Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz

Kabinett beschließt Reform des Kassenfinanzausgleichs

Berlin - 09.10.2019, 12:35 Uhr

Das „Gesetz für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung“ wurde heute vom Kabinett beschlossen. (m / Foto: Comugnero Silvana / stock.adobe.com)

Das „Gesetz für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung“ wurde heute vom Kabinett beschlossen. (m / Foto: Comugnero Silvana / stock.adobe.com)


Die Bundesregierung will den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen fairer und zielgenauer ausgestalten. Dabei soll das „Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz“ helfen, das das Bundeskabinett heute beschlossen hat. Gegenüber dem Referentenentwurf vom vergangenen März hat sich der Regierungsentwurf vor allem in einem Punkt verändert: Von seinem Plan, die Ortskrankenkassen bundesweit zu öffnen, ist der Bundesgesundheitsminister nach massiver Kritik abgerückt.

Manche Kritik bringt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn offenbar zum Umdenken. Ein gutes halbes Jahr nach der Vorlage des Referentenentwurfs für das „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ und nach vielen sich anschließenden Diskussionen hat sein Gesetzesvorhaben, das Wettbewerbsverzerrungen im GKV-Bereich beseitigen soll, nun in modifizierter Form das Kabinett passiert. „Gesetz für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-FKG) heißt es jetzt in voller Länge. Die zunächst vorgesehene Streichung von Regionalbegrenzungen für Krankenkassen, die insbesondere für die elf AOKen bestehen, findet sich darin nicht mehr. Nicht nur die AOKen selbst, auch der Koalitionspartner SPD und alle Bundesländer hatten das Vorhaben scharf kritisiert. Nun hat Spahn nachgegeben.

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Andere zentrale Punkte der ursprünglichen Pläne sind in dem Regierungsentwurf enthalten – vor allem die Reform des Risikostrukturausgleichs (RSA) zwischen den Krankenkassen. Spahn zeigte sich anlässlich des Kabinettsbeschlusses überzeugt: „Wir machen den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen gerechter. Nicht die Kasse mit den besten Finanztricks soll gewinnen, sondern die mit dem besten Service, der besten Versorgung und dem modernsten digitalen Angebot. Die Versicherten sollen eine faire Wahl treffen können, die Preis und Leistung berücksichtigt. Und sie sollen bei Kassen mit überhohen Rücklagen nicht mehr Beitrag zahlen als nötig.“

Regionalkomponente kommt

So soll der RSA eine Regionalkomponente bekommen. Sie soll dafür sorgen, dass regionale Über- und Unterdeckungen im Finanzausgleich abgebaut und somit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Krankenkassen geschaffen werden. Zudem soll sie der Marktkonzentration einzelner Kassen entgegenwirken. Im Morbi-RSA soll überdies künftig das gesamte Krankheitsspektrum (statt bisher 50 bis 80 Krankheiten) berücksichtigt werden, um die Zielgenauigkeit des Finanzausgleichs zu erhöhen.

Hochkostenfälle sollen dadurch abgefedert werden, dass die Krankenkassen für jeden Leistungsfall 80 Prozent der Leistungsausgaben erstattet bekommen, die über 100.000 Euro pro Jahr hinausgehen. Ferner soll die Präventionsorientierung im RSA gestärkt werden, indem eine Vorsorge-Pauschale eingeführt wird. Das soll den Anreiz für Krankenkassen stärken, die Inanspruchnahme von Präventionsmaßnahmen ihrer Versicherten zu fördern.

Arzneimittelrabatte: individuelle statt pauschale Berücksichtigung

Weiterhin sollen Arzneimittelrabatte und -abschläge sowie Erstattungsbeträge künftig versichertenindividuell berücksichtigt werden. Die Krankenkassen haben ihre Leistungsausgaben nach Abzug der Rabatte und Abschläge zu melden, die  tatsächlich je Versichertem bei der Arzneimittelversorgung erzielt wurden. Das sei genauer als die bisherige pauschale Berücksichtigung eines durchschnittlichen Arzneimittelrabattfaktors je Krankenkasse. Auch damit sollen Wettbewerbsverzerrungen auf Krankenkassenebene beseitigt werden. Wirtschaftlichkeitsanreize zum Abschluss von Rabattverträgen blieben jedoch bestehen, betont das Ministerium.

Manipulationsbremse, mehr Transparenz bei Selektivverträgen, neue Strukturen im GKV-Spitzenverband

Ferner ist eine „Manipulationsbremse“ vorgesehen, mit der es sich für Kassen nicht mehr lohnen soll, die Diagnosestellung durch Ärzte zu beeinflussen: Wenn die Diagnosekodierungen bei bestimmten Krankheiten auffällig stark steigen, bekommen alle Krankenkassen hierfür keine Zuweisungen mehr.

Auch die Prüfkompetenzen des Bundesversicherungsamtes (BVA) – der Aufsichtsbehörde der bundesweit agierenden Kassen – werden erweitert: Das neue Prüfkonzept mit einer Umkehr der Beweislast soll rückwirkend ab dem Jahr 2013 angewendet werden. 

Zudem wird eine Vertragstransparenzstelle für Selektivverträge der Krankenkassen eingerichtet, um Transparenz über Verträge zu schaffen und Zusammenhänge mit statistischen Auffälligkeiten in den RSA-Datenmeldungen erkennen zu können.

Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf neue Haftungsregeln für Krankenkassen im Fall der Auflösung, Schließung oder Insolvenz einer Kasse. Die Last sollen künftig nicht nur die Kassen der gleichen Kassenart tragen, sondern sämtliche Krankenkassen. Auch neue Verhaltensregeln für den Kassenwettbewerb werden formuliert.

Neue Strukuren im GKV-Spitzenverband

Und: Im GKV-Spitzenverband soll ein neuer Lenkungs- und Koordinierungsausschuss geschaffen werden, der mit Vorstandsmitgliedern der Krankenkassen besetzt ist. Dies soll eine engere und transparentere Anbindung an das operative Geschäft der Krankenkassen unterstützen. Der neue Ausschuss soll bei allen versorgungsrelevanten Entscheidungen des Vorstandes sowie Richtlinien, Rahmenvorgaben oder vergleichbaren Entscheidungen zustimmen müssen und kann zu Beschlüssen des Verwaltungsrates Stellungnahmen abgeben. 

Der GKV-Spitzenverband hält davon allerdings gar nichts, sondern sieht seine bereits vorhandenen Organe – Vorstand und Verwaltungsrat – erheblich eingeschränkt. Weiterhin sieht der Gesetzentwurf vor, dass es künftig eine Frauenquote in den Entscheidungsgremien gibt – das findet auch der GKV-Spitzenverband „zeitgemäß und nachvollziehbar“.

Das Gesetz soll voraussichtlich im Frühjahr 2020 in Kraft treten. Nun kann es ins parlamentarische Verfahren treten. Es bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.

Mit dem heutigen Kabinettsbeschluss werden außerdem die Weichen gestellt, dass der im Versichertenentlastungsgesetz (VEG) bereits vorgesehene Abbau überschüssiger Finanzreserven ab dem 1. Januar 2020 beginnen kann. Voraussetzung hierfür war nämlich eine RSA-Reform.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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