nach neuem HMG durchführen dürfen
Ausbildungskosten für Mitglieder des Apothekerverbandes:
BLS-AED Reanimationskurs CHF 650,
Impfungen CHF 550,
Injektions- und Blutentnahmetechniken CHF 970,
Online-Kurs Injektionen und Blutentnahme CHF 300,
Nachweis Hep B Titer (Voraussetzung für Spritzenkurs, inkl. Arztbesuch) circa CHF 100,
Antrag Fähigkeitsausweis Pharmasuisse CHF 250.
Insgesamt etwa 2800 Franken.
Wir verlangen aktuell 15 Franken für die Dienstleistung Impfen, darunter fällt die Vorbereitung des Patienten (kann durch eine Pharmaassistentin passieren) mittels Fragebogen, Auswertung und Abklärungen des Bogens durch den Apotheker, Impfakt und Dokumentation. Dazu verrechnen wir den Preis des Impfstoffes. Zeitaufwand etwa 10 bis 15 Minuten pro Impfung. Andere Apotheken verlangen dafür 20 Franken, bei der Grippeimpfaktion im Herbst ist es günstiger. Die Krankenkassen müssen das noch nicht übernehmen – erstatten in der Praxis dem Patienten aber oft den Impfstoff.
Dienstleistungen kommen gut an
Bei den Patienten kommen die Dienstleistungen gut an. Der Apotheker wird als medizinische Fachperson wahrgenommen und das Angebot gerne in Anspruch genommen, auch wenn der Patient (noch) viel davon selbst bezahlen muss. Trotzdem ist eine adäquate Preisgestaltung für die Leistungen wichtig, denn für das Überleben der Apotheken in Zukunft werden Dienstleistungen wichtiger Bestandteil des Umsatzes sein müssen.
3 Kommentare
Zukunft
von Reinhard Rodiger am 02.10.2019 um 1:03 Uhr
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Dienstleistungen
von Roland Mückschel am 01.10.2019 um 14:14 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Dienstleistungen
von Rainer W. am 01.10.2019 um 14:23 Uhr
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